Leitsatz (amtlich)
Der Rechtsstreit eines Ehegatten über den Anspruch auf Arbeitslosengeld betrifft eine persönliche Angelegenheit im Sinne des BGB § 1360 a Abs 4. Muß nach dieser Vorschrift der andere Ehegatte die Kosten des sozialgerichtlichen Verfahrens vorschießen, so ist der an diesem Verfahren beteiligte Ehegatte insoweit nicht außerstande, die Prozeßkosten zu bestreiten.
Normenkette
SGG § 167 Fassung: 1953-09-03; ZPO § 114; BGB § 1360a Abs. 4 Fassung: 1957-06-18
Tenor
Der Antrag der Klägerin und Revisionsbeklagten auf Bewilligung des Armenrechts wird abgelehnt.
Gründe
Die Beklagte hat gegen das Urteil des Landessozialgerichts (LSG.) Schleswig vom 26. September 1958 Revision eingelegt. Die Klägerin und Revisionsbeklagte hat am 3. April 1959 beantragt, ihr für das Verfahren vor dem Bundessozialgericht (BSG.) das Armenrecht zu bewilligen und Rechtsanwalt Dr. B. M., K., als Prozeßbevollmächtigten beizuordnen. Sie ist, wie aus dem Armenrechtszeugnis des Fürsorgeamts K... vom 21. Juli 1959 hervorgeht, ohne Einkommen und Vermögen, während ihr Ehemann ein Einkommen von 572,25 DM monatlich bezieht, von dem er monatlich 9,-- DM für Versicherungen und 60,-- DM zum Unterhalt eines nicht zur Familie gehörenden Kindes zahlen muß. Im Haushalt leben außer der Antragstellerin zwei unterhaltsberechtigte Kinder. Das Fürsorgeamt ist der Ansicht, der Ehemann sei in der Lage, bis zu 505,-- DM, unter Umständen in sechs Raten, zu den Prozeßkosten beizusteuern.
Das Armenrecht kann, sofern die übrigen Voraussetzungen erfüllt sind, nur bewilligt werden, wenn der Beteiligte "arm", d.h. außer Stande ist, ohne Beeinträchtigung des für sich und seine Familie notwendigen Unterhalts die Prozeßkosten, zu denen auch die Anwaltskosten gehören, zu bestreiten (§ 167 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -, § 114 der Zivilprozeßordnung - ZPO -). Zwar ist die Antragstellerin ohne eigenes Einkommen und Vermögen und demnach nicht in der Lage, die Kosten des Rechtsstreits selbst zu bestreiten. Dennoch kann ihr das Armenrecht nicht bewilligt werden, weil ihr Ehemann als verpflichtet anzusehen ist, ihr die Kosten des Rechtsstreits über ihren Anspruch auf Arbeitslosengeld (Alg) vorzuschießen. Nach § 1360 a Abs. 4 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) ist ein Ehegatte, soweit es der Billigkeit entspricht, verpflichtet, dem anderen Ehegatten die Kosten eines Rechtsstreits, der eine persönliche Angelegenheit betrifft, vorzuschießen, wenn dieser sie nicht selbst tragen kann. Persönlich sind Angelegenheiten, die überwiegend die persönliche Seite betreffen, mögen sie auch vermögensrechtliche Komponenten umfassen (vgl. Beschluß des BSG. vom 22. 12. 1959, SozR. SGG § 167 Bl. Da 8 Nr. 12 = NJW. 1960 S. 502; Pastor, Ehe und Familie, 1958 S. 298 ff. [299]; Palandt, Kommentar zum BGB, 19. Aufl. § 1360 a Anm. 3 b). Zu diesen Angelegenheiten gehört auch der unmittelbare Unterhalt des Berechtigten (vgl. Brühl. Ehe und Familie, 1958 S. 197 ff. [200]; Palandt a.a.O.). Die Antragstellerin erhebt Anspruch auf Alg (§§ 74 ff. des Gesetzes über Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung (AVAVG) a.F.). Dieser Anspruch ist eine überwiegend persönliche Angelegenheit. Er steht der Antragstellerin persönlich zu. Sie selbst muß die Voraussetzungen des Anspruches erfüllen. Sie muß die Anwartschaft erworben haben, ernstlich bereit sein, bei entsprechendem Leistungsvermögen eine Arbeit unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes aufzunehmen, und sie, darf daran nicht durch andere Umstände gehindert sein (§§ 74, 76 AVAVG). Sie erhält Leistungen für ihre Person und nur, soweit sie den Verpflichtungen nachkommt, an die der laufende Bezug geknüpft ist. Das Alg ist schließlich anstelle des durch die Arbeitslosigkeit wegfallenden Arbeitsentgeltes zum persönlichen Unterhalt des Arbeitslosen während seiner Arbeitslosigkeit bestimmt. Der Rechtsstreit über den Anspruch auf Alg betrifft sonach eine persönliche Angelegenheit.
Es entspricht nach den Umständen auch der Billigkeit, daß der Ehemann der Antragstellerin die Prozeßkosten vorschießt. Die Rechtsverteidigung ist nicht mutwillig und liegt im wohlverstandenen Interesse der Ehefrau. Der Ehemann ist nach Ansicht des Fürsorgeamts Kiel auch imstande, mit dem nach Abzug des Unterhaltsbeitrags und der Versicherungsbeiträge verbleibenden Einkommen von mehr als DM 500,-- ohne Beeinträchtigung des für ihn und seine Familie notwendigen Unterhalts Kosten vorzuschießen, welche die im Verfahren vor dem BSG für Rechtsanwälte vorgesehene Höchstgebühr (§ 116 RAGebO.) sogar überschreiten.
Die Antragstellerin ist, da ihr Ehemann verpflichtet ist, die Kosten des Rechtsstreits vorzuschießen, nicht "arm" im Sinne der §§ 167 SGG, 114 ZPO. Das Armenrecht mußte daher versagt werden.
Fundstellen