Verfahrensgang
Tenor
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 10. Oktober 2023 wird als unzulässig verworfen.
Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe
I
Der Kläger begehrt in der Hauptsache die Feststellung eines höheren Grads der Behinderung (GdB).
Sein diesbezüglicher Neufeststellungsantrag ist abgelehnt worden; im Klageverfahren hat der Beklagte zunächst einen GdB von 30 und später einen GdB von 40 anerkannt. Die mit dem Ziel der Feststellung der Schwerbehinderteneigenschaft fortgeführte Klage und die Berufung des Klägers sind erfolglos geblieben. Das LSG ist - anders als der von ihm herangezogene Sachverständige - zu dem Ergebnis gelangt, die Beeinträchtigungen des Klägers rechtfertigten keinen höheren GdB als 40(Urteil vom 10.10.2023) .
Gegen die Nichtzulassung der Revision in dieser Entscheidung hat der Kläger Beschwerde zum BSG eingelegt. Er macht die grundsätzliche Bedeutung, eine Divergenz sowie Verfahrensmängel geltend.
II
1. Die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers ist unzulässig. Die Begründung verfehlt die gesetzlichen Anforderungen, weil weder die grundsätzliche Bedeutung oder eine Divergenz noch ein Verfahrensmangel ordnungsgemäß dargetan worden ist(vgl§ 160a Abs 2 Satz 3 SGG ) .
Hierfür fehlt es schon an einer ausreichenden Darstellung des entscheidungserheblichen Sachverhalts. Dazu hätte es weiterer Ausführungen zum Ablauf des Verwaltungs- und Gerichtsverfahrens, den dort erhobenen Beweisen und insbesondere zu den tatsächlichen Feststellungen des LSG bedurft. Es ist nicht Aufgabe des BSG, sich den maßgeblichen Sachverhalt aus den Akten oder der angegriffenen Entscheidung des LSG selbst herauszusuchen(stRspr; zBBSG Beschluss vom 28.9.2021 - B 9 SB 12/21 B - juris RdNr 5 mwN) . Auf der Grundlage der bruchstückhaften Angaben des Klägers lässt sich weder die grundsätzliche Bedeutung beurteilen noch hinsichtlich einer Divergenz oder eines Verfahrensmangels prüfen, ob sie für die angefochtene Entscheidung von tragender Bedeutung sind.
Dass der Kläger die Entscheidung des LSG inhaltlich für unrichtig hält, kann als solches nicht zur Zulassung der Revision führen(stRspr; vgl zBBSG Beschluss vom 6.7.2022 - B 10 EG 2/22 B juris RdNr 10 ;BSG Beschluss vom 25.7.2011 - B 12 KR 114/10 B - SozR 4-1500 § 160 Nr 22 RdNr 4) .
a) Eine Rechtssache hat nur dann grundsätzliche Bedeutung iS des§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG , wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die über den Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Der Beschwerdeführer muss daher anhand des anwendbaren Rechts und unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung angeben, welche Fragen sich stellen, dass diese noch nicht geklärt sind, weshalb eine Klärung dieser Rechtsfragen aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts erforderlich ist und dass das angestrebte Revisionsverfahren eine Klärung erwarten lässt. Ein Beschwerdeführer muss mithin, um seiner Darlegungspflicht zu genügen, eine Rechtsfrage, ihre (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit, ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit (Entscheidungserheblichkeit) sowie die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der von ihm angestrebten Entscheidung (sogenannte Breitenwirkung) darlegen(stRspr; zBBSG Beschluss vom 8.3.2021 - B 9 BL 3/20 B - juris RdNr 14 ;BSG Beschluss vom 2.5.2017 - B 5 R 401/16 B - juris RdNr 6 ) .
Der Kläger misst der Frage grundsätzliche Bedeutung bei, "ob aufgrund einer fehlerhaften und unzureichenden Bewertungsgrundlage hinsichtlich der Auswirkungen der Schilddrüsenresektion nicht auch hier ein gesonderter GdB zusätzlich zu den bereits vorhandenen Einschränkungen im Bereich des Blutdrucks auch ohne ausdrückliche Erwähnung in den VMG zu bewilligen gewesen wäre, und wenn ja, in welcher Höhe."
