Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. Begründung. Nichtzulassungsbeschwerde. Behauptung. Gesetzeslücke
Orientierungssatz
Die Rechtsprechung, dass zur Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde die bloße Behauptung der Verfassungswidrigkeit einer Norm nicht ausreiche, sondern dargetan sein müsse, welche Norm des Grundgesetzes (GG) verletzt sei und aus welchen Gründen (vgl BSG vom 22.8.1975 - 11 BA 8/75 = BSGE 40, 158 = SozR 1500 § 160a Nr 11), gilt entsprechend, wenn die Lückenhaftigkeit einer Norm behauptet wird (vgl BSG vom 19.5.1983 - 6 BKa 29/82 = SozR 1500 § 160a Nr 47).
Normenkette
SGG § 160 Abs. 2 Nr. 1, § 160a Abs. 2 S. 3
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Klägerin war bis zu ihrer Pensionierung zum 30. Juni 2000 als angestellte Ärztin Pflichtmitglied der beklagten Krankenkasse. Seit Juli 2000 bezieht sie Versorgungsbezüge der Ärzteversorgung Niedersachsen sowie eine Versorgungsrente der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder. Eine Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung bezieht sie nicht. Die Beklagte stufte die Klägerin zunächst vorläufig und mit Bescheid vom 22. Januar 2001 ab Juli 2000 endgültig in die Versicherungsklasse F 12 0 für freiwillige Mitglieder ein, bei der als beitragspflichtige Einnahmen ua auch Ehegatteneinkommen berücksichtigt werden. Die Klägerin legte Widerspruch ein. Sie sei nicht freiwillig versichertes Mitglied, sondern Pflichtmitglied der Beklagten; während ihrer Berufstätigkeit sei sie 21 Jahre lang Pflichtmitglied der Beklagten gewesen. Widerspruch, Klage und Berufung der Klägerin blieben ohne Erfolg. Das Landessozialgericht (LSG) hat die Revision nicht zugelassen. - Die Klägerin hat gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des LSG vom 30. März 2004 Revision eingelegt und eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache geltend gemacht.
Entscheidungsgründe
Die Beschwerde ist unzulässig. Sie genügt nicht den Begründungserfordernissen des § 160a Abs 2 Satz 3 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG). Die Klägerin hat nach einem Hinweis auf die Gründe des LSG-Urteils ihre Beschwerde wörtlich wie folgt begründet:
"Die Entscheidung des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts beruht also auf der Rechtsfrage, ob es dem Willen des Gesetzgebers entspricht, § 5 Abs. 1 Nr. 11 SGB V allein im Sinne der abschließenden Aufzählung des § 228 Abs. 1 SGB V zu verstehen oder ob das SGB nicht etwa - wie die Klägerin meint - eine Regelungslücke enthält, die im Wege der Analogie unter Berücksichtigung der Gleichsetzung der Versorgungsbezüge mit der Rente in § 229 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB V zur Erzielung eines einheitlichen Regelungsgehaltes des Gesetzes zu schließen ist. Die Rechtsfrage ist auch klärungsbedürftig. Weder Wortlaut noch Gesetzesmaterialien ergibt eine eindeutige Antwort hierauf. Höchstrichterlich ist die Rechtsfrage noch nicht entschieden. Zudem hat die Rechtsfrage eine über den Einzelfall hinausgehende grundsätzliche Bedeutung, da sie nicht nur die Klägerin betrifft, sondern einen großen Personenkreis, der - wie die Klägerin - aufgrund einer Pflichtmitgliedschaft im berufsständischen Versorgungswerk keinen Rentenanspruch gegen einen in § 228 SGB V aufgezählten Rententräger hat. Eine Entscheidung des Bundessozialgerichtes wird daher in einer die Interessen der Allgemeinheit berührenden Weise das Recht jedenfalls aber die Rechtsanwendung fortentwickeln. Die Rechtsfrage ist in einem Revisionsverfahren auch klärungsfähig und entscheidungserheblich, da das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichtes allein auf der vorgenannten Rechtsauffassung beruht, sämtliche übrigen prozessualen und materiell-rechtlichen Voraussetzungen für ein dem Begehren der Klägerin entsprechendes Urteil erfüllt sind."
Die Klägerin hat mit dieser Begründung ihrer Nichtzulassungsbeschwerde eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache iS des § 160 Abs 2 Nr 1 SGG nicht dargelegt. Zur Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung einer Rechtssache ist erforderlich, die grundsätzliche Rechtsfrage klar zu formulieren und aufzuzeigen, dass sie über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung besitzt, dass die Rechtsfrage klärungsbedürftig und klärungsfähig ist, dh sie im Falle der Zulassung der Revision entscheidungserheblich wäre. Die Beschwerde hat zwar eine hinreichend konkrete Rechtsfrage gestellt. Den weiteren Anforderungen hat sie jedoch noch nicht mit der Behauptung genügt, dass eine durch Analogie zu schließende Regelungslücke vorliege. Die Rechtsprechung, dass zur Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde die bloße Behauptung der Verfassungswidrigkeit einer Norm nicht ausreiche, sondern dargetan sein müsse, welche Norm des Grundgesetzes (GG) verletzt sei und aus welchen Gründen (BSGE 40, 158 = SozR 1500 § 160a Nr 11), gilt entsprechend, wenn die Lückenhaftigkeit einer Norm behauptet wird (BSG SozR 1500 § 160a Nr 47). Die Beschwerde hat sich jedoch weder mit der eingehenden Argumentation des LSG, das eine Analogie verneint hat, noch mit der bisherigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) und des Bundesverfassungsgerichts zur Krankenversicherung der Rentner auseinander gesetzt. Soweit sie eine Gesetzeslücke behauptet, hätte dargelegt werden müssen, dass der Gesetzgeber diese Lücke übersehen hat und er sie - wäre ihm dies bewusst gewesen - gerade durch eine Anordnung der Versicherungspflicht auch für Bezieher von Versorgungsbezügen geschlossen hätte. Schließlich hätte die Beschwerde aufzeigen müssen, dass das BSG berechtigt wäre, einen solchen Versicherungszwang, der typisierend betrachtet einen Eingriff in das Recht aus Art 2 Abs 1 GG darstellt, im Wege der Analoge zu schließen. - Hieran fehlt es.
Von einer weiteren Begründung wird in entsprechender Anwendung von § 160a Abs 4 Satz 3 Halbsatz 2 SGG abgesehen.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.
Fundstellen