Verfahrensgang

Schleswig-Holsteinisches LSG (Urteil vom 29.05.1996; Aktenzeichen L 9 Ka 7/95)

 

Tenor

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 29. Mai 1996 wird zurückgewiesen.

Der Kläger hat dem Beklagten dessen Kosten des Beschwerdeverfahrens zu erstatten. Im übrigen sind Kosten nicht zu erstatten.

 

Gründe

Die Nichtzulassungsbeschwerde ist teilweise unbegründet, teilweise unzulässig. Insoweit entspricht ihre Begründung nicht der in § 160a Abs 2 Satz 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG) vorgeschriebenen Form.

Die Revision kann nur aus den in § 160 Abs 2 SGG genannten Gründen – grundsätzliche Bedeutung, Abweichung, Verfahrensmangel – zugelassen werden. Der Kläger beruft sich in der Beschwerdebegründungsschrift auf alle drei Gründe. Lediglich Verfahrensfehler hat er in ausreichender Weise bezeichnet.

Soweit der Kläger vorträgt, das Landessozialgericht (LSG) habe gegen „Denkgesetze” verstoßen, weil es eine „falsche Vergleichsgruppe gebildet” habe, hat er bereits nicht dargelegt, welchen der drei Zulassungsgründe er geltend machen will. Sollte damit eine Verletzung des § 128 Abs 1 SGG gerügt werden, kann ein entsprechender Verfahrensmangel gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 SGG hierauf nicht gestützt werden. Insoweit ist die Beschwerde unzulässig.

Das weitere Vorbringen, das LSG habe einen – aus der Sicht des Klägers – entscheidungserheblichen Sachverhalt nicht gewürdigt, deutet darauf hin, daß hiermit ein Verstoß gegen die Verpflichtung zur Gewährung rechtlichen Gehörs (Art 103 Abs 1 Grundgesetz ≪GG≫; § 62 SGG) gerügt werden soll. Das gilt auch für den weiteren Vortrag, das LSG habe die auf Seite 8 der Berufungsbegründung gegebenen Hinweise unberücksichtigt gelassen. Der Senat läßt offen, ob der Kläger damit die den aus seiner Sicht vorliegenden Verfahrensmangel begründenden Tatsachen hinreichend substantiiert dargetan hat (vgl Kummer, Die Nichtzulassungsbeschwerde, RdNr 188); denn der geltend gemachte Verfahrensmangel liegt jedenfalls nicht vor. Insoweit ist die Beschwerde unbegründet. Entgegen der Auffassung des Klägers besteht keine Verpflichtung des Gerichts, sich mit allen Gesichtspunkten seines Berufungsvorbringens im Urteil argumentativ auseinanderzusetzen. Zwar gibt Art 103 Abs 1 GG den Prozeßbeteiligten nicht nur ein umfassendes Recht auf Information und Äußerung. Er verpflichtet das erkennende Gericht auch, den Vortrag der Beteiligten zu berücksichtigen, dh zur Kenntnis zu nehmen und bei seiner Entscheidung in Erwägung zu ziehen (vgl zuletzt Bundesverfassungsgericht ≪BVerfG≫, Beschluß vom 7. Oktober 1996 – 1 BvR 520/95, NJW 1997, 122). Das Gericht ist indessen nicht gehalten, ausdrücklich jedes Vorbringen der Beteiligten zu bescheiden. Ein Verstoß gegen die Berücksichtigungspflicht ist nur dann anzunehmen, wenn im Einzelfall besondere Umstände deutlich machen, daß tatsächliches Vorbringen eines Beteiligten entweder überhaupt nicht zur Kenntnis genommen oder bei der Entscheidung ersichtlich nicht erwogen worden ist. Weder für das eine noch für das andere bietet das Urteil des LSG Anhaltspunkte. Das Gegenteil belegt der Tatbestand des landessozialgerichtlichen Urteils. Auf Seite 7 gibt das Gericht das Berufungsvorbringen wieder. Wörtlich heißt es dort: „Schließlich sei zu berücksichtigen, daß er erhebliche Einsparungen im Bereich der Arbeitsunfähigkeitsschreibungen erreicht habe”.

