Tenor
Die Fallgruppen, bei denen das Bundessozialgericht bisher die erhebliche Gefahr einer Verschlossenheit des Arbeitsmarktes angenommen hat, sind nicht mit Rücksicht auf ältere arbeitslose ungelernte Versicherte oder ältere arbeitslose angelernte Versicherte des unteren Bereichs zu erweitern, die vollschichtig nur noch körperlich leichte Arbeiten mit, weiteren Einschränkungen verrichten können.
Für die Beurteilung der Erwerbsunfähigkeit ist die konkrete Benennung von Verweisungstätigkeiten auch dann nicht erforderlich, wenn der Versicherte körperlich leichte Tätigkeiten vollschichtig nur mit weiteren Einschränkungen verrichten kann; die konkrete Bezeichnung von Verweisungstätigkeiten ist erforderlich, wenn eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder eine schwere spezifische Leistungsbehinderung vorliegt. Gleiches gilt für die Beurteilung der Berufsunfähigkeit Versicherter der Gruppe mit dem Leitbild des angelernten Arbeiters im unteren Bereich und der Gruppe mit dem Leitbild des ungelernten Arbeiters.
Gründe
I
Der im Jahre 1936 geborene Kläger des Ausgangsverfahrens, gelernter Bierbrauer und Mälzer, arbeitete seit 1969 als Auslieferungs- und Verkaufsfahrer, Kraftfahrer im Werksverkehr, Nachtportier und zuletzt bis Ende 1988 als Kraftfahrer im Schneeräum- und Streudienst. Das letzte Arbeitsverhältnis wurde wegen eines Bandscheibenvorfalls gelöst. Die Rehabilitation führte nicht zu einem leidensgerechten Arbeitsplatz. Von Juli 1989 bis Juli 1992 bezog der Kläger Arbeitslosengeld und Krankengeld und danach Arbeitslosenhilfe. Ab 1. August 1996 hat ihm die Beklagte des Ausgangsverfahrens Altersrente gewährt.
Im August 1989 beantragte der Kläger Rente wegen Minderung der Erwerbsfähigkeit. Diesen Antrag lehnte die Beklagte ab, weil weder Berufsunfähigkeit (BU) noch Erwerbsunfähigkeit (EU) vorliege. Die Klage auf Rente wegen EU, hilfsweise auf Rente wegen BU, hatte beim Sozialgericht keinen Erfolg. Das Landessozialgericht (LSG) hat die – Beklagte jedoch verurteilt, dem Kläger EU-Rente ab 1. August 1992 zu gewähren; die weitergehende Berufung hat es zurückgewiesen.
Zur Begründung seines Urteils hat das LSG ausgeführt: Rein medizinisch gesehen sei der Kläger nicht erwerbsunfähig. Er könne zwar keine schweren bis mittelschweren körperlichen Arbeiten mehr verrichten, aber leichte Tätigkeiten seien ihm noch vollschichtig. zumutbar. Dabei dürfe er keiner gebückten oder gebeugten Zwangshaltung ausgesetzt sein. Des weiteren sollte die Tätigkeit nicht mit Heben oder Tragen von Lasten