Orientierungssatz
Wird mit der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision geltend gemacht, daß das LSG unter Verletzung des § 150 Nr 2 SGG die Berufung als unzulässig verworfen hat, ist zunächst erforderlich, daß der Beschwerdeführer darlegt, wann und wo ein wesentlicher Mangel des sozialgerichtlichen Verfahrens vor dem LSG gerügt worden ist.
Normenkette
SGG § 150 Nr 2, § 160 Abs 2 Nr 3, § 160a Abs 2 S 3
Verfahrensgang
Bayerisches LSG (Entscheidung vom 14.01.1988; Aktenzeichen L 9 Al 217/86) |
Gründe
Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig. Ihre Begründung entspricht nicht den gesetzlichen Anforderungen.
Das Landessozialgericht (LSG) hat die Berufung des Klägers als unzulässig verworfen, weil sie die Höhe der Leistung betraf und somit nach § 147 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ausgeschlossen war. Der Kläger meint, das LSG habe nach § 150 Nr 2 SGG dennoch in der Sache entscheiden müssen, da das erstinstanzliche Verfahren an wesentlichen Mängeln leide. Wird die Zulassung der Revision allein darauf gestützt, daß das angefochtene Urteil des LSG auf einem Verfahrensfehler beruht (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG), muß gemäß § 160a Abs 2 Satz 3 SGG in der Beschwerdebegründung der Mangel bezeichnet werden. Dazu ist es erforderlich, die Tatsachen anzugeben, die den dem LSG unterlaufenen Verfahrensmangel ausmachen; außerdem muß dargelegt werden, weshalb das Urteil auf dem behaupteten Mangel beruhen kann. Diesen Anforderungen genügt die Beschwerdebegründung nicht.
Allerdings stellt es nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) einen Verfahrensmangel dar, wenn ein LSG die Berufung als unzulässig verwirft, obwohl die Berufung zulässig war (BSG SozR 1500 § 144 Nr 1). Das gilt grundsätzlich auch dann, wenn die Berufung nach den §§ 144 - 149 SGG ausgeschlossen ist und sich ihre Statthaftigkeit nur daraus ergeben hat, daß der Berufungskläger vor dem Berufungsgericht einen wesentlichen Verfahrensmangel des Sozialgerichts (SG) gerügt hatte, der auch tatsächlich vorlag (§ 150 Nr 2 SGG; vgl BSGE 34, 236, 237). Wird mit der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision geltend gemacht, daß das LSG unter Verletzung des § 150 Nr 2 SGG die Berufung als unzulässig verworfen hat, ist jedoch zunächst erforderlich, daß der Beschwerdeführer darlegt, wann und wo ein wesentlicher Mangel des sozialgerichtlichen Verfahrens vor dem LSG gerügt worden ist (BSG SozR 1500 § 160a Nr 55). Schon diesem Erfordernis ist nicht genügt.
Darüber hinaus muß der Beschwerdeführer in Fällen dieser Art auch den oder die Verfahrensmängel des SG in den ihn (sie) begründenden Tatsachen substantiiert dartun. Da nicht schon die Rüge eines Verfahrensmangels die Statthaftigkeit der an sich ausgeschlossenen Berufung begründet, diese vielmehr nur dann gegeben ist, wenn der gerügte Verfahrensmangel auch tatsächlich vorliegt (st Rspr, vgl BSGE 1, 150, 152 f; 1, 254; 2, 84, 87; 29, 10, 19), zeigt erst eine Beschwerdebegründung, die neben der Rüge vor dem Berufungsgericht den oder die sozialgerichtlichen Verfahrensmängel als solche dartut, daß das LSG die Berufung nicht als unzulässig verwerfen durfte. Nur auf diese Weise ist das Revisionsgericht in der Lage, allein anhand der Beschwerdebegründung sich ein Urteil darüber zu bilden, ob die angegriffene Entscheidung auf einem Verfahrensmangel beruhen kann (vgl BSG SozR 1500 § 160a Nr 14). Auch insoweit ist die vorliegende Beschwerdebegründung nicht ausreichend; denn aus den angegebenen Tatsachen ergibt sich keiner der behaupteten Verfahrensverstöße durch das SG.
