Verfahrensgang
Tenor
Die Beschwerde der Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des
Die Beklagte hat dem Kläger auch die außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens zu erstatten.
Gründe
Die gegen die Nichtzulassung der Revision im angefochtenen Urteil des Sächsischen Landessozialgerichts (LSG) gerichtete Beschwerde, mit welcher die Beklagte die Zulassungsgründe der Divergenz und der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache geltend macht, ist unzulässig. Die dazu gegebene Begründung entspricht nicht der in § 160 Abs 2 und § 160a Abs 2 Satz 3 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) festgelegten Form. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) erfordern diese Vorschriften, daß der Zulassungsgrund schlüssig dargetan wird (BSG SozR 1500 § 160a Nr 34, 47 und 58; vgl hierzu auch Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 2. Aufl, 1997, IX, RdNr 177 und 179 mwN). Diesen Anforderungen an die Begründung hat die Beklagte nicht hinreichend Rechnung getragen.
Unter dem Gesichtspunkt der Divergenzrüge trägt die Beklagte zunächst vor, das LSG habe eine für das Verfahren erhebliche Rechtsfrage in einem der Rechtsprechung des BSG widersprechendem Sinne entschieden. Es habe nämlich im angefochtenen Urteil ausgeführt, der in Bezug genommene Bescheid der Sozialversicherung der DDR habe nur die Berufskrankheit (BK) Nr 91 der Berufskrankheiten-Verordnung (BKVO) der DDR betroffen, nur im Hinblick auf eine Arsenbelastung sei der Fall auch überhaupt medizinisch untersucht worden. Dem Wortlaut des genannten Bescheides sei aber eine solche Einschränkung nicht zu entnehmen. Somit sei das LSG nicht davon ausgegangen, daß der Wortlaut des Bescheides für dessen Auslegung maßgebend sei. Damit sei es aber von den vom BSG gebildeten Grundsätzen für die Auslegung von Verwaltungsakten abgewichen, wonach hierfür nicht der innere, sondern lediglich der nach außen in Erscheinung tretende Wille maßgebend sei, und zwar von folgenden Entscheidungen:
BSG Urteil vom 20. Juni 1962 – 1 RA 66/59 – BSGE 17, 124, 126; Urteil vom 13. März 1975 – 11 RA 229/73 – SozR 2200 § 1409 Nr 2; Urteil vom 26. Januar 1983 – 1 RA 11/82 –; Urteil vom 20. November 1986 – 6 RKa 14/85 –; Urteil vom 28. Juni 1991 – 11 RAr 47/90 – SozR 3-1300 § 50 Nr 10; Urteil vom 8. Dezember 1993 – 10 RKg 19/92 – SozR 3-1300 § 34 Nr 2; Urteil vom 29. Juni 1995 – 11 RAr 87/94 – SGb 1996, 122, 123; Urteil vom 24. Juni 1999 – B 11 AL 75/98 R –.
Mit diesem Vorbringen hat die Beklagte eine Abweichung iS des § 160 Abs 2 Nr 2 SGG nicht hinreichend aufgezeigt. Dies ist nur dann der Fall, wenn vom Beschwerdeführer schlüssig dargelegt wird, mit welchem genau bestimmten entscheidungserheblichen Rechtssatz die angegriffene Entscheidung des LSG von welcher genau bestimmten rechtlichen Aussage des BSG, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes (GmSOGB) oder des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) abweicht (BSG SozR 1500 § 160a Nr 21, 29 und 54). Eine Divergenz liegt nicht schon vor, wenn die angefochtene Entscheidung nicht den Kriterien entsprechen sollte, die das BSG, der GmSOGB oder das BVerfG aufgestellt haben, sondern erst dann, wenn das LSG diesen Kriterien – ausdrücklich – widersprochen, also andere rechtliche Maßstäbe entwickelt hat. Die Unrichtigkeit einer Entscheidung im Einzelfall rechtfertigt nicht die Zulassung der Revision wegen Abweichung (vgl BSG SozR 1500 § 160a Nr 29; BSG Beschluß vom 28. September 1998 – B 4 RA 200/97 B – = HVBG-Info 1999, 3008; BSG Beschlüsse vom 18. Juli 2000 – B 2 U 160/00 B – und 18. September 2000 – B 2 U 244/00 B –).
Diese Voraussetzungen hat die Beklagte nicht iS des § 160a Abs 2 Satz 3 SGG dargetan. Es kann dahinstehen, ob sie den in den genannten Entscheidungen des BSG enthaltenen Rechtssatz zur Auslegung von Verwaltungsakten zutreffend, vor allem vollständig, wiedergegeben hat. Jedenfalls hat sie keinen Rechtssatz bezeichnet, den das LSG zu dieser Frage im angefochtenen Urteil aufgestellt hat. Sie rügt vielmehr lediglich, die angefochtene Entscheidung entspreche nicht den vom BSG aufgestellten Kriterien.
Eine weitere Abweichung von der Rechtsprechung des BSG, und zwar vom Urteil vom 27. Juni 2000 – B 2 U 29/99 R – HVBG-Info 2000, 2811, 2815 sowie vom Urteil vom 2. Mai 2001 – B 2 U 16/00 R –, sieht die Beklagte darin, daß das LSG für die Anerkennung einer Listenerkrankung nach Nr 92 der Anlage zur BKVO der DDR es genügen lasse, daß lediglich konkret-individuell ein Kausalzusammenhang zwischen der Exposition und der Erkrankung wahrscheinlich gemacht werden könne. Der Nachweis der generellen Verursachungswahrscheinlichkeit – insbesondere durch Berücksichtigung epidemiologischer Erkenntnisse – sei nach Auffassung des LSG nicht notwendig. Demgegenüber habe das BSG in der genannten Rechtsprechung darauf abgestellt, daß der schädigende Listenstoff generell geeignet sein müsse, das betreffende Krankheitsbild zum Entstehen zu bringen oder zu verschlimmern.