Der Senat lässt dahinstehen, ob der Kläger damit ungeachtet des vorhandenen Einzelfallbezugs eine hinreichend abstrakte Rechtsfrage zur Auslegung der VMG formuliert hat. Jedenfalls lässt die Beschwerdebegründung weder deren Klärungsbedürftigkeit noch deren Klärungsfähigkeit erkennen.
Die Darlegung höchstrichterlichen Klärungsbedarfs setzt neben der Darstellung der einschlägigen materiell-rechtlichen Regelungen eine Auseinandersetzung mit der hierzu ergangenen Rechtsprechung voraus. Daran fehlt es hier. Der Kläger, der letztlich eine Lückenhaftigkeit der VMG rügt, geht schon nicht auf die Vorschrift in Teil B Nr 1 Buchst b VMG ein, wonach bei Gesundheitsstörungen, die in der Tabelle nicht aufgeführt sind, der GdB in Analogie zu vergleichbaren Gesundheitsstörungen zu beurteilen ist.
Die Klärungsfähigkeit der von ihm als grundsätzlich bedeutend erachteten Frage ist schon - wie oben bereits aufgezeigt - wegen der unzureichenden Darstellung des entscheidungserheblichen Sachverhalts nicht dargelegt. Insbesondere zeigt der Kläger nicht auf, welche Tatsachen vom LSG im angegriffenen Urteil festgestellt worden sind, sondern verweist auf die im Klage- und Berufungsverfahren eingeholten Sachverständigengutachten und unterbreitet neue Beweisangebote. Ohne die Angabe der tatsächlichen Feststellungen des LSG ist der Senat aber nicht in der Lage, wie erforderlich, allein aufgrund der Beschwerdebegründung die Entscheidungserheblichkeit einer Rechtsfrage zu beurteilen, denn nur diese können einer Entscheidung des BSG in der angestrebten Revision zugrunde gelegt werden(vglBSG Beschluss vom 30.8.2022 - B 9 SB 9/22 B - juris RdNr 12 ;BSG Beschluss vom 29.7.2019 - B 13 R 250/18 B - juris RdNr 13 , jeweils mwN) .
b) Divergenz iS von § 160 Abs 2 Nr 2 SGG bedeutet Widerspruch im Rechtssatz, nämlich das Nichtübereinstimmen tragender abstrakter Rechtssätze, die zwei Entscheidungen zugrunde gelegt sind. Zur ordnungsgemäßen Bezeichnung einer Divergenz sind ein oder mehrere entscheidungstragende Rechtssätze aus der Berufungsentscheidung und zu demselben Gegenstand gemachte und fortbestehende aktuelle abstrakte Aussagen aus einer Entscheidung des BSG, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des BVerfG einander gegenüberzustellen(stRspr; zBBSG Beschluss vom 25.10.2018 - B 9 V 27/18 B - juris RdNr 8 mwN) . Zudem ist näher zu begründen, weshalb diese nicht miteinander vereinbar sind und inwiefern die Entscheidung des LSG auf der Abweichung beruht(stRspr; zBBSG Beschluss vom 20.1.2021 - B 5 R 248/20 B - juris RdNr 9 mwN) . Nicht ausreichend ist es hingegen, wenn die fehlerhafte Anwendung eines als solchen nicht infrage gestellten höchstrichterlichen Rechtssatzes durch das Berufungsgericht geltend gemacht wird (bloße Subsumtionsrüge). Denn nicht die Unrichtigkeit einer Entscheidung im Einzelfall, sondern nur eine Nichtübereinstimmung im Grundsätzlichen ermöglicht die Zulassung der Revision wegen Divergenz(stRspr; zBBSG Beschluss vom 6.1.2023 - B 9 V 22/22 B - juris RdNr 6 mwN) .
Der Kläger entnimmt zwar einem nicht näher bezeichneten Beschluss des BSG vom 23.5.2006 den Rechtssatz "Bei widersprechenden Gutachten ist das Gericht gehalten, sich mit dem Gutachten, dem es nicht folgt, auseinanderzusetzen", stellt diesem jedoch keinen davon abweichenden abstrakten Rechtssatz des LSG gegenüber.
c) Der Kläger hat auch keinen Verfahrensmangel iS des § 160 Abs 2 Nr 3 SGG in zulässiger Weise bezeichnet.