Offenbleiben kann ebenfalls, ob die Beschwerde nicht schon unzulässig ist, sofern gerügt wird, das LSG habe mehrere „Beweisantritte” übergangen. Da der Kläger schriftsätzlich angekündigte Beweisanträge ausweislich der Sitzungsniederschrift des LSG vom 29. Mai 1996 nicht förmlich gestellt hat, ist bereits fraglich, ob diese Anträge überhaupt als wirksam gestellt anzusehen sind. Selbst wenn man aber darüber hinwegsieht und ebenfalls unberücksichtigt läßt, daß der Kläger an sich weiter nicht dargelegt hat, inwiefern das angefochtene Urteil auf der Übergehung dieser Beweisanträge beruhen kann (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG), ist die Beschwerde jedenfalls unbegründet; denn das LSG war nicht verpflichtet, entsprechenden Beweis durch Sachverständige zu erheben. Die Fragen, ob die Praxis des Klägers mit der Fachgruppe der Orthopäden deswegen nicht vergleichbar ist, weil die durchschnittliche orthopädische Praxis keinen schmerztherapeutischen Schwerpunkt hat, ob seine Fallkosten für physikalisch-medizinische Leistungen deutlich unter den Fallkosten der Orthopäden gelegen hätten und ob der Überweisungsanteil in seiner Praxis deutlich niedriger gewesen sei als in der durchschnittlichen orthopädischen Praxis, unterliegen nicht dem Beweis durch Sachverständige. Die entsprechenden Strukturmerkmale hat vielmehr, sofern es aus seiner Sicht darauf ankommt, das sachverständig besetzte Prüfgremium zu würdigen. Insoweit steht ihm nach der ständigen Rechtsprechung des Senats ein gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbarer Beurteilungsspielraum zu.

Soweit der Kläger unter Ziffer 5) seiner Beschwerdebegründung weitere Angriffe gegen das Urteil des LSG führt, ist die Beschwerde wiederum unzulässig, da sich diese Angriffe keinem der drei Zulassungsgründe zuordnen lassen.

Unter Ziffer 6) der Beschwerdebegründung rügt der Kläger, das LSG habe gegen die Entscheidung des Senats vom 30. November 1994 – 6 RKa 16/93 – „verstoßen”. Eine Divergenz ist damit nicht iS des § 160a Abs 2 Satz 3 SGG hinreichend bezeichnet; die Beschwerde ist ebenfalls unzulässig. Eine Abweichung iS der genannten Vorschrift liegt nur vor, wenn das angefochtene Urteil auf einer bestimmten Rechtsauffassung beruht, und diese zu der einer Entscheidung des Bundessozialgerichts (BSG), des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des BVerfG zugrundeliegenden Rechtsansicht in Widerspruch steht. In der Beschwerdebegründung muß deshalb dargelegt werden, mit welcher konkreten Rechtsaussage das LSG von welchem näher bezeichneten Rechtssatz der höchstrichterlichen Rechtsprechung abgewichen ist und weshalb die rechtliche Aussage des LSG mit der höchstrichterlichen Entscheidung unvereinbar ist (vgl zB BSG SozR 1500 § 160a Nr 29). Diesen Anforderungen genügt die Beschwerdebegründung nicht, denn in ihr werden entsprechende Rechtssätze nicht gegenübergestellt (vgl insoweit auch Beschluß des Senats vom heutigen Tage im Verfahren des Klägers 6 BKa 61/96).

Soweit der Kläger schließlich unter Ziffer 7) als rechtsgrundsätzlich bedeutsam geltend macht, „ob das Prüfgremium die wesentlichen Leistungsmerkmale aufzuzeigen hat, die die Praxis des betroffenen Arztes prägen und die wesentlichen Leistungsmerkmale der Gruppe, mit der die Werte des betroffenen Arztes verglichen werden sollen”, entspricht die Begründung ebenfalls nicht den gesetzlichen Anforderungen. Wer die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (Zulassungsgrund gemäß § 160 Abs 2 Nr 1 SGG) geltend macht, muß zunächst die zu entscheidende Rechtsfrage klar bezeichnen und sodann schlüssig vortragen, daß sich die zu treffende Entscheidung des BSG über den Einzelfall hinaus auswirken wird, daß die umstrittene Rechtsfrage durch die Revisionsentscheidung in dieser Sache geklärt werden kann (Klärungsfähigkeit) und das die aufgeworfene Rechtsfrage der Klärung bedarf (Klärungsbedürftigkeit). Auch diesen Anforderungen wird die Beschwerdebegründung nicht gerecht. Die Beschwerde erweist sich auch insoweit als unzulässig.

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 Abs 1 und 4 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1174266

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