Verfahrensgang

SG Frankfurt (Oder) (Entscheidung vom 07.08.2020; Aktenzeichen S 6 R 188/16)

LSG Berlin-Brandenburg (Beschluss vom 23.08.2022; Aktenzeichen L 2 R 702/20)

 

Tenor

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Beschluss des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 23. August 2022 wird als unzulässig verworfen.

Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

I

Der 1974 geborene Kläger, ein gelernter Tischler, begehrt ein höheres Übergangsgeld. Er absolvierte vom 29.10.2012 bis zum 31.1.2013 einen rehabilitationsvorbereitenden Lehrgang zu Lasten der Beklagten. Ihm war Übergangsgeld bewilligt worden, das die Beklagte anhand seines Arbeitsentgelts im Bemessungszeitraum auf 88,88 Euro kalendertäglich festgesetzt hatte (Bescheid vom 30.1.2013). Eine im Anschluss an den Vorbereitungslehrgang geplante Umschulung zum Immobilienkaufmann fand mangels Umschulungsplatz nicht statt, der Kläger meldete sich ab Februar 2015 arbeitslos. Die Beklagte gewährte ihm ab dem 1.9.2015 Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben in Form einer Umschulung zum Verwaltungsfachangestellten (Bescheid vom 1.6.2015). Sie bewilligte zudem Übergangsgeld, das sie ausgehend vom tariflichen bzw ortsüblichen Entgelt auf 33,56 Euro kalendertäglich festsetzte (Bescheid vom 19.10.2015; Widerspruchsbescheid vom 21.3.2016). Der Kläger, bei dem in der Folgezeit Arbeitsunfähigkeit bestand, brach die Maßnahme zum 26.10.2016 ab.

Das SG hat die auf Gewährung eines höheren Übergangsgelds (88,88 Euro statt 33,56 Euro kalendertäglich) für den Zeitraum vom 1.9.2015 bis zum 25.7.2016 gerichtete Klage abgewiesen (Urteil vom 7.8.2020). Das LSG hat die dagegen vom Kläger eingelegte Berufung mit Beschluss vom 23.8.2022 zurückgewiesen. Das Übergangsgeld sei zutreffend nach § 48 Satz 1 Nr 3 SGB IX in der bis zum 31.12.2017 gültigen Fassung (im Folgenden: SGB IX aF) berechnet worden. Ein sog Kontinuitätsfall des § 49 SGB IX aF liege nicht vor, weil die Umschulung zum Versicherungskaufmann nicht "im Anschluss" an den früheren Übergangsgeldbezug ausgeführt worden sei. Der zum 31.1.2013 beendete Vorbereitungslehrgang und die mehr als zwei Jahre später am 1.9.2015 beginnende Umschulung seien nicht Teil eines rehabilitativen Gesamtkonzepts gewesen. Vielmehr habe das Rehabilitationsgeschehen geruht, bis mit der Mitteilung des Klägers vom 10.3.2015, er habe einen Umschulungsplatz zum Verwaltungsfachangestellten gefunden, ein neues Rehabilitationsgeschehen in Gang gesetzt worden sei.

Der Kläger hat gegen die Nichtzulassung der Revision in dieser Entscheidung Beschwerde zum BSG eingelegt, die er mit Schriftsatz vom 2.12.2022 begründet hat.

II

Die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers ist unzulässig, weil sie nicht in der nach § 160a Abs 2 Satz 3 SGG gebotenen Form begründet wird. Sie ist daher gemäß § 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm § 169 Satz 2 und 3 SGG zu verwerfen. Der geltend gemachte Verfahrensmangel (Zulassungsgrund nach § 160a Abs 2 Satz 3 SGG) wird nicht anforderungsgerecht bezeichnet.

Zur Bezeichnung eines Verfahrensmangels müssen die den Verfahrensfehler (vermeintlich) begründenden Tatsachen substantiiert dargetan werden. Darüber hinaus ist es erforderlich darzutun, dass und warum die Entscheidung des LSG ausgehend von dessen materieller Rechtsansicht auf dem Mangel beruhen kann, also die Möglichkeit einer Beeinflussung der Entscheidung besteht. Gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2 SGG kann ein Verfahrensmangel nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs 1 Satz 1 SGG und auf eine Verletzung des § 103 SGG nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Den sich daraus ergebenden Anforderungen wird die Beschwerdebegründung nicht gerecht.

