Entscheidungsstichwort (Thema)
Verletzung des rechtlichen Gehörs. Darlegungslast des Kassenarztes. Wirtschaftlichkeitsprüfung
Orientierungssatz
1. Zur Bezeichnung dieses Verfahrensmangels gehört die Darlegung, was bei Gewährung des rechtlichen Gehörs vorgetragen worden wäre.
2. Ein Kassen- und Vertragsarzt, dessen Behandlungsweise von den Prüfungsgremien seiner Kassenärztlichen Vereinigung (KÄV) als unwirtschaftlich beurteilt wird und der dieser Beurteilung entgegentreten will, hat von sich aus alle Umstände vorzutragen, die ihm bekannt und für die Beurteilung von Bedeutung sind, vor allem die Besonderheiten seiner Praxis, soweit diese bei der Wirtschaftlichkeitsprüfung berücksichtigt werden können. Der Arzt hat der ihm obliegenden Darlegungslast schon im Verwaltungsverfahren vor den Prüfungsinstanzen zu entsprechen (vgl BSG vom 8.5.1985 - 6 RKa 24/83 = KVRS A-6100/77).
Normenkette
SGG § 160a Abs 2 S 3; RVO § 368n Abs 5
Verfahrensgang
LSG Nordrhein-Westfalen (Entscheidung vom 01.07.1987; Aktenzeichen L 11 Ka 97/85) |
Gründe
Der Kläger ist seit dem Quartal II/1981 als Chirurg zur kassenärztlichen Versorgung zugelassen und an der Ersatzkassenpraxis beteiligt. Gegenstand des Rechtsstreits sind die vom Prüfungsausschuß ausgesprochenen Kürzungen der Honoraranforderungen des Klägers für die Quartale I und II/1982. Widerspruch, Klage und Berufung sind erfolglos geblieben. Nach den Feststellungen des Landessozialgerichts (LSG) waren die Einwendungen des Klägers nicht geeignet, den statistischen Beweis der unwirtschaftlichen Verordnungsweise zu entkräften.
Das LSG hat die Revision nicht zugelassen.
Die dagegen gerichtete Beschwerde des Klägers stützt sich auf alle drei in § 160 Abs 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) abschließend aufgeführten Zulassungsgründe.
Die Beschwerde ist unbegründet. Das Beschwerdevorbringen des Klägers, auf das sich die Prüfung des Senats zu beschränken hat (§ 160a Abs 2 Sätze 1 und 3 SGG), rechtfertigt es nicht, einen der gesetzlichen Zulassungsgründe als gegeben anzunehmen.
I. Soweit der Kläger eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache geltend macht (Zulassungsgrund Nr 1 des § 160 Abs 2 SGG), wird von ihm keine konkrete Rechtsfrage dargelegt, die im vorliegenden Fall entscheidungserheblich (klärungsfähig), bisher nicht ausreichend geklärt und von allgemeinem Interesse wäre. Die Frage, wann die Verpflichtung des Gerichts, den Sachverhalt von Amts wegen zu erforschen (§ 103 SGG), endet, ist zu allgemein gefaßt. Sie wird auch nicht dadurch genügend konkretisiert, daß die Bedingungen angefügt werden, "wenn der Kläger seiner Mitwirkungspflicht bei der Sachaufklärung nach besten Kräften nachgekommen ist und eine ergänzende Aufklärung des Sachverhalts nach Hinweis des Gerichts angeboten hat". Eine andere Frage ist es, ob das Berufungsverfahren an einem Verfahrensmangel leidet, wenn das LSG auf Angebote des Klägers, zur weiteren Aufklärung des Sachverhalts beizutragen, nicht eingegangen ist. Die vom Kläger ferner gestellte Frage, "inwieweit ein Arzt faktisch auf einem ärztlichen Gebiet tätig ist, an dem ansonsten nur Ärzte mit Zusatzbezeichnungen oder Teilgebietsbezeichnungen tätig sind", ist eine Tatfrage und keine Rechtsfrage. Die Behauptung des Klägers, "ausschlaggebend für eine zulässige statistische Vergleichsbetrachtung darf jedoch nur die faktische Tätigkeit des Arztes sein", läßt sich zwar in eine Rechtsfrage umdeuten. In Anbetracht der zahlreichen Entscheidungen des Senats zu diesem Fragenkomplex, insbesondere dazu, wie eine internistische Praxisausrichtung eines Allgemeinarztes bei der Wirtschaftlichkeitsprüfung zu berücksichtigen ist, hätte dargelegt werden müssen, inwiefern hier eine entscheidungserhebliche Frage noch klärungsbedürftig ist.
II. Die vom Kläger behauptete Divergenz (Zulassungsgrund Nr 2 des § 160 Abs 2 SGG) kann ebenfalls nicht bestätigt werden. Der Kläger legt nur dar, inwiefern aus seiner Sicht sowohl im Verwaltungsverfahren als auch im Gerichtsverfahren gegen die Entscheidung des Senats vom 9. Juni 1982 - 6 RKa 1/81 - verstoßen worden sei. Indessen reicht die Behauptung, im bisherigen Verfahren sei das Recht nicht richtig angewandt worden, für die Begründung einer Divergenzrüge nicht aus. Vielmehr bedarf es der Darlegung, daß das Berufungsgericht eine bestimmte Rechtsfrage anders als das Bundessozialgericht (BSG) entschieden hat. Die Begründung einer Divergenzrüge muß also eine Gegenüberstellung der sich widersprechenden Rechtssätze des Berufungsgerichts und des BSG enthalten. Daran fehlt es hier.