Soweit ein Verfahrensfehler der ersten Instanz darin gesehen wird, daß das SG entgegen dem ursprünglichen Klagebegehren über den Bescheid der Beklagten vom 4. Februar 1985 (in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 21. Mai 1985) keine Entscheidung getroffen habe, läge ein Verfahrensmangel nur vor, wenn der Kläger das ursprüngliche Klagbegehren in diesem Verfahren bis zur mündlichen Verhandlung vor dem SG aufrechterhalten hätte. Das wird vom Beschwerdeführer aber nicht behauptet, und zwar angesichts des in der mündlichen Verhandlung vor dem SG gestellten Klagantrags zu Recht. Dieser das ursprüngliche Klagbegehren einschränkende Klagantrag erklärt sich unschwer dadurch, daß der frühere Prozeßbevollmächtigte des Klägers das Begehren auf Aufhebung aller seit 1980 ergangenen Bescheide als Gegenstand eines anderen Verfahrens angesehen hat (vgl Schriftsatz vom 5. Juli 1985), wie in der Beschwerdebegründung eingeräumt wird. Hiernach ist das Übergehen eines aufrechterhaltenen Klaganspruchs durch das SG nicht schlüssig dargetan. Es kann daher dahingestellt bleiben, ob angesichts des für das Übergehen eines erhobenen Anspruchs durch ein Gericht vorgesehenen Urteilsergänzungsverfahrens (§ 140 SGG) ein Mangel dieser Art überhaupt geeignet ist, den an sich ausgeschlossenen Weg zur Berufungsinstanz gemäß § 150 Nr 2 SGG zu eröffnen.
Auch kann entgegen der Auffassung des Klägers eine Verletzung des § 103 SGG oder des § 128 SGG nicht allein in dem Umstand gesehen werden, daß das SG zu tatsächlichen Umständen, auf denen seine Entscheidung beruht, keine nähere Aufklärung betrieben hat. Grundsätzlich entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung (§ 128 Abs 1 Satz 1 SGG). Ist das Tatsachengericht aufgrund des ihm vorgetragenen Sachverhalts und der ihm vorliegenden Akten von einer entscheidungserheblichen Tatsache überzeugt, bedarf es insoweit nach § 103 SGG keiner weiteren Aufklärung. Nur dann, wenn es sich von seinem rechtlichen und tatsächlichen Ausgangspunkt aus hätte gedrängt sehen müssen, den Sachverhalt weiter aufzuklären, verletzt das Tatsachengericht § 103 SGG. Weshalb sich dem SG aufgrund der Aktenlage oder des Beteiligtenvortrags eine Prüfung der Höhe der zuletzt erzielten Anwärterbezüge, nach denen die Beklagte dem Kläger die Arbeitslosenhilfe bemessen hatte, aufdrängen mußte, ist in der Beschwerdebegründung nicht aufgezeigt worden. Es bedarf daher keiner Entscheidung, ob in Fällen dieser Art der Zulassung der Revision von vornherein entgegensteht, daß die Nichtzulassungsbeschwerde auf eine Verletzung des § 128 Abs 1 Satz 1 SGG nicht und auf eine Verletzung des § 103 SGG nur dann gestützt werden kann, wenn der Verfahrensmangel sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG nicht gefolgt ist (§ 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 SGG; vgl zum Ausschluß der Rüge, das LSG habe in Verkennung einer Verletzung der in § 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 SGG genannten Verfahrensvorschrift durch das SG eine Berufung als unzulässig verworfen, BSG SozR 1500 § 160a Nr 35).
Soweit schließlich geltend gemacht wird, das SG habe die Bescheide vom 14. Mai und 5. Juni 1984 unzutreffend als Aufhebungs- bzw Gewährungsbescheid bezeichnet, wird die inhaltliche Unrichtigkeit des sozialgerichtlichen Urteils behauptet, nicht aber ein Fehler des SG auf dem Wege zu dem Urteil.
Entspricht die Beschwerdebegründung somit nicht den Anforderungen des § 160a Abs 2 Satz 3 SGG, muß die Beschwerde in entsprechender Anwendung des § 169 SGG als unzulässig verworfen werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf entsprechender Anwendung des § 193 SGG.
Fundstellen