Verfahrensgang
LSG Rheinland-Pfalz (Urteil vom 03.11.2016; Aktenzeichen L 5 P 30/16) |
SG Koblenz (Aktenzeichen S 3 P 52/14) |
Tenor
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 3. November 2016 wird als unzulässig verworfen.
Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe
I
Das LSG Rheinland-Pfalz hat mit Urteil vom 3.11.2016 einen Anspruch der 2012 geborenen, an Diabetes mellitus Typ I erkrankten Klägerin auf Leistungen der sozialen Pflegeversicherung nach der Pflegestufe I ab Beginn ihres 3. Lebensjahres gegen die Beklagte verneint. Die Klägerin erfülle den wöchentlich im Tagesdurchschnitt von mehr als 45 Minuten erforderlichen Hilfebedarf im Bereich der Grundpflege nicht (§ 15 Abs 3 S 1 Nr 1 SGB XI aF). Der bei Kindern notwendige zusätzliche Hilfebedarf gegenüber einem gesunden gleichaltrigen Kind, insbesondere der Zeitaufwand für erforderliche verrichtungsbezogene krankheitsspezifische Pflegemaßnahmen, sei hierbei berücksichtigt worden (§ 15 Abs 2 und Abs 3 S 2 und 3 SGB XI aF).
Gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des LSG hat die Klägerin Beschwerde beim BSG eingelegt. Sie beruft sich auf die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache und auf eine Rechtsprechungsabweichung (§ 160 Abs 2 Nr 1 und 2 SGG).
II
Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig, weil die Klägerin die geltend gemachten Zulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung und der Divergenz nicht formgerecht dargetan hat (§ 160a Abs 2 S 3 SGG). Die Verwerfung der unzulässigen Beschwerde erfolgt gemäß § 160a Abs 4 S 1 Halbs 2 iVm § 169 S 2 und 3 SGG durch Beschluss ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter.
1. Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache iS des § 160 Abs 2 Nr 1 SGG nur dann, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die - über den Einzelfall hinaus - aus Gründen der Rechtseinheit oder Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Der Beschwerdeführer muss daher anhand des anwendbaren Rechts und unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung aufzeigen, welche Fragen sich stellen, dass diese noch nicht geklärt sind, weshalb eine Klärung dieser Rechtsfragen aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts erforderlich ist und dass das angestrebte Revisionsverfahren eine solche Klärung erwarten lässt (vgl BSG SozR 1500 § 160 Nr 17 und § 160a Nr 7, 11, 13, 31, 39, 59, 65).
Um seiner Darlegungspflicht zu genügen, muss ein Beschwerdeführer mithin eine Rechtsfrage, ihre (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit, ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit (Entscheidungserheblichkeit) sowie die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der von ihm angestrebten Entscheidung (sog Breitenwirkung) darlegen (vgl BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 34 S 70 mwN). Diesen Anforderungen wird die vorliegende Beschwerdebegründung nicht gerecht.
Die Klägerin hält für grundsätzlich bedeutsam:
"Die Entscheidung des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz beruht auf der Rechtsfrage, ob bei der modernen Insulinpumpentherapie die Blutzuckermessungen und die Insulingabe im Zusammenhang mit den Mahlzeiten als Grundpflegebedarf bei der Nahrungsaufnahme zu berücksichtigen sind (S. 11 des Urteils)."
Dem steht aber bereits entgegen, dass die aufgeworfene Frage im angestrebten Revisionsverfahren eine Klärung nicht erwarten lässt. Denn die Klägerin führt selbst aus, dass das LSG diese Frage ausdrücklich offengelassen habe. Hierfür zitiert sie das angefochtene LSG-Urteil (S 11): "Im vorliegenden Verfahren ist insbesondere die möglicherweise grundsätzliche Frage, ob bei einer modernen Insulinpumpentherapie die Blutzuckermessungen und die Insulingabe im Zusammenhang mit den Mahlzeiten als Grundpflegebedarf bei der Nahrungsaufnahme zu berücksichtigen sind, nicht entscheidungserheblich" (S 3 der Beschwerdebegründung). Damit fehlt der aufgeworfenen Frage die Klärungsfähigkeit. Diese folgt auch nicht aus dem beim BSG anhängigen Revisionsverfahren (B 3 P 3/16 R), mit dem die Klägerin meint, die konkrete Entscheidungserheblichkeit für ihren Rechtsstreit herleiten zu können.
