Leitsatz (amtlich)
Zeigt der Prozeßbevollmächtigte eines Beteiligten dem Gericht erst im Laufe des Rechtsstreits die Erteilung einer Vollmacht an, so brauchen Mitteilungen des Gerichts, die vorher an den Beteiligten abgesandt waren, dem Prozeßbevollmächtigten nicht noch einmal zugesandt zu werden.
Normenkette
SGG § 162 Abs. 1 Nr. 2 Fassung: 1953-09-03, § 73 Abs. 3 S. 1 Fassung: 1953-09-03
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg in Stuttgart vom 4. April 1955 wird als unzulässig verworfen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe
Der Kläger hat das vom Landessozialgericht nicht zugelassene Rechtsmittel der Revision form- und fristgerecht eingelegt und begründet. Er rügt einen wesentlichen Mangel des Verfahrens im Sinne des § 162 Abs. 1 Nr. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) und erblickt ihn darin, daß das Landessozialgericht unter Nichtbeachtung des § 73 Abs. 3 SGG den Prozeßbevollmächtigten des Klägers nicht zur mündlichen Verhandlung geladen und das angefochtene Urteil nicht an ihn zugestellt, sondern beides unmittelbar an den Kläger gerichtet habe. Diese Ausführungen lassen die Revision nicht als zulässig erscheinen.
Der Kläger hat am 16. September 1953 Angehörigen des Verbandes der Kriegsbeschädigten, Kriegshinterbliebenen und Sozialrentner Deutschlands (VdK.), Landesverband W e. V. Vollmacht erteilt, ihn in seiner "Fürsorge-, Versorgungs- und Sozialversicherungsangelegenheit vor den Fürsorge-, Versorgungs- und Sozialversicherungsdienststellen zu vertreten." Ihrem eindeutigen Wortlaut nach ermächtigt sie nur zum Auftreten vor den Verwaltungsdienststellen, nicht aber vor den Gerichten. Sie mag allenfalls für das Verfahren vor dem Oberversicherungsamt und - wegen der aus §§ 215 Abs. 2 und 4 SGG zu entnehmenden Einheitlichkeit der Instanz - nach der Überführung des Verfahrens auch für das Sozialgericht gegolten haben, war aber spätestens mit der Zustellung des Urteils des Sozialgerichts erloschen. Eine Fortwirkung dieser Vollmacht für das Berufungsverfahren ist hiernach nicht anzunehmen.
Im Verfahren vor dem Landessozialgericht hat der Kläger den Angehörigen R., Sch, S und Dr. W des VdK. Landesverband Baden-Württemberg am 14. März 1955 Vollmacht erteilt. Diese haben die Vollmacht am 24. März 1955 dem Landessozialgericht eingereicht, nachdem das Rechtsmittelverfahren bereits seit dem 6. November 1954 anhängig und eine Durchschrift der Berufung dem Kläger am 13. Dezember 1954 zur schriftlichen Äußerung bis zum 10. Januar 1955 zugesandt war. An ihn war außerdem am 21. Februar 1955 das Gutachten der Ärzte des Kreiskrankenhauses R vom 3. Februar 1955 in Durchschrift übersandt worden. Am 21. März 1955 war der Termin zur mündlichen Verhandlung auf den 4. April 1955 anberaumt und am gleichen Tage waren die Ladungen an den Kläger persönlich und den Beklagten abgesandt worden. Erst nach Absendung der Ladungen hat sich der Prozeßbevollmächtigte des Klägers gemeldet.
Hier bestand für das Landessozialgericht kein Anlaß, den Prozeßbevollmächtigten noch einmal besonders zu laden. Bei seinem Eintritt in das Verfahren war die Ladung an seinen Mandanten bereits verfügt und abgegangen. Der Prozeßbevollmächtigte muß von seinem Auftraggeber nicht nur über die Vorgänge unterrichtet werden, welche zur Begründung des Anspruchs dienen, sondern muß sich auch über die Prozeßlage unterrichten lassen bzw. sich selbst durch eine Akteneinsicht vergewissern, wieweit der Rechtsstreit gediehen ist. Hierzu bestand für den Prozeßbevollmächtigten des Klägers um so mehr Anlaß, als der Rechtsstreit schon geraume Zeit in der Berufungsinstanz anhängig war, und vor allem als seit der Übersendung des ärztlichen Gutachtens nahezu vier Wochen verstrichen waren. Der Prozeßbevollmächtigte mußte damit rechnen, daß das Verfahren weitergeführt wurde. Er konnte nicht erwarten, daß er eine nachträgliche Ladung zum Termin erhielt. Denn die Ladung an den Kläger war bereits rechtzeitig hinausgegangen und die Frist des § 110 Satz 1 SGG von zwei Wochen, die in der Regel zwischen der Bekanntgabe des Termins und dem Terminstag liegen soll, hätte nicht mehr eingehalten werden können, wenn der Prozeßbevollmächtigte zum Termin geladen worden wäre, nachdem er seine Vollmacht dem Gericht eingereicht hatte. Die Frist des § 110 SGG macht es deutlich, daß eine nachträgliche Ladung an den Prozeßbevollmächtigten dann nicht gemäß § 73 Abs. 3 SGG erforderlich ist, wenn die Ladung bereits vor dem Eintritt des Prozeßbevollmächtigten ordnungsgemäß an den Beteiligten selbst gerichtet worden ist.
Bei dieser Sachlage kann unerörtert bleiben, daß der Kläger im Termin zur mündlichen Verhandlung erschienen ist und zur Sache verhandelt hat.
Es ist ebenfalls unschädlich, daß das Landessozialgericht das angefochtene Urteil dem Kläger und nicht dem Prozeßbevollmächtigten zugestellt hat; denn auf diesem Mangel des Verfahrens beruht jedenfalls nicht das angefochtene Urteil, zumal der Kläger die Revision nicht etwa verspätet eingelegt hat.
Da sonach der gerügte Mangel des Verfahrens im Sinne des § 162 Abs. 1 Nr. 2 SGG nicht vorliegt (BSG. 1 S. 150), auch die Vorschriften des § 162 Abs. 1 Nr. 1 und 3 SGG für die Begründung einer Zulässigkeit ausscheiden, ist die Revision nicht statthaft. Sie war mithin gemäß § 169 Satz 2 SGG als unzulässig zu verwerfen.
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen