Entscheidungsstichwort (Thema)
Nichtzulassungsbeschwerde. Voraussetzungen für das Vorliegen einer Divergenz
Orientierungssatz
Ein Berufungsgericht weicht nur dann iS des § 160 Abs 2 Nr 2 SGG von einer Entscheidung des BSG ab, wenn es einen abstrakten Rechtssatz aufstellt, der einer zum selben Gegenstand gemachten und fortbestehend aktuellen abstrakten Aussage des BSG entgegensteht. Für die Zulassung fehlt es an der erforderlichen Klärungsbedürftigkeit, wenn die gerügte Divergenz eine ältere, inzwischen aufgegebene Rechtsprechung des Revisionsgerichts betrifft (vgl BSG vom 19.3.1986 - 7 BAr 75/85 = SozR 1500 § 160a Nr 58).
Normenkette
SGG § 160a Abs. 2 S. 3, § 160 Abs. 2 Nr. 2
Verfahrensgang
Gründe
Mit Urteil vom 18.9.2009 hat das Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen (LSG) den vom Kläger geltend gemachten Anspruch auf Gewährung von Rente wegen voller Erwerbsminderung mit dem ungeminderten Zugangsfaktor 1,0 verneint. Zur Begründung hat es sich dabei auf die Urteile des 5. Senats des Bundessozialgerichts (BSG) vom 14.8.2008 berufen (B 5 R 32/07 R, B 5 R 88/07 R, B 5 R 140/07 R sowie B 5 R 98/07 R zu Hinterbliebenenrenten) .
Gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil hat der Kläger Beschwerde beim BSG eingelegt. Er rügt eine Abweichung des LSG von der Rechtsprechung des BSG.
Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig. Die Begründung vom 28.12.2009 genügt nicht den gesetzlichen Anforderungen, weil der von ihm allein geltend gemachte Zulassungsgrund der Divergenz iS des § 160 Abs 2 Nr 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) nicht ordnungsgemäß bezeichnet worden ist (§ 160a Abs 2 Satz 3 SGG) .
Zur formgerechten Rüge des Zulassungsgrundes der Divergenz ist in der Beschwerdebegründung nicht nur die Entscheidung genau zu bezeichnen, von der die Entscheidung des LSG abweichen soll; es müssen auch entscheidungstragende abstrakte Rechtssätze im Berufungsurteil und in einer höchstrichterlichen Entscheidung gegenübergestellt werden; darüber hinaus muss näher begründet werden, weshalb diese nicht miteinander vereinbar sind und inwiefern die Entscheidung des LSG auf der Abweichung beruht. Nicht hingegen reicht es aus, auf eine bestimmte höchstrichterliche Entscheidung mit der Behauptung hinzuweisen, das angegriffene Urteil weiche hiervon ab, oder wenn die im Einzelfall fehlerhafte Anwendung eines als solchen nicht in Frage gestellten höchstrichterlichen Rechtssatzes durch das Berufungsgericht geltend gemacht wird (vgl BSG vom 29.3.2007, SozR 4-1500 § 160 Nr 13 RdNr 17; BSG vom 26.6.2006, SozR 4-1500 § 160 Nr 10 RdNr 4; BSG vom 29.11.1989, SozR 1500 § 160a Nr 67 S 89 f; BSG vom 29.9.1975, SozR 1500 § 160a Nr 17 S 21 f).
Der Kläger trägt vor, das LSG weiche von der Rechtsprechung des 4. Senats des BSG vom 16.5.2006 (B 4 RA 22/05 R) ab und stütze sich auf die Entscheidungen des 5. Senats des BSG vom 14.8.2008. Dieser sei bewusst vom Urteil des 4. Senats vom 16.5.2006 abgewichen und habe sich daran nicht gehindert gesehen, weil der 4. Senat nach einer Änderung des Geschäftsverteilungsplans mit Wirkung zum 1.1.2008 für Streitigkeiten aus dem Recht der gesetzlichen Rentenversicherung nicht mehr zuständig sei und der an die Stelle des 4. Senats getretene 13. Senat des BSG auf Anfrage erklärt habe, an dieser Rechtsprechung des 4. Senats nicht mehr festzuhalten. Dennoch bleibe die Entscheidung des 4. Senats vom 16.5.2006 weiterhin existent. Demzufolge lägen unterschiedliche BSG-Entscheidungen zu der selben Rechtsfrage vor.
Mit diesem Vortrag hat der Kläger die Darlegungserfordernisse für eine Divergenz nicht erfüllt. Denn er hat nicht aufgezeigt, dass das LSG von aktueller höchstrichterlicher Rechtsprechung abgewichen ist. Ein Berufungsgericht weicht nur dann iS des § 160 Abs 2 Nr 2 SGG von einer Entscheidung des BSG ab, wenn es einen abstrakten Rechtssatz aufstellt, der einer zum selben Gegenstand gemachten und fortbestehend aktuellen abstrakten Aussage des BSG entgegensteht. Für die Zulassung fehlt es an der erforderlichen Klärungsbedürftigkeit, wenn die (gerügte) Divergenz eine ältere, inzwischen aufgegebene Rechtsprechung des Revisionsgerichts betrifft (vgl BSG vom 19.3.1986, SozR 1500 § 160a Nr 58 S 77) . Eben dies aber ergibt sich aus der Beschwerdebegründung. Der Kläger trägt selbst vor, dass sich das LSG auf neuere Rechtsprechung des BSG, nämlich auf die Entscheidungen des 5. Senats vom 14.8.2008 gestützt habe; der 5. Senat sei in Übereinstimmung mit dem 13. Senat vom Urteil des 4. Senats vom 16.5.2006 abgewichen.
Sofern der Kläger mit seinem Bemerken, dass gegen die Entscheidung des 5. Senats vom 14.8.2008 (B 5 R 140/07 R) inzwischen Verfassungsbeschwerde beim Bundesverfassungsgericht unter dem Az 1 BvR 3588/08 eingelegt worden sei, möglicherweise (sinngemäß) auch eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache iS des § 160 Abs 2 Nr 1 SGG geltend machen möchte, ersetzt solch ein pauschaler Hinweis die auch hier notwendige Darlegung zur Klärungsbedürftigkeit nicht und rechtfertigt keine Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung (vgl hierzu ausführlich BSG vom 25.9.2002, SozR 3-1500 § 160a Nr 34 S 70 ff) .
Der Senat sieht von einer weiteren Begründung gemäß § 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 SGG ab, weil sie nicht geeignet wäre, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung beizutragen.
Die nicht formgerecht begründete Beschwerde ist gemäß § 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm § 169 Satz 2 und 3 SGG durch Beschluss ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter zu verwerfen.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 Abs 1 SGG.
Fundstellen