Leitsatz (redaktionell)
Die Anschlußrevision ist innerhalb der unverlängerten Frist zur Begründung der Revision zu begründen. Die Frist für die Begründung der Anschlußrevision kann nicht verlängert werden.
Normenkette
SGG § 164 Abs. 1 Fassung: 1953-09-03, § 202 Fassung: 1953-09-03; ZPO § 556 Abs. 1-2
Gründe
Die Kläger begehren die Weitergewährung der Elternrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung nach ihrem 1942 geborenen, am 13. November 1964 bei der Arbeit tödlich verunglückten Sohn G G. Der 1910 geborene Kläger und die 1916 geborene Klägerin bewirtschaften eine aus 5,4 ha Eigen- und Pachtland bestehende Landwirtschaft. Sie haben noch eine Tochter, die mit einem Landwirt verheiratet ist. Der Sohn G der keinen Beruf erlernt hatte, war zuletzt in einem Sägewerk beschäftigt und verdiente 550,-- DM monatlich; in den beschäftigungsfreien Zeiten arbeitete er ohne Bezahlung im elterlichen Betrieb. Seinen Arbeitslohn gab er bis auf monatlich 120,-- DM an die Kläger ab. Er war unverheiratet.
Durch Bescheid vom 27. Mai 1966 gewährte die Beklagte den Klägern Elternrente für die Zeit bis zum 30. April 1967, dem Ende des Monats, in welchem der Verstorbene das 25. Lebensjahr vollendet haben würde. Zur Begründung führte sie aus, es werde unterstellt, dass der Verstorbene in diesem Alter geheiratet hätte und die Kläger dann nicht mehr hätte unterhalten können. Das Sozialgericht (SG) Kassel hat die Beklagte durch Urteil vom 8. Februar 1968 antragsgemäß verurteilt, den Klägern über den 30. April 1967 hinaus Elternrente zu gewähren: Die Heirat des Sohnes hätte keine Änderung der Verhältnisse nach sich gezogen, welche die Beklagte zur Gewährung der Elternrente bewogen habe; der Sohn hätte - zusammen mit seiner Ehefrau in der elterlichen Landwirtschaft weitergearbeitet und daneben lohnbringende Arbeit verrichtet.
Des Landessozialgericht (LSG) hat auf die Berufung der Beklagten durch Urteil vom 23. April 1969 das Urteil des SG teilweise geändert und die Beklagte lediglich für die Zeit bis zum 30. April 1972 längstens bis zum Bezug von landwirtschaftlichem Altersgeld - zur Zahlung der Elternrente verurteilt.
Gegen dieses Urteil, das ihnen am 6. Juni 1969 zugestellt worden ist, haben die Kläger am 2. Juli 1969 Revision eingelegt und zugleich die Bewilligung des Armenrechts beantragt. Am 28. Juli 1969 hat die Beklagte Anschlussrevision eingelegt mit welcher sie erstrebt, dass die Klage in vollem Umfang abgewiesen wird. Die Statthaftigkeit der - vom LSG nicht gemäß § 162 Abs. 1 Nr. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zugelassenen Revision hängt davon ab, ob das Verfahren des LSG an einem von den Klägern gerügten wesentlichen Mangel leidet (§ 162 Abs. 1 Nr. 2 SGG). Das ist nicht der Fall.
Die Revision wendet sich gegen den Rechtsstandpunkt des LSG, das der Anspruch der Kläger nach § 596 der Reichsversicherungsordnung (RVO) nur solange bestehe, als der Sohn ihnen gegenüber "gesetzlich unterhaltspflichtig" gewesen wäre. Sie sind der Auffassung, die Voraussetzungen des § 596 RVO lägen vielmehr auch dann noch vor, wenn - wie das LSG annehme - der Sohn nach der Vollendung seines 30. Lebensjahres die elterliche Landwirtschaft übernommen hätte und er danach aufgrund des Übergabevertrages - also vertraglich - verpflichtet gewesen wäre, für den angemessenen Unterhalt der Kläger aufzukommen, soweit dieser nicht durch Renten oder Leistungen nach dem Gesetz über eine Altershilfe für Landwirte (GAL) gedeckt sein würde.
Diese Rüge ist indessen nicht geeignet, zur Statthaftigkeit der Revision zu führen. Die Darlegungen, mit denen sie begründet wird, betreffen nicht das Verfahren des LSG, sie richten sich vielmehr gegen die - vermeintlich - unrichtige Anwendung einer Vorschrift des materiellen Rechts.
Die Revision rügt ferner, das LSG habe übersehen, dass der Anspruch auf Gewährung des Altenteils wegen der geringen Größe des landwirtschaftlichen Betriebes von nur 4 ha auch neben den Leistungen nach dem GAL nicht für den Unterhalt der Kläger ausgereicht haben würde; das LSG hätte, weil hierzu Spezialkenntnisse über kleinbäuerliche Verhältnisse erforderlich seien, ein Sachverständigengutachten einholen müssen. Daß dem LSG genügend eigene Kenntnisse auf diesem Spezialgebiet fehlten, zeige sich in dem Widerspruch zwischen der Annahme, der Unterhaltsanspruch der Kläger wäre mit der Übergabe des landwirtschaftlichen Betriebes an den Sohn erloschen, und der weiteren Ausführung, die Kläger wären beim Bezug von Leistungen nach dem GAL in der Lage gewesen, ihren Lebensunterhalt mit Hilfe vertraglicher "und gesetzlicher" Unterhaltsleistungen zu bestreiten; mit dieser Begründung bestätige das LSG, daß der Lebensunterhalt der Kläger allein durch das Altersgeld und das Altenteil nicht in vollem Umfang hätte gedeckt werden können.