III. Schließlich sind auch die Verfahrensrügen (Zulassungsgrund Nr 3 des § 160 Abs 2 SGG) nicht in begründeter Weise dargelegt worden.
1. Die Besetzung des Gerichts wird vom Kläger lediglich mit der Begründung beanstandet, seine Ablehnung des Richters Dr. B. wegen Besorgnis der Befangenheit sei ungerechtfertigt und rechtsfehlerhaft zurückgewiesen worden. Dabei wird nicht beachtet, daß die Entscheidung des LSG über ein Ablehnungsgesuch endgültig ist (§ 177 SGG) und auch im Revisionsverfahren nicht nachgeprüft werden kann (Meyer-Ladewig, SGG mit Erläuterungen, 1977, § 60 RdNr 14 mit Rspr. Nachw.).
2. Mit der Rüge einer Verletzung des rechtlichen Gehörs, die der Kläger mit verschiedenen Aussagen des Berufungsurteils zu begründen versucht, kann er ebenfalls nicht durchdringen. Zur Bezeichnung dieses Verfahrensmangels gehört die Darlegung, was bei Gewährung des rechtlichen Gehörs vorgetragen worden wäre (Hennig/Danckwerts/König, Komm zum SGG, Erl 7.9.4 zu § 160a mwN). Daran fehlt es hier. Soweit das LSG den Vortrag des Klägers als nicht ausreichend angesehen hat, um die aus dem statistischen Vergleich sich ergebende Vermutung der Unwirtschaftlichkeit zu widerlegen, kann ihm überdies nicht vorgeworfen werden, es hätte dem Kläger durch entsprechende Hinweise Gelegenheit zu weiterem Vortrag geben müssen. Ein Kassen- und Vertragsarzt, dessen Behandlungsweise von den Prüfungsgremien seiner Kassenärztlichen Vereinigung (KÄV) als unwirtschaftlich beurteilt wird und der dieser Beurteilung entgegentreten will, hat von sich aus alle Umstände vorzutragen, die ihm bekannt und für die Beurteilung von Bedeutung sind, vor allem die Besonderheiten seiner Praxis, soweit diese bei der Wirtschaftlichkeitsprüfung berücksichtigt werden können. Der Arzt hat der ihm obliegenden Darlegungslast schon im Verwaltungsverfahren vor den Prüfungsinstanzen zu entsprechen (vgl BSG vom 8. Mai 1985 - 6 RKa 24/83 - KVRS A- 6100/77, worauf auch im Berufungsurteil auf Seite 12 hingewiesen wird).
An einer ausreichenden Bezeichnung des Verfahrensmangels fehlt es auch hinsichtlich der Beanstandung, das LSG habe auf eine eigene Entscheidung Bezug genommen, die erst später ergangen sei. Es ist nicht ersichtlich, inwiefern der Kläger an einem weiteren Sachvortrag gehindert worden ist. Die angeblich späteren Entscheidungen in den Sachen L 11 Ka 68/85 und L 11 Ka 1/86 werden in dem hier angegriffenen Berufungsurteil im Zusammenhang mit der vom Kläger geltend gemachten Besonderheit einer "operativen Tätigkeit" erwähnt. Diese Besonderheit war Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits. Das LSG hat diese Besonderheit mit den Gründen des Urteils des Sozialgerichts Dortmund vom 30. Oktober 1984 - S 22 Ka 70/83 - verneint. Dem Kläger waren die Gründe bekannt, er hatte somit Gelegenheit, sich dazu zu äußern. Das LSG hat seiner Entscheidung in der Sache L 11 Ka 68/85 keine zusätzlichen, dem Kläger unbekannten rechtlichen Gesichtspunkte entnommen. Auf die Urteile in den Sachen L 11 Ka 68/85 und L 11 Ka 1/86 hat das LSG noch mehrfach Bezug genommen. Der Kläger hat aber nicht dargelegt, zu welchen maßgebenden rechtlichen Gesichtspunkten in diesen beiden Entscheidungen er sich nicht hat äußern können und was er dazu vorgebracht hätte.
3. Die Rüge mangelnder Sachaufklärung kann im Beschwerdeverfahren nur insoweit berücksichtigt werden, als sie sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist (§ 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2 SGG). Der Kläger hat keinen von ihm gestellten und vom LSG übergangenen Beweisantrag bezeichnet.
4. Sollte der Kläger, was aufgrund seines weiteren Beschwerdevorbringens in Betracht zu ziehen ist, auch eine Verletzung der Grenzen der freien Beweiswürdigung, eine Verletzung des § 128 Abs 1 Satz 1 SGG rügen wollen, ist auf § 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2 SGG zu verweisen, wonach das Begehren auf Zulassung der Revision nicht auf eine Verletzung des § 128 Abs 1 Satz 1 SGG gestützt werden kann.
Die Kostenentscheidung beruht auf entsprechender Anwendung des § 193 SGG.
Fundstellen