Der Kläger rügt als eine Verletzung seines aus Art 2 Abs 1 GG iVm dem Rechtsstaatsprinzip abgeleiteten Prozessgrundrechts auf ein faires Verfahren, dass das LSG den beigezogenen Verwaltungsvorgang der Beklagten nicht hinreichend zur Kenntnis genommen und seine Entscheidung daher auf einen teilweise unrichtigen Sachverhalt gestützt habe. An dem Recht auf ein faires Verfahren sind diejenigen Beschränkungen zu messen, die von den speziellen Gewährleistungen der grundgesetzlichen Verfahrensgrundrechte nicht erfasst werden (vgl zB BVerfG Beschluss vom 15.1.2009 - 2 BvR 2044/07 - BVerfGE 122, 248 RdNr 69 mwN). Es ist (nur) verletzt, wenn sich unter Berücksichtigung aller Umstände und nicht zuletzt der im Rechtsstaatsprinzip selbst angelegten Gegenläufigkeiten ergibt, dass das Fachgericht rechtsstaatlich unverzichtbare (Verfahrens-)Erfordernisse nicht gewahrt hat (vgl zB BVerfG ≪Kammer≫ Beschluss vom 14.11.2018 - 1 BvR 433/16 - juris RdNr 11 mwN). Die Beschwerde zeigt nicht auf, dass dies hier der Fall gewesen sein könnte.

Der Kläger bringt unter ausführlicher Auswertung der Verwaltungsakte der Beklagten vor, es habe nach dem 1.2.2013 sehr wohl rehabilitationsbezogene Vorgänge gegeben (ua Korrespondenz und Vermerke der Beklagten vom 19.4.2013, 6.1.2015 und 22.2.2016 sowie E-Mails des Klägers an die Beklagte vom 15.4.2014 und 10.3.2015). Die gegenteilige Feststellung des LSG sei daher offensichtlich unrichtig. Damit ist nicht aufgezeigt, dass das prozessuale Vorgehen des LSG grundlegende Rechtsschutzstandards unterlaufen haben könnte und zB als widersprüchlich oder willkürlich anzusehen sein könnte. Der Kläger wendet sich vielmehr im Kern gegen die Beurteilung des Sachverhalts durch das LSG. Abgesehen davon, dass sein Vortrag jede Auseinandersetzung mit den Ausführungen im angefochtenen Beschluss vermissen lässt, lässt sich eine Nichtzulassungsbeschwerde von vornherein nicht auf einen - vermeintlichen - Fehler in der Sachverhaltswürdigung stützen (stRspr; vgl zB BSG Beschluss vom 2.2.2022 - B 9 SB 47/21 B - juris RdNr 19 mwN; BSG Beschluss vom 6.3.2018 - B 5 RS 25/17 B - juris RdNr 8). Soweit der Kläger rügen will, das Berufungsgericht sei der tatrichterlichen Pflicht zur Erforschung des Sachverhalts von Amts wegen (§ 103 Satz 1 Halbsatz 1 SGG) nicht ausreichend nachgekommen, behauptet er bereits selbst nicht, einen bis zum Schluss aufrechterhaltenen Beweisantrag gestellt zu haben, dem das LSG nicht gefolgt sei (vgl zu den Anforderungen an die formgerechte Rüge einer Verletzung der Sachaufklärungspflicht zB BSG Beschluss vom 26.10.2022 - B 5 R 135/22 B - juris RdNr 7 f mwN). Die gesetzlichen Beschränkungen des Rechtsmittels der Nichtzulassungsbeschwerde (§ 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2 SGG) können nicht dadurch umgangen werden, dass statt einer mangelnden Sachaufklärung oder fehlerhaften Beweiswürdigung eine Verletzung des Gebots des Grundsatzes des fairen Verfahrens geltend gemacht wird (vgl zB BSG Beschluss vom 10.9.2018 - B 9 SB 40/18 B - juris RdNr 10).

Von einer weiteren Begründung wird abgesehen (§ 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 SGG).

2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs 1 und 4 SGG.

Düring

Körner

Hannes

 

Fundstellen

Dokument-Index HI15615637

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