Auch in diesem Punkte hat die Beklagte die Abweichung nicht hinreichend bezeichnet. Denn sie läßt unberücksichtigt, daß die im vorliegenden Fall streitige BK Nr 92 der Anlage zur 1. Durchführungsbestimmung zur Verordnung über die Verhütung, Meldung und Begutachtung von Berufskrankheiten vom 21. April 1981 – GBl I Nr 12 S 139 – (bösartige Neubildungen oder ihre Vorstufen durch ionisierende Strahlungen) sich in ihrer Begriffsbestimmung wesentlich von den BKen unterscheidet, über die in den genannten Urteilen des BSG entschieden worden ist, nämlich die BKen Nr 1302 und Nr 2108 der Anlage 1 zur (bundesdeutschen) BKVO. Insbesondere setzt die genannte BK Nr 92 – anders als die BK Nr 2402 der Anlage 1 der (bundesdeutschen) BKVO – voraus, daß ionisierende Stoffe bösartige Neubildungen generell auslösen können.
Im Rahmen des Zulassungsgrundes der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG) mißt die Beklagte der Frage grundsätzliche Bedeutung zu,
ob für eine Anerkennung einer BK nach Nr 92 der Anlage zur BKVO (DDR) der Nachweis, daß ionisierende Strahlen generell geeignet sind, jede Art von bösartiger Neubildung zu verursachen, bereits durch die Aufnahme des Tatbestandes in die Anlage zur BKVO (DDR) rechtsverbindlich entschieden ist oder die zur Entscheidung berufene Berufsgenossenschaft bzw. gerichtliche Tatsacheninstanz die Frage der generellen Geeignetheit für die jeweilige Krebserkrankung zu prüfen hat.
Mit diesem Vorbringen hat die Beklagte die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache jedoch nicht schlüssig dargetan. Denn sie hat diesen Zulassungsgrund nicht iS des § 160a Abs 2 Satz 3 SGG bezeichnet. Entsprechend den Voraussetzungen für das Vorliegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache ist nämlich darzulegen, daß die ihr zugrundeliegende grundsätzliche Rechtsfrage über den Einzelfall hinaus allgemeine Bedeutung besitzt, von einer Entscheidung der Rechtssache im Revisionsverfahren somit erwartet werden kann, daß sie in einer bisher nicht geschehenen, jedoch die Interessen der Allgemeinheit berührenden Weise die Rechtseinheit herstellen, wahren oder sichern oder die Fortbildung des Rechts fördern wird (s ua BSG SozR 1500 § 160 Nr 53 sowie § 160a Nr 31, 39 und 65). Im Rahmen dieses Zulassungsgrundes ist die richtige Einzelfallentscheidung nicht maßgebend, sondern nur eine Folge der Klärung der grundsätzlichen Rechtsfrage (Krasney/Udsching aaO, IX, RdNr 60).
Ein über den Einzelfall hinausgehendes, die Allgemeinheit betreffendes Interesse wird in aller Regel für die Auslegung und Tragweite von bereits außer Kraft getretenen Vorschriften oder von Übergangsvorschriften nicht angenommen, es sei denn, daß noch eine erhebliche Zahl von Fällen der Entscheidung harrt und darin die Klärungsbedürftigkeit der Rechtssache liegt (BSG SozR 1500 § 160a Nr 19; BSG Beschlüsse vom 3. Januar 1996 – 2 BU 209/95 – und vom 2. Dezember 1998 – B 2 U 256/98 B – HVBG-Info 1999, 594; Krasney/Udsching aaO RdNr 61). Das gilt insbesondere für das im Beitrittsgebiet noch bis zum 31. Dezember 1991 geltende Unfallversicherungsrecht der DDR, welches nach Maßgabe des § 1150 Abs 2 der Reichsversicherungsordnung (RVO) auf die dort vor dem 1. Januar 1992 eingetretenen Unfälle und Krankheiten noch für die Beurteilung anzuwenden ist, ob diese als Arbeitsunfälle oder Berufskrankheiten iS des Dritten Buches der RVO gelten. Auch in einem solchen Fall ist zur Schlüssigkeit der Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde darzulegen, daß die Rechtsfrage im Hinblick auf zahlreiche noch zu entscheidende Streitfälle einer Klärung bedürfe (BSG Beschluß vom 2. Dezember 1998 aaO).
Eine Klärungsbedürftigkeit in diesem Sinne hat die Beklagte nicht vorgebracht. Sie hat namentlich nicht näher dargetan, daß es noch eine erhebliche Zahl von gleichgelagerten Fällen gibt, die nach der hier maßgeblichen Begriffsbestimmung der BK Nr 92 der genannten DDR-Verordnung zu beurteilen sind. Entsprechende Anhaltspunkte ergeben sich auch nicht aus den vorliegenden Akten und sind auch nicht gerichtsbekannt.
Die Beschwerde der Beklagten war daher als unzulässig zu verwerfen (§ 169 SGG).
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Fundstellen