Wird eine Nichtzulassungsbeschwerde darauf gestützt, dass ein Verfahrensmangel iS von § 160 Abs 2 Nr 3 SGG vorliege, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen könne, müssen für seine Bezeichnung die den Verfahrensmangel (vermeintlich) begründenden Tatsachen substantiiert dargetan werden. Darüber hinaus ist die Darlegung erforderlich, dass und warum die Entscheidung des LSG ausgehend von dessen materieller Rechtsansicht auf dem Mangel beruhen kann, dass also die Möglichkeit einer Beeinflussung der Entscheidung besteht. Gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2 SGG kann der geltend gemachte Verfahrensmangel allerdings nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs 1 Satz 1 SGG und auf eine Verletzung des § 103 SGG nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.
Entgegen dieser gesetzlichen Anforderungen bezieht sich die Beschwerdebegründung jedoch nicht auf einen Beweisantrag des bereits im Berufungsverfahren anwaltlich vertretenen Klägers, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt wäre. Sie lässt ferner außer Acht, dass die Beweiswürdigung des LSG im Beschwerdeverfahren der Beurteilung des BSG vollständig entzogen ist(stRspr; zBBSG Beschluss vom 22.12.2023 - B 9 SB 26/23 B - juris RdNr 12 mwN) .
Soweit der Kläger mit seinem Vortrag, das LSG sei zu Unrecht nicht der für ihn günstigeren Beurteilung des Gesamt-GdB des im Berufungsverfahren gehörten Sachverständigen gefolgt, eine Verletzung seines Anspruchs auf rechtliches Gehör(Art 103 Abs 1 GG ,§ 62 SGG ) in Gestalt einer Überraschungsentscheidung rügt, hat er einen solchen Verstoß nicht schlüssig und nachvollziehbar dargetan. Von einer Überraschungsentscheidung kann nur dann ausgegangen werden, wenn das angegriffene Urteil auf Gesichtspunkte gestützt wird, die bisher nicht erörtert worden sind, und der Rechtsstreit dadurch eine unerwartete Wendung nimmt, mit der auch ein gewissenhafter Prozessbeteiligter nach dem bisherigen Verfahrensverlauf selbst unter Berücksichtigung der Vielzahl vertretbarer Rechtsauffassungen nicht zu rechnen brauchte(stRspr; vglBSG Beschluss vom 3.3.2022 - B 9 V 37/21 B - juris RdNr 11 mwN) . Dies hat der Kläger aber nicht vorgetragen. Denn es fehlt in seiner Beschwerdebegründung schon an substantiierten Ausführungen zum Inhalt der im Verfahren eingeholten Sachverständigengutachten und sonstigen ärztlichen Berichte sowie zur Erörterung der Sach- und Rechtslage in der mündlichen Verhandlung. Auch der in diesem Zusammenhang erhobene Vorwurf, "die fehlerhafte Auslegung/Anwendung des einfachen Rechts" durch das LSG sei "in einer nicht mehr verständlichen und offensichtlich unhaltbaren Weise erfolgt", ist nicht nachvollziehbar, weil der behauptete Rechtsfehler nicht konkretisiert wird.
Schließlich ist der Beschwerdevortrag auch unsubstantiiert, soweit er einen Begründungsmangel(§ 128 Abs 1 Satz 2 SGG ) betrifft. Der Kläger behauptet selbst nicht, das Urteil des LSG sei entgegen § 136 Abs 1 Nr 6 SGG nicht mit Gründen versehen, was einen absoluten Revisionsgrund darstellen würde( § 202 Satz 1 SGG iVm§ 547 Nr 6 ZPO ) . Ob sich das LSG nur unzureichend mit den Ergebnissen des im Berufungsverfahren herangezogenen Sachverständigen befasst hat, wie der Kläger meint, lässt sich anhand der Beschwerdebegründung nicht beurteilen, weil sie die Argumentation des Berufungsgerichts nicht erkennen lässt.
2. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab(vgl§ 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 SGG ) .
3. Die Verwerfung der danach nicht formgerecht begründeten und somit unzulässigen Beschwerde erfolgt gemäß § 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm § 169 Satz 2 und 3 SGG durch Beschluss ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von§ 193 SGG .
Kaltenstein |
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Othmer |
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B. Schmidt |
Fundstellen
Dokument-Index HI16322819 |