Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine Zuständigkeit einer Berufsgenossenschaft kraft Satzung. keine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache
Orientierungssatz
1. Einer Annahme, eine Berufsgenossenschaft könne kraft ihrer Satzung "Sammelbecken für Berufsmischungen" geworden sein, fehlt jede gesetzliche Grundlage, weil eine Berufsgenossenschaft durch Satzungsbestimmungen nicht die Zuständigkeit für Unternehmungen an sich ziehen kann, deren Unternehmer bei einer anderen Berufsgenossenschaft als Mitglied eingetragen sind. Die Eintragung eines Unternehmers in das Unternehmerverzeichnis einer Berufsgenossenschaft (§§ 663 ff RVO) begründet vielmehr deren sachliche Zuständigkeit zumindest bis zum Eintritt der Voraussetzungen der §§ 667, 664 Abs 3 RVO. Die insoweit als grundsätzlich angesehene Frage kann auch bei vordergründiger Befassung mit der Rechtsmaterie nicht auftauchen; ihre Beantwortung ergibt sich ohne weiteres aus dem Gesetz.
2. Die Verfassungsbeschwerde gegen den Beschluß wurde nicht zur Entscheidung angenommen (vgl BVerfG 1. Senat 2. Kammer vom 7.5.1987 - 1 BvR 293/87).
Normenkette
SGG § 160 Abs 2 Nr 1; SGG § 160 Abs 2 S 3; RVO §§ 663, 667, 664 Abs 3
Verfahrensgang
LSG Berlin (Entscheidung vom 13.02.1986; Aktenzeichen L 3 U 8/85) |
SG Berlin (Entscheidung vom 12.12.1984; Aktenzeichen S 67 U 185/87) |
Gründe
Der Kläger ist Unternehmer. Als Versicherungs- und Finanzierungsvermittler ist er bei der Beklagten freiwillig gegen Unfall versichert. Bei der beigeladenen Berufsgenossenschaft ist die Firma Sch GmbH Mitglied, deren Stammkapital der Kläger zu mehr als der Hälfte besitzt.
Im sozialgerichtlichen Verfahren hat er gegenüber der Beklagten die Feststellung begehrt, daß er auch als Hauptgesellschafter der GmbH bei ihr mitversichert sei. Dieses Begehren ist erfolglos geblieben (Urteil des Sozialgerichts -SG- vom 12. Dezember 1984 und des Landessozialgerichts -LSG- vom 13. Februar 1986). Das LSG hat ihm DM 500,-- Gerichtshaltungskosten auferlegt.
Im vorliegenden Beschwerdeverfahren wendet der Kläger sich gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des LSG. Zur Begründung macht er geltend: 1. Die Rechtssache habe grundsätzliche Bedeutung (§ 160 Abs 2 Nr 1 des Sozialgerichtsgesetzes -SGG-). Dies ergebe sich einerseits "aus dem Gesichtspunkt, daß für den denkbaren Fall eines Berufsunfalls des Klägers im Rahmen seiner Tätigkeit für die GmbH eine Versorgungslücke des Klägers vorliegt, bzw. er durch höhere Beiträge, nämlich 2-fache Beiträge zu beiden Berufsgenossenschaften und zum Ausschluß der Versorgungslücke, verpflichtet wäre, während die korrespondierenden Satzungsvorschriften der Beklagten und der Beigeladenen an sich eine solche Versorgungslücke oder höhere Beitragsbelastung bei richtiger Auslegung und einem Vergleich beider Satzungen ausschließen", und "daß die Verwaltungs- Berufsgenossenschaft (Beklagte) quasi Sammelbecken für Berufsvermischungen, die in einer natürlichen Person und der von ihr ausgeübten diversen Tätigkeiten in mehreren Unternehmen entstehen kann, kraft Satzung der Beklagten sein soll". Zum anderen sei die Belastung des Klägers mit Gerichtshaltungskosten ungerechtfertigt und ebenfalls dazu geeignet, grundsätzliche Bedeutung zu behaupten. 2. Das angefochtene Urteil beruhe auf einem Mangel des landessozialgerichtlichen Verfahrens. Das LSG habe es unterlassen, die GmbH, deren Geschäftsführerin seine Ehefrau sei, zum Verfahren beizuladen, obwohl diese Firma durch die Auswirkungen der begehrten Feststellung betroffen werden könne.
Die Beschwerde ist unzulässig. Der Kläger legt weder die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache dar noch bezeichnet er einen Verfahrensmangel (§ 160a Abs 2 Satz 3 SGG).
