Verfahrensgang
SG Hamburg (Entscheidung vom 21.03.2017; Aktenzeichen S 54 SB 78/15) |
LSG Hamburg (Urteil vom 28.01.2019; Aktenzeichen L 3 SB 12/17) |
Tenor
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Beschluss des Landessozialgerichts Hamburg vom 28. Januar 2019 wird als unzulässig verworfen.
Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Gründe
I
Die Klägerin wendet sich gegen die Herabsetzung ihres Grades der Behinderung (GdB) von 50 auf 30 wegen Heilungsbewährung.
Das LSG hat - wie vor ihm das SG - einen Anspruch der Klägerin auf Aufhebung des von ihr angefochtenen Herabsetzungsbescheids vom 9.7.2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheids der Beklagten vom 6.1.2015 nach Anhörung der Beteiligten im Beschlusswege verneint (Beschluss vom 28.1.2019).
Gegen die Nichtzulassung der Revision in dieser Entscheidung hat die Klägerin Beschwerde zum BSG eingelegt. Das LSG habe einen Verfahrensfehler begangen; es habe nicht entscheiden dürfen, ohne sie erneut anzuhören.
II
1. Die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin ist unzulässig. Die Begründung vom 29.4.2019 verfehlt die gesetzlichen Anforderungen, weil der allein behauptete Verstoß gegen § 153 Abs 4 SGG und damit zugleich eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art 103 Abs 1 GG, § 62 SGG) als Verfahrensmangel (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG) nicht ordnungsgemäß bezeichnet worden sind (§ 160a Abs 2 Satz 3 SGG).
a) Wird eine Nichtzulassungsbeschwerde darauf gestützt, es liege ein Verfahrensmangel vor, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen könne (§ 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 1 SGG), so müssen bei der Bezeichnung des Verfahrensmangels (§ 160a Abs 2 Satz 3 SGG) zunächst die diesen (vermeintlich) begründenden Tatsachen substantiiert dargetan werden. Denn ohne Wiedergabe des Sachverhalts (im Sinne einer Gesamtheit rechtlich maßgeblicher Umstände) kann das BSG nicht beurteilen, ob die Entscheidung des LSG auf dessen vermeintlich verfahrensfehlerhaftem Verhalten beruht. Es ist dagegen nicht Aufgabe des Revisionsgerichts, sich im Rahmen des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens die maßgeblichen Tatsachen aus der angegriffenen Entscheidung des LSG und/oder den Gerichts- und Verwaltungsakten herauszusuchen (stRspr, zB BSG Beschluss vom 27.9.2017 - B 13 R 214/17 B - juris RdNr 3; BSG Beschluss vom 9.4.2015 - B 12 KR 106/14 B - juris RdNr 6). Die Klägerin hätte deshalb den Gang des Verfahrens schildern und die maßgeblichen Tatsachenfeststellungen des Berufungsgerichts wiedergeben müssen. Das hat sie versäumt. Allein auf der Grundlage ihrer bruchstückhaften Beschwerdebegründung kann der Senat nicht beurteilen, ob und warum es für die Entscheidung des LSG ausgehend von dessen materieller Rechtsansicht auf eine wiederholte schriftliche oder eine mündliche Anhörung in einem Verhandlungstermin hätte ankommen können. Die Beschwerde verfehlt schon deshalb die Darlegungsanforderungen.
b) Auch unabhängig davon hat die Klägerin mit ihrer Rüge, das LSG hätte nicht gemäß § 153 Abs 4 Satz 1 und Satz 2 SGG über ihre Berufung ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss entscheiden dürfen, ohne sie ein weiteres Mal anzuhören, den geltend gemachten Verfahrensmangel nicht hinreichend bezeichnet.
Das LSG "kann" die Berufung nach pflichtgemäßem Ermessen durch Beschluss zurückweisen, wenn es sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält (§ 153 Abs 4 Satz 1 SGG). Das BSG kann diese Ermessenentscheidung nur darauf prüfen, ob das Berufungsgericht von seinem Ermessen erkennbar fehlerhaft Gebrauch gemacht hat, etwa ob der Beurteilung sachfremde Erwägungen oder eine grobe Fehleinschätzung zugrunde liegen (Senatsbeschluss vom 24.5.2018 - B 9 V 52/17 B - juris RdNr 5 mwN).
