Verfahrensgang
LSG Niedersachsen-Bremen (Urteil vom 01.03.2017; Aktenzeichen L 2 R 48/17) |
SG Stade (Entscheidung vom 24.01.2017; Aktenzeichen S 31 R 339/16) |
Tenor
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 1. März 2017 wird als unzulässig verworfen.
Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine Kosten zu erstatten.
Gründe
Mit Urteil vom 1.3.2017 hat das LSG Niedersachsen-Bremen einen Anspruch des Klägers, den eine Rente wegen voller Erwerbsminderung bewilligenden Bescheid der Beklagten vom 4.9.2002, bezogen auf den Leistungszeitraum bis 2011, teilaufzuheben und damit mittelbar einen späteren Rentenbeginn festzustellen, verneint.
Gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil hat der Kläger Beschwerde beim BSG eingelegt. Er beruft sich auf Verfahrensfehler und Rechtsprechungsabweichung.
Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig, weil sie nicht formgerecht begründet ist.
Die Revision ist nur zuzulassen, wenn
- die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG),
- die Entscheidung von einer Entscheidung des BSG, des GmSOGB oder des BVerfG abweicht und auf dieser Abweichung beruht (aaO Nr 2) oder
- ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann (aaO Nr 3).
Derartige Gründe werden in der Beschwerdebegründung nach Maßgabe der Erfordernisse des § 160a Abs 2 S 3 SGG nicht dargetan. Die Beschwerde ist daher gemäß § 160a Abs 4 S 1 iVm § 169 SGG zu verwerfen.
Wird eine Nichtzulassungsbeschwerde darauf gestützt, dass ein Verfahrensmangel vorliege, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen könne (§ 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 1 SGG), so müssen bei der Bezeichnung des Verfahrensmangels (§ 160a Abs 2 S 3 SGG) zunächst die den Verfahrensmangel (vermeintlich) begründenden Tatsachen substantiiert dargetan werden. Darüber hinaus ist die Darlegung erforderlich, dass und warum die Entscheidung des LSG ausgehend von dessen materieller Rechtsansicht auf dem Mangel beruhen kann, also die Möglichkeit einer Beeinflussung des Urteils besteht. Gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 SGG kann der geltend gemachte Verfahrensmangel nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs 1 S 1 SGG und auf eine Verletzung des § 103 SGG nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.
Der Kläger macht geltend, das LSG hätte angesichts des "nicht zweifelsfrei formulierten Klagebegehrens auf die Stellung eines genauer gefassten Antrags hinwirken müssen". Insbesondere hätte dem Kläger die Stellung von Beweisanträgen nahe gelegt werden müssen.
Damit hat der Kläger nicht ausreichend dargelegt, dass das LSG Hinweispflichten aus § 106 Abs 1, § 112 Abs 2 S 1 SGG verletzt habe. Er gibt weder an, ob und ggf welchen Antrag der Kläger selbst formuliert hat, noch welches prozessual maßgebliche Begehren iS von § 123 SGG das LSG seiner Entscheidung zugrunde gelegt hat noch welcher konkreten Hinweise es seiner Sicht bedurft hätte, um den Kläger zu einer dessen Interessen entsprechenden Bestimmung des Streitgegenstandes zu bewegen. Auf die Stellung von Beweisanträgen hinzuwirken (vgl BSG SozR 1500 § 160 Nr 13) oder im Rahmen von Beweisanträgen sonstige Formulierungshilfen zu geben, sind die Tatsachengerichte von vornherein nicht verpflichtet, (Berchtold in Berchtold/Richter, Prozesse in Sozialsachen, 2. Aufl 2016, § 8 RdNr 141). Hält das Tatsachengericht eine Beweisaufnahme für notwendig, so hat es keinen entsprechenden Beweisantrag herbeizuführen, sondern den Beweis von Amts wegen auch ohne Antrag zu erheben. Lehnt es die Beweiserhebung dagegen ab, so muss es nicht kompensatorisch auf einen Beweisantrag hinwirken und damit helfen, eine Nichtzulassungsbeschwerde vorzubereiten (stRspr, vgl BSG SozR 1500 § 160 Nr 13; Becker, SGb 2007, 328, 331; Berchtold, aaO, § 8 RdNr 141; Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 7. Aufl 2016, Kap IX RdNr 132). Vertraut der Kläger darauf und unterlässt deshalb - prozessordnungskonforme - Beweisanträge, so kann er später im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde nicht geltend machen, das LSG habe nicht gesetzesgemäß gehandelt (vgl Krasney/Udsching, aaO, Kap IX RdNr 127).
Soweit der Kläger rügt, das LSG hätte "angesichts des keineswegs geklärten Sachverhalts" auch nicht im schriftlichen Verfahren entscheiden dürfen, fehlt es ebenfalls an ausreichenden Darlegungen. Insbesondere hat der Kläger nicht dargetan, dass die Voraussetzungen des § 124 Abs 2 SGG, wonach mit Einverständnis der Beteiligten das Gericht ohne mündliche Verhandlung durch Urteil entscheiden kann, nicht vorgelegen hätten bzw dass das Gericht sein Ermessen fehlerhaft ausgeübt hätte.
Des Weiteren rügt der Kläger sinngemäß eine Verletzung seines Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art 103 Abs 1 GG, § 62 SGG), indem das LSG Sachvortrag unberücksichtigt gelassen habe. Er versäumt es jedoch jeweils darzustellen, ob es auf seinen Vortrag ausgehend von der maßgeblichen Rechtsauffassung des Berufungsgerichts überhaupt angekommen wäre, und dass die Berücksichtigung seines Vorbringens notwendig zu einem ihm günstigeren Verfahrensausgang geführt hätte.
Der Kläger hat auch eine Abweichung (Divergenz) iS von § 160 Abs 2 Nr 2 SGG nicht in der erforderlichen Weise bezeichnet (zu den Anforderungen s zB BSG Beschluss vom 16.7.2004 - B 2 U 41/04 B - SozR 4-1500 § 160a Nr 4 RdNr 6; BSG Beschluss vom 26.6.2006 - B 1 KR 19/06 B - SozR 4-1500 § 160 Nr 10 RdNr 4). Er benennt insbesondere keinen Rechtssatz aus der angefochtenen Entscheidung des LSG, den das Berufungsgericht den von ihm zitierten Urteil des BSG mit generellem Abweichungswillen entgegengestellt haben könnte. Missversteht oder übersieht das Berufungsgericht einen höchstrichterlichen Rechtssatz und wendet deshalb das Recht fehlerhaft an, kann daraus nicht geschlossen werden, es habe einen divergierenden Rechtssatz aufgestellt.
Schließlich sieht der Kläger die Verletzung materiellen Rechts darin, als das LSG das Klagebegehren nach § 44 SGB X und auch nach § 48 SGB X hätte prüfen müssen. Mit der Nichtzulassungsbeschwerde kann die inhaltliche Unrichtigkeit der Berufungsentscheidung jedoch nicht angegriffen werden (BSG SozR 1500 § 160a Nr 7). Soweit der Kläger das Ergebnis der Beweiswürdigung (§ 128 Abs 1 S 1 SGG) des LSG angreift, kann eine Verfahrensrüge nach der ausdrücklichen Regelung des § 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 SGG hierauf nicht gestützt werden.
Von einer weiteren Begründung wird abgesehen, weil sie nicht geeignet wäre, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung beizutragen (vgl § 160a Abs 4 S 2 Halbs 2 SGG).
Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Fundstellen
Dokument-Index HI11351297 |