Auch diese Rüge greift, nicht durch. Aus dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe ist ersichtlich, daß das LSG als "Unterhaltsleistungen", die den Klägern nach der als wahrscheinlich erachteten Hofübergabe an den Sohn zugeflossen wären, dessen "Auszugsleistungen" aufgrund vertraglicher Vereinbarung sowie den - gesetzlichen - - Anspruch auf vorzeitiges Altersgeld aus der landwirtschaftlichen Altershilfe angesehen hat; es hat ausgeführt, die Kläger würden aus diesen Leistungen ihren Lebensunterhalt bestritten haben. Die Auffassung, daß den Klägern außer den Leistungen nach dem GAL noch andere "gesetzliche" Unterhaltsansprüche, insbesondere gegen ihren Sohn, zugestanden hätten, weil ihr Lebensunterhalt nicht voll gedeckt gewesen wäre, ist dem angefochtenen Urteil dagegen nicht zu entnehmen. Der von der Revision behauptete Widerspruch in der Urteilsbegründung liegt somit nicht vor. Das Vorbringen der Revision, entgegen der Auffassung des LSG Wäre der Unterhalt der Kläger nach der Hofübergabe nicht gesichert gewesen, genügt nicht den Erfordernissen einer formgerechten Verfahrensrüge (§ 164 Abs. 2 Satz 2 SGG). Allein der Hinweis auf die Größe des zum landwirtschaftlichen Betrieb gehörenden Eigenlandes - 4 ha - lässt nicht erkennen, daß das LSG sich hätte gedrängt fühlen müssen, weitere Ermittlungen anzustellen (vgl. SozR Nr. 14 zu § 103 SGG), oder daß es bei der Urteilsfindung die gesetzlichen Grenzen seines Rechts auf freie Beweiswürdigung überschritten hat (vgl. SozR Nr. 4 zu § 128 SGG).
Auch dem Revisionsvorbringen, anstelle der Hofüberschreibung, die das LSG als wahrscheinlich angesehen habe, hätte zur Erlangung der Altershilfe nach dem GAL eine langfristige Verpachtung genügt und werde in Fällen der vorliegenden Art auch vorgenommen, ist nicht in einer den Formerfordernissen des § 164 Abs. 2 Satz 2 SGG genügenden Weise zu entnehmen, daß das LSG die ihm gesetzten - weiten - Grenzen freier richterlicher Überzeugungsbildung überschritten, insbesondere gegen allgemeine Erfahrungssätze oder gegen die Denkgesetze verstoßen hat.
Die weiteren Ausführungen der Revision laufen darauf hinaus, das vom LSG gewonnene Ergebnis freier richterlicher Überzeugungsbildung für unzutreffend zu halten. In einem - nach der Auffassung der Kläger - unrichtigen Beweisergebnis des Berufungsgerichts liegt aber noch kein Verfahrensmangel im Sinne des § 162 Abs. 1 Nr. 2 SGG (vgl. BSG 1, 150, 153; 2, 236, 237; BSG SozR Nr. 34 und 56 zu § 128 SGG).
Die Revision hat somit keine Gründe vorgebracht, die geeignet sind, die Statthaftigkeit ihres - nicht zugelassenen - Rechtsmittels zu rechtfertigen.
Dieses war deshalb als unzulässig zu verwerfen (§ 169 SGG). Der Antrag der Kläger, ihnen für das Verfahren vor dem Bundessozialgericht (BSG) das Armenrecht zu bewilligen, mußte abgelehnt werden. Die Bewilligung des Armenrechts setzt ua voraus, daß die mit der Revision beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet(§ 167 SGG iVm § 114 der Zivilprozeßordnung -ZPO-). Dies ist jedoch nicht der Fall, weil nach den vorstehenden Ausführungen die Revision nicht statthaft ist.
Die Beklagte hat sich der Revision mit einem am 28. Juli 1969 eingegangenen Schriftsatz, mithin nach Ablauf der für die Kläger geltenden Revisionsfrist, angeschlossen. Es handelt sich daher um eine unselbständige Anschlußrevision. Diese ist im SGG nicht geregelt. Es bestehen jedoch keine Bedenken, insoweit nach § 202 SGG die Vorschriften der ZPO entsprechend anzuwenden (vgl. BSG 8, 24-, 29). Nach § 556 Abs. 1 ZPO kann sich der Revisionsbeklagte bis zum Ablauf der Begründungsfrist der Revision anschließen. Diese Frist hat die Beklagte gewahrt. In entsprechender Anwendung der §§ 556 Abs. 2 Satz 3 iVm 522 Abs. 1 ZPO hat die Anschließung ihre Wirkung dadurch verloren, daß die Revision der Kläger als unzulässig verworfen worden ist.
Die Kostenentscheidung ergeht in entsprechender Anwendung des 193 SGG.
Fundstellen