Eine Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung, wenn zu erwarten ist, daß die Revisionsentscheidung die Rechtseinheit in ihrem Bestand erhalten oder die Weiterentwicklung des Rechts fördern wird (Weyreuther, Revisionszulassung und Nichtzulassungsbeschwerde in der Rechtsprechung der obersten Bundesgerichte, 1971, S 36 mwN). Es muß eine klärungsbedürftige Rechtsfrage aufgeworfen sein, welche bisher revisionsgerichtlich noch nicht - ausreichend - geklärt ist (s ua BSG SozR 1500 § 160 Nr 17; Beschluß des Senats vom 18. Februar 1981 - 2 BU 61/81 - und vom 31. März 1981 - 2 BU 159/80 - jeweils mwN), und welche in dem dargelegten Sinne das Interesse der Gesamtheit der Rechtsgemeinschaft berührt. Der Beschwerdeführer, welcher die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache gem § 160a Abs 2 Satz 3 SGG darzulegen hat, muß dieses und ferner auch aufzeigen, ob und inwieweit zu der aufgeworfenen Frage bereits Rechtsgrundsätze herausgearbeitet worden sind und in welchem Rahmen noch eine weitere Ausgestaltung, Erweiterung oder Änderung derselben durch das Revisionsgericht erforderlich erscheint und in dem angestrebten Revisionsverfahren erfolgen wird. Hieran fehlt es beim Beschwerdevorbringen des Klägers.
Der Kläger legt im Hinblick auf die in seinem privaten Bereich befürchtete "Versorgungslücke oder höhere Beitragsbelastung" (Seite 12 der Beschwerdebegründung) nicht dar, daß und auf welche Weise insoweit das Interesse der Gesamtheit der Rechtsgemeinschaft berührt sein könnte. Hinsichtlich der Annahme, die Beklagte könne kraft ihrer Satzung "Sammelbecken für Berufsmischungen" (Seite 10) geworden sein, fehlt es zudem an jeder gesetzlichen Grundlage, weil eine Berufsgenossenschaft durch Satzungsbestimmungen nicht die Zuständigkeit für Unternehmungen an sich ziehen kann, deren Unternehmer bei einer anderen Berufsgenossenschaft als Mitglied eingetragen sind. Die Eintragung eines Unternehmers - hier: der GmbH - in das Unternehmerverzeichnis einer Berufsgenossenschaft (§§ 663 ff der Reichsversicherungsordnung -RVO-) begründet vielmehr deren sachliche Zuständigkeit zumindest bis zum Eintritt der Voraussetzungen der §§ 667, 664 Abs 3 RVO. Die vom Kläger insoweit als grundsätzlich angesehene Frage kann daher auch bei vordergründiger Befassung mit der Rechtsmaterie nicht auftauchen; ihre Beantwortung ergibt sich ohne weiteres aus dem Gesetz (s hierzu BSGE 40, 40; Beschluß des Senats vom 11. Februar 1981 - 2 BU 183/80 -), so daß sie nicht von grundsätzlicher Bedeutung ist. Die Beschwerde legt nichts dafür dar, daß sich dies auch nur theoretisch anders verhalten könnte.
Welche Frage von grundsätzlicher Bedeutung im Zusammenhang mit der Anwendung des § 192 SGG durch das LSG zu beantworten sein könnte, legt die Beschwerde ebenfalls mit keinem Wort dar. Die Annahme, die Auferlegung von Gerichtshaltungskosten sei "ungerecht", kennzeichnet zwar eine vom LSG abweichende Meinung des Klägers. Die vom Kläger angegriffene Rechtsauffassung des LSG ist jedoch für sich genommen im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde nicht überprüfbar, weil dies in § 160 RVO nicht vorgesehen ist.
Der Kläger bezeichnet keinen Verfahrensmangel. Richtig ist allerdings, daß die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit zur Beiladung nach § 75 Abs 2 SGG verpflichtet sind, wenn Dritte an einem "Rechtsverhältnis" in der in dieser Vorschrift beschriebenen Weise "beteiligt" sind. Die Beschwerde legt mit keinem Wort dar, daß oder warum ggfs die Firma Schaber GmbH überhaupt an einem vermeintlichen Rechtsverhältnis des Klägers zur Beklagten, dessen Feststellung erstrebt wird, beteiligt sein könnte; denn dieses Unternehmen war Mitglied der Beigeladenen und kam demgemäß in einem Rechtsstreit, in welchem die durch Eintragung im Unternehmerverzeichnis geschützte Zuständigkeit der Beigeladenen für die GmbH nicht in Zweifel gezogen ist, nicht einmal theoretisch als Beteiligte in Betracht.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Fundstellen