Aus dem Beschwerdevorbringen ergibt sich nicht, dass das LSG mit seiner Entscheidung im vereinfachten Beschlussverfahren nach den vorgenannten Maßstäben ermessensfehlerhaft vorgegangen wäre. Hierzu hätte dargelegt werden müssen, dass das Berufungsgericht, ausgehend von seiner eigenen Rechtsauffassung, die Schwierigkeit des Falles und die Bedeutung von Tatsachenfragen falsch eingeschätzt habe (vgl Senatsbeschluss vom 14.2.2019 - B 9 SB 51/18 B - juris RdNr 27 mwN). Dazu führt die Beschwerde nichts aus.
c) Soweit die Klägerin einen Verfahrensmangel darin sieht, dass das LSG sie vor der Entscheidung nach § 153 Abs 4 Satz 1 SGG nicht ein weiteres Mal angehört hat, reicht dieses Vorbringen zur Bezeichnung eines entsprechenden Verfahrensmangels ebenfalls nicht aus.
Die Klägerin trägt vor, das LSG habe die Beteiligten mit Schreiben vom 7.12.2018 zur Möglichkeit einer Entscheidung durch Beschluss nach § 153 Abs 4 SGG angehört; sie habe sich dazu geäußert. Nutzt ein Beteiligter die Gelegenheit zur Äußerung, ist das Berufungsgericht aber nicht in jedem Fall zu einer weiteren Anhörungsmitteilung nach § 153 Abs 4 Satz 2 SGG verpflichtet. Es braucht insbesondere nicht auf ein Vorbringen zu reagieren, das nicht entscheidungserheblich oder unsubstantiiert ist, neben der Sache liegt oder das lediglich einen früheren Vortrag wiederholt. Eine neue Anhörungsmitteilung mit der Möglichkeit zur Äußerung in einer angemessenen Frist muss nur dann ergehen, wenn sich nach der ersten Anhörungsmitteilung die Prozesssituation maßgeblich ändert, insbesondere durch entscheidungserheblichen neuen Beteiligtenvortrag (vgl stRspr, zB Senatsbeschluss vom 14.2.2019 - B 9 SB 51/18 B - juris RdNr 29 mwN).
Indes teilt die Beschwerde schon nicht mit, was die Klägerin auf die Anhörungsmitteilung des LSG überhaupt vorgetragen hat. Umso weniger ergibt sich aus ihrem Vorbringen, warum sich die Prozesssituation nach der Anhörungsmitteilung des LSG - insbesondere durch Mitteilung neuer entscheidungserheblicher Tatsachen - maßgeblich verändert haben sollte.
Ebenfalls nicht zum Erfolg verhelfen kann der Beschwerde ihr Hinweis auf zwei Urteile des BVerwG (Urteile vom 13.12.1979 - 7 C 76/78 - juris und vom 23.11.1981 - 8 C 25/81 - juris). Zum einen sind diese Entscheidungen nicht zum SGG, sondern zu Art 2 § 5 des Gesetzes zur Entlastung der Gerichte in der Verwaltungs- und Finanzgerichtsbarkeit idF vom 31.3.1978 bzw idF vom 4.7.1985 (vgl jetzt § 130a VwGO) ergangen. Dazu hätte die Beschwerde darlegen müssen, warum sich die Rechtssätze der genannten Urteile ohne Weiteres auf § 153 Abs 4 SGG übertragen lassen, obwohl sie eine andere Prozessordnung betreffen. Diese Frage kann jedoch dahinstehen. Denn unabhängig davon liegt den von der Beschwerde angeführten Urteilen jedenfalls im Tatsächlichen eine ganz andere Konstellation zugrunde. Sie behandeln das Fehlen eines Zustellungsnachweises für die Anhörungsmitteilung und die darauf gestützte Rüge, die Anhörung sei insgesamt unterblieben. Vergleichbares hat die Klägerin in ihrem Fall nicht vorgetragen. Vielmehr räumt sie ausdrücklich ein, einmal angehört worden zu sein, wenn sie auch geltend macht, es hätte einer weiteren Anhörung bedurft.
Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (vgl § 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 SGG).
2. Die Beschwerde ist somit ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter zu verwerfen (§ 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2, § 169 SGG).
3. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus der entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.
Fundstellen
Dokument-Index HI13535279 |