Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtliches Verfahren. Revisionsnichtzulassungsbeschwerde. Versäumung der Begründungsfrist. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Verschulden bei Unvermögen zur Bestreitung der Prozesskosten. Fristgerechter PKH-Antrag. Rechtzeitige Darlegung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse. Mandatsniederlegung des zunächst Bevollmächtigten

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Eine Revisionsnichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig, wenn sie nicht innerhalb der Begründungsfrist durch einen zugelassenen Prozessbevollmächtigten (vgl. § 166 SGG) begründet worden ist.

2. Ein Beschwerdeführer ist im Fall des Unvermögens zur Bestreitung der Kosten der Prozessführung nur dann im Sinn eines Wiedereinsetzungsgrunds ohne sein Verschulden an der Einhaltung der Beschwerdefrist gehindert, wenn er innerhalb dieser Frist sowohl das Prozesskostenhilfegesuch als auch die auf dem vorgeschriebenen Vordruck abzugebende Erklärung über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse in der gesetzlich vorgeschriebenen Form eingereicht hat (st.Rspr.; vgl. BSG SozR 1750 § 117 Nrn. 1, 3 u. 4).

3. Entsprechendes muss gelten, wenn die Nichtzulassungsbeschwerde zwar fristgerecht durch einen zugelassenen Prozessbevollmächtigten eingelegt worden ist, dieser jedoch vor Ablauf der Begründungsfrist die Vertretung des Beschwerdeführers niedergelegt hat. In diesem Fall ist der Beschwerdeführer nur dann ohne sein Verschulden an der Einhaltung der Begründungsfrist gehindert, wenn er bis zu deren Ablauf den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe gestellt und die auf dem vorgeschriebenen Vordruck abgegebene Erklärung über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse eingereicht hat, sofern er daran nicht ebenfalls ohne Verschulden gehindert gewesen ist (st.Rspr.; vgl. BSG, Beschluss v. 06.06.1989, 1 BA 33/89).

 

Normenkette

SGG §§ 166, 73a Abs. 1, § 67 Abs. 1, § 160a Abs. 2; ZPO §§ 114, 117 Abs. 2, 4

 

Verfahrensgang

LSG Rheinland-Pfalz (Beschluss vom 15.01.2003)

 

Tenor

Der Antrag des Klägers, ihm zur Durchführung der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Beschluss des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 15. Januar 2003 Prozesskostenhilfe zu bewilligen und einen Rechtsanwalt beizuordnen, wird abgelehnt.

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im vorstehend genannten Beschluss wird als unzulässig verworfen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

Gegen die Nichtzulassung der Revision in dem vorbezeichneten Beschluss des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz hat der Kläger durch seinen früheren Prozessbevollmächtigten zwar form- und fristgerecht Beschwerde eingelegt, das Rechtsmittel bisher aber nicht begründet; der Prozessbevollmächtigte hat vielmehr mit Schreiben vom 25. März 2003 mitgeteilt, dass er die Vertretung niedergelegt habe. Mit Schreiben vom 26. März 2003, das am 28. März 2003 beim Bundessozialgericht (BSG) eingegangen ist, hat der Kläger die Bewilligung von Prozesskostenhilfe und sinngemäß die Beiordnung eines Rechtsanwalts beantragt. Diesem Schreiben war eine Erklärung über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nicht beigefügt.

Der Antrag des Klägers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe ist abzulehnen.

