Entscheidungsstichwort (Thema)
Vergütung von Infusionen bei Kindern
Orientierungssatz
Der BMÄ'87 unterscheidet sich hinsichtlich der Vergütung von Infusionen wesentlich vom BMÄ'78, und zwar gerade auch hinsichtlich der Berücksichtigung des Zeitaufwands. Damit wird im Ergebnis auch der Zeitaufwand bei Kinderärzten differenzierter erfaßt als nach dem BMÄ'78, so daß sich die Rechtslage auch hinsichtlich der Frage des Bestehens einer Lücke wesentlich geändert hat.
Normenkette
BMÄ Nr 281, 1978; RVO § 368g Abs 4; BMÄ Nr 271; BMÄ Nr 283, 1978; BMÄ Nr 272, 1987
Verfahrensgang
LSG Niedersachsen (Entscheidung vom 27.05.1987; Aktenzeichen L 5 Ka 21/84) |
Gründe
Der Kläger ist als Kinderarzt zur Kassenpraxis zugelassen. Er rechnete im dritten Quartal 1981 in fünf Fällen für die Infusion bei Kindern die Gebührenziffer 281 des BMÄ'78 - Infusion, intravenös oder intraarteriell - je dreimal ab. Die Beklagte wandelte den dreimaligen Ansatz der Ziffer 281 jeweils in einen einmaligen Ansatz der Ziffer 283 BMÄ'78 - Dauertropfinfusion, intravenös oder intraarteriell, bei einer Mindestdauer von 20 Minuten - um. Das Sozialgericht (SG) hat die Beklagte verurteilt, die abgerechnete Dauertropfinfusion mit dem dreimaligen Ansatz der Gebührenziffer 281 BMÄ'78 zu honorieren. Dieses Urteil hat das Landessozialgericht (LSG) aufgehoben und die Klage abgewiesen. Das LSG hat zur Begründung ausgeführt, eine Abrechnung mit dem dreifachen Ansatz der Ziffer 281 sehe der BMÄ'78 nicht vor, insoweit bestehe auch keine Lücke der Gebührenordnung. Die Bewertung der Infusion nach den neuen Gebührenziffern des BMÄ'78 sei erheblich differenzierter als nach dem früher geltenden BMÄ (vgl dazu BSG 26. April 1978 - 6 RKa 11/77 - = SozR 5533 Nr 45 BMÄ Nr 1).
Der Kläger rügt mit der Nichtzulassungsbeschwerde eine Abweichung des Urteils des LSG von der Entscheidung des Bundessozialgerichts (BSG) vom 26. April 1978 sowie die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache.
Die Beschwerde ist nicht begründet.
Zur Rüge der Abweichung von der Entscheidung des BSG macht der Kläger geltend, das BSG habe den Rechtssatz aufgestellt, daß die einheitliche Honorierung einer Leistung, die bei Säuglingen/Kleinkindern den dreifachen Zeitaufwand wie bei Erwachsenen erfordere, gegen Art 3 des Grundgesetzes (GG) verstoße. Davon weiche das LSG ab, wenn es eine Regelungslücke in der Gebührenziffer 281 bzw 283 BMÄ'78 verneine, obwohl diese Positionen in der Leistungsbeschreibung und im Verhältnis der Honorierung den Positionen 45 und 2004 des alten BMÄ entsprächen und obwohl die Positionen 281 und 283 eine unterschiedliche Honorierung der Infusionen bei Erwachsenen und Säuglingen/Kleinkindern ebenfalls nicht enthielten und obwohl sich an der tatsächlich unterschiedlichen Zeitdauer der Infusionen bei Erwachsenen und Säuglingen/Kleinkindern nichts geändert habe.
Eine Divergenz iS des § 160 Abs 2 Nr 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) liegt nur vor, wenn das LSG einen tragenden abstrakten Rechtssatz in Abweichung von einem vorhandenen Rechtssatz des Revisionsgerichts aufgestellt hat. Zwar genügt es, daß die Abweichung objektiv vorliegt, auch wenn sie unbewußt erfolgte. Das Berufungsgericht muß aber über die Rechtsfrage entschieden haben. Aus dem Vorbringen des Klägers ergibt sich keine Abweichung in diesem Sinn. Das LSG weicht mit der Verneinung der Regelungslücke in der Gebührenziffer 281 bzw 283 BMÄ'78 nicht von dem bezeichneten Rechtssatz des BSG ab. Nach dem Urteil des BSG vom 26. April 1978 könnte die Honorierung der Infusionen im vierten Quartal 1974, dh nach dem damals geltenden BMÄ, gegen das Gebot der Gleichbehandlung aller Kassenärzte verstoßen, sofern es zutrifft, daß Infusionen bei Säuglingen und Kleinkindern durchschnittlich dreimal soviel Zeit wie bei älteren Patienten erfordern und für diesen zeitlichen Mehraufwand bei Kinderärzten keine oder keine hinreichenden Ausgleichsmöglichkeiten bestehen. Der Kläger benennt keinen ausdrücklich formulierten Rechtssatz des LSG, mit dem es vom Rechtssatz des BSG abweicht. Aber auch im Ergebnis geht das LSG nicht von einem abweichenden Rechtssatz aus. Mit welchen rechtlichen Darlegungen oder stillschweigend entschiedenen Ausgangserwägungen das LSG im einzelnen vom BSG-Urteil abweicht, hat der Kläger nicht bezeichnet. Das LSG stellt entscheidend gerade auf den Unterschied der Leistungsbeschreibungen in den Ziffern 280 ff BMÄ'78 zu den entsprechenden Ziffern des BMÄ aF ab. Insbesondere hat das LSG nicht ausgesprochen, daß bei der Bewertung der Infusionen der besondere Zeitaufwand der Kinderärzte allgemein unberücksichtigt bleiben konnte.
Die vom Kläger gerügte grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache liegt ebenfalls nicht vor, da das zu erwartende Urteil des BSG sich nicht auf das nach dem BMÄ'87 geltende Recht auswirken würde. Für die Zukunft kann die Entscheidung des BSG nicht richtungsweisend sein. Der BMÄ'87 unterscheidet sich hinsichtlich der Vergütung von Infusionen wesentlich vom BMÄ'78, und zwar gerade auch hinsichtlich der Berücksichtigung des Zeitaufwands. Während im BMÄ'78 nur zwischen der intravenösen Infusion und der intravenösen Dauertropfinfusion bei einer Mindestdauer von 20 Minuten unterschieden wurde, ist im BMÄ'87 bei den intravenösen Infusionen der Zeitfaktor in die Leistungsbeschreibung von zwei Gebührenziffern eingegangen. Nach Ziffer 271 BMÄ'87 werden intravenöse Infusionen von 10 bis 30 Minuten Dauer vergütet, nach Ziffer 272 BMÄ'87 intravenöse Infusionen von mehr als 30 Minuten Dauer. Damit wird im Ergebnis auch der Zeitaufwand bei Kinderärzten differenzierter erfaßt als nach dem BMÄ'78, so daß sich die Rechtslage auch hinsichtlich der Frage des Bestehens einer Lücke wesentlich geändert hat. Ob der BMÄ'87 insoweit gegen den Gleichheitssatz verstößt, könnte sich aus der Entscheidung des BSG nicht ergeben. Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Fundstellen