2. Die Klägerin hat auch keine Rechtsprechungsabweichung formgerecht aufgezeigt.
Sie ist der Ansicht, das LSG habe der Rechtsauffassung des BSG widersprochen, dass das Händewaschen vor der Blutzuckermessung eine berücksichtigungspflichtige Grundpflegemaßnahme ist (Hinweis auf BSG Urteil vom 28.5.2003 - B 3 P 6/02 R - SozR 4-3300 § 15 Nr 1).
Das LSG habe in seinem Urteil ausgeführt, dass der von der gerichtlichen Sachverständigen gutachterlich festgestellte Hilfebedarf für das Waschen der Hände zur Vorbereitung der Blutzuckermessungen nicht zu berücksichtigen sei, da es der Vorbereitung einer Maßnahme der Behandlungspflege diene und nicht in einem unmittelbaren zeitlichen und sachlichen Zusammenhang mit einer Pflegeverrichtung stehe (Hinweis auf S 10 des Urteils).
Eine Divergenz des Berufungsurteils zur Rechtsprechung des BSG, des GmSOGB oder des BVerfG (§ 160 Abs 2 Nr 2 SGG) ist damit aber nicht hinreichend dargetan. Dazu hätte die Klägerin vorgetragen müssen, dass das LSG einen tragenden Rechtssatz in Abweichung von einem anderen Rechtssatz aufgestellt hat, den eines der vorgenannten Gerichte entwickelt und angewandt hat, und dass die Entscheidung des LSG auf dieser Divergenz beruht. Hierzu ist es notwendig, den von der höchstrichterlichen Rechtsprechung abweichenden Rechtssatz des LSG herauszuarbeiten und die Unvereinbarkeit mit einem Rechtssatz des BSG aufzuzeigen. Eine Abweichung liegt indes nicht schon dann vor, wenn das LSG einen Rechtssatz nicht beachtet oder unrichtig angewandt hat, sondern erst dann, wenn das LSG diesem Rechtssatz widersprochen, also einen anderen Rechtssatz aufgestellt und angewandt hat. Nicht die Unrichtigkeit der Entscheidung im Einzelfall, sondern die Nichtübereinstimmung im Grundsätzlichen begründet die Zulassung der Revision wegen Divergenz (vgl BSG SozR 1500 § 160a Nr 14, 21, 29 und 67). Diesen Anforderungen entspricht die Beschwerdebegründung nicht.
Aus dem Vortrag der Klägerin ergibt sich, dass sie sich in erster Linie gegen die Beweiswürdigung der Sachverständigen bzw gegen die getroffenen tatsächlichen Feststellungen des LSG wendet. Dies sind Fragen, die der Nichtzulassungsbeschwerde nicht zum Erfolg verhelfen können. Aus § 128 Abs 1 S 1 SGG iVm § 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 SGG ergibt sich, dass Angriffe auf die Beweiswürdigung im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde nicht überprüft werden können. Doch selbst wenn die Klägerin eine Divergenz aufgezeigt hätte, fehlte es an jeglicher Darlegung der Entscheidungserheblichkeit im angestrebten Revisionsverfahren. Hierfür hätte sie aufzeigen müssen, in welchem Umfang der von ihr geltend gemachte Hilfebedarf für das Händewaschen vor den Blutzuckermessungen dazu geführt hätte, dass der gesetzlich notwendige Grundpflegebedarf für die Pflegestufe I (§ 15 Abs 3 S 1 Nr 1 SGB XI aF) überschritten wird. Sie hätte darlegen müssen, dass im Ergebnis die mangelnde Berücksichtigung des geltend gemachten Hilfebedarfs durch das LSG für die Versagung der Pflegestufe I von Entscheidungsrelevanz gewesen ist. Daran fehlt es.
Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (§ 160a Abs 4 S 2 Halbs 2 SGG).
Die Kostenentscheidung beruht auf entsprechender Anwendung von § 193 SGG.
Fundstellen
Dokument-Index HI10644119 |