Nach § 73a des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) iVm § 114 der Zivilprozessordnung (ZPO) kann einem Beteiligten für das Verfahren vor dem BSG nur dann Prozesskostenhilfe bewilligt werden, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet. Diese Voraussetzung ist nicht erfüllt. Die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers bietet keine Aussicht auf Erfolg. Sie ist unzulässig, weil sie nicht innerhalb der am 7. April 2003 (5./6. April = Samstag/Sonntag) abgelaufenen Begründungsfrist durch einen zugelassenen Prozessbevollmächtigten (vgl § 166 SGG) begründet worden ist. Die Begründung durch einen zugelassenen Prozessbevollmächtigten könnte auch nicht mehr nachgeholt werden, weil dem Kläger Wiedereinsetzung wegen Versäumnis der Begründungsfrist nicht gewährt werden könnte. Er ist nicht ohne Verschulden an der Einhaltung dieser Frist gehindert gewesen (§ 67 Abs 1 SGG). Ein Beschwerdeführer ist im Falle des Unvermögens zur Bestreitung der Kosten der Prozessführung nur dann ohne sein Verschulden an der Einhaltung der Beschwerdefrist gehindert, wenn er innerhalb dieser Frist sowohl das Prozesskostenhilfegesuch als auch die auf dem vorgeschriebenen Vordruck abzugebende Erklärung über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse in der gesetzlich vorgeschriebenen Form (§ 73a Abs 1 SGG iVm § 117 Abs 2 und 4 ZPO) eingereicht hat (BSG SozR 1750 § 117 Nr 1, 3 und 4; BGH VersR 1981, 884; BFH NV 1989, 802; BVerfG SozR 1750 § 117 Nr 2 und 6). Entsprechendes muss gelten, wenn die Nichtzulassungsbeschwerde zwar fristgerecht durch einen zugelassenen Prozessbevollmächtigten eingelegt worden ist, dieser jedoch vor Ablauf der Begründungsfrist die Vertretung des Beschwerdeführers niedergelegt hat. In diesem Falle ist der Beschwerdeführer nur dann ohne sein Verschulden an der Einhaltung der Begründungsfrist gehindert, wenn er bis zu deren Ablauf den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe gestellt und die auf dem vorgeschriebenen Vordruck abgegebene Erklärung über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse eingereicht hat, sofern er daran nicht ebenfalls ohne Verschulden gehindert gewesen ist (BSG Beschluss vom 6. Juni 1989 – 1 BA 33/89 –).

Der Kläger hat zwar innerhalb der am 7. April 2003 abgelaufenen Frist zur Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde die Bewilligung von Prozesskostenhilfe beantragt. Die auf dem vorgeschriebenen Vordruck abzugebende Erklärung über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse hat er hingegen nicht innerhalb dieser Frist vorgelegt, ohne dass dafür ein ausreichender Entschuldigungsgrund ersichtlich wäre. Der amtliche Vordruck ist dem Kläger mit Schreiben des Senats vom 31. März 2003 übersandt worden. Die rechtzeitige Vorlage des Vordrucks konnte nicht etwa deswegen unterbleiben, weil der Kläger mit Schreiben vom 2. April 2003 einen Bescheid des Sozialamts H. … über die Gewährung einmaliger Leistungen nach dem Bundessozialhilfegesetz vorgelegt hat. Die Verwendung des Vordrucks soll das Gericht in die Lage versetzen, sich aufgrund der gemachten Angaben und vorgelegten Belege eine ausreichende Gewissheit über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse (Familienverhältnisse, Beruf, Vermögen, Einkommen und Lasten, Bestehen oder Nichtbestehen einer Rechtsschutzversicherung) zu verschaffen. Dazu bedarf es aber Erklärungen, welche in dem Vordruck gefordert werden, einschließlich der Versicherung über die Vollständigkeit und Richtigkeit der gemachten Angaben (vgl § 117 Abs 3 ZPO iVm PKHVV, BSG SozR 1750 § 117 Nr 1 und 3).

Da dem Kläger keine Prozesskostenhilfe zusteht, war auch der Antrag auf Beiordnung eines Rechtsanwalts abzulehnen.

Die vom Kläger eingelegte Beschwerde kann ebenfalls keinen Erfolg haben. Nach § 160a Abs 2 Satz 1 SGG hätte die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision innerhalb der am 7. April 2003 abgelaufenen Begründungsfrist durch einen beim BSG zugelassenen Prozessbevollmächtigten begründet werden müssen. Da dies nicht geschehen ist, muss das Rechtsmittel als unzulässig verworfen werden (§ 160a Abs 4 Satz 2 Halbs 2 iVm § 169 SGG).

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1176661

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