Verfahrensgang

Thüringer LSG (Urteil vom 11.12.1996; Aktenzeichen L 1 V 212/96)

 

Tenor

Der Antrag des Klägers, ihm für das Verfahren vor dem Bundessozialgericht Prozeßkostenhilfe zu bewilligen, wird abgelehnt.

Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Thüringer Landessozialgerichts vom 11. Dezember 1996 wird als unzulässig verworfen.

Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

Die rechtzeitig durch einen zur Vertretung vor dem Bundessozialgericht (BSG) befugten Bevollmächtigten (§ 166 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz ≪SGG≫) eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig, weil sie nicht den an dieses Rechtsmittel zu stellenden formalen Anforderungen entspricht. Daher ist auch der zugleich mit ihrer Einlegung gestellte Antrag auf Prozeßkostenhilfe mangels Erfolgsaussicht der angestrebten Rechtsverfolgung (§ 73a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 114 Zivilprozeßordnung) abzulehnen. Der Kläger hat der ihn nach § 160a Abs 2 Satz 3 SGG treffenden Darlegungspflicht nicht genügt. Nach der genannten Bestimmung muß die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG) dargelegt oder die Entscheidung, von der das Urteil des Landessozialgerichts (LSG) abweicht (§ 160 Abs 2 Nr 2 SGG), oder der Verfahrensmangel (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG) bezeichnet werden.

Maßgeblich für die Frage, ob diese Voraussetzungen hier erfüllt sind, ist nur die zugleich mit der Einlegung des Rechtsmittels und dem Antrag auf Prozeßkostenhilfe mit Schriftsatz vom 30. Januar 1997 gelieferte Begründung, da die mit Schriftsatz vom 2. April 1997 gegebene weitere Begründung nicht mehr innerhalb der am Montag, den 24. März 1997, abgelaufenen Revisionsbegründungsfrist beim BSG eingegangen ist (vgl Kummer, Die Nichtzulassungsbeschwerde, RdNr 80 mwN). Es ergeben sich hinsichtlich dieses Grundsatzes hier keine Besonderheiten deswegen, weil zugleich mit der Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde Prozeßkostenhilfe beantragt wurde (vgl BSG SozR 1500 § 160a Nr 8 = BSGE 40, 111). Der Ausnahmefall, daß die Prozeßvollmacht nur auf die Einlegung des Rechtsmittels beschränkt war, liegt hier nicht vor; die dem Prozeßbevollmächtigten des Klägers erteilte Prozeßvollmacht vom 5. Februar 1997 ist vielmehr umfassend ausgestaltet und berechtigte den Prozeßbevollmächtigten insbesondere auch dazu, die Nichtzulassungsbeschwerde zu begründen.

Der sonach maßgeblichen Begründung fehlt schon die Bezeichnung des Zulassungsgrundes, den der Kläger geltend machen will. Der Kläger behauptet lediglich die Unrichtigkeit des landessozialgerichtlichen Urteils wegen Verfassungswidrigkeit des § 84a des Bundesversorgungsgesetzes (BVG). Ob die Entscheidung des LSG seiner Ansicht nach eine Grundsatzfrage aufwirft, ob sie von der Entscheidung eines der in § 160 Abs 2 Nr 2 SGG bezeichneten Gerichte abweicht oder ob sie auf einem Verfahrensfehler beruht, wird nicht verdeutlicht (vgl Kummer, aaO, RdNr 98 mwN). Allerdings reicht es aus, wenn ein Zulassungsgrund wenigstens sinngemäß behauptet wird (BSG SozR 1500 § 160a Nr 9). Aber selbst unterstellt, daß der Kläger mit der Geltendmachung der Verfassungswidrigkeit einer Rechtsnorm sinngemäß gleichzeitig die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache geltend gemacht hat, so ist dieser Zulassungsgrund jedenfalls nicht gehörig dargelegt.

Ein Rechtsstreit hat dann grundsätzliche Bedeutung, wenn in ihm eine klärungsbedürftige Rechtsfrage entscheidungserheblich ist, die eine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung besitzt (Kummer, aaO, RdNr 106 mwN). Der Kläger macht weder Ausführungen zur Klärungsbedürftigkeit (zB Anlaß zu Zweifeln, wie der Gesetzeswortlaut auszulegen ist und Fehlen einschlägiger höchstrichterlicher Entscheidungen) noch dazu, ob der Rechtssache eine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukommt (vgl Kummer, aaO, RdNr 127). Diese Erfordernisse sind nicht schon ohne weiteres dann erfüllt, wenn der Beschwerdeführer – wie hier – die Verfassungswidrigkeit einer Rechtsnorm behauptet (vgl BSG SozR 1500 § 160a Nr 17), auf der die Entscheidung des LSG beruht. Zur Darlegung der Klärungsbedürftigkeit der Rechtsfrage bedarf es in diesem Fall vielmehr der näheren Substantiierung der angeblichen Verfassungswidrigkeit. Dabei muß der Kläger, wenn er – wie hier – eine Verletzung des Gleichheitssatzes geltend machen will, unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) darlegen, worin er die für eine Gleichbehandlung wesentlichen Sachverhaltsmerkmale erblickt (Kummer, aaO, RdNr 146; unveröffentlichter Beschluß des 11. Senats des BSG vom 5. Juni 1981 Az 11 BA 59/81). Hier wäre mithin eine Auseinandersetzung mit der umfangreichen Rechtsprechung des BVerfG zur Frage, wann eine Stichtagsregelung gegen den Gleichheitsgrundsatz verstößt, erforderlich gewesen (BVerfGE 29, 299; 36, 192; 43, 286; 44, 21; 46, 307; 58, 127; 75, 106; 79, 219; 80, 311). Der Kläger hätte darlegen müssen, inwiefern die vom Gesetzgeber in § 84a BVG getroffene Stichtagsregelung nach den vom BVerfG entwickelten Grundsätzen als willkürlich oder nicht sachgerecht anzusehen ist. Dabei hätte auch der besondere Umstand, daß auf dem Gebiet der ehemaligen DDR ein dort bisher unbekanntes Leistungssystem eingeführt werden mußte, gewürdigt werden müssen. Der Hinweis des Klägers auf die mit einer Stichtagsregelung zwangsläufig verbundene Verschiedenbehandlung von Personen, welche die Stichtagsvoraussetzungen erfüllen, und denjenigen, bei denen dies nicht der Fall ist, reicht insoweit nicht aus.

Die somit unzulässige Beschwerde ist entsprechend § 169 SGG zu verwerfen, ohne daß die ehrenamtlichen Richter mitwirken müssen (SozR 1500 § 160a Nrn 1 und 5; BVerfGE 48, 246 = SozR 1500 § 160a Nr 30).

Die Kostenentscheidung beruht auf entsprechender Anwendung des § 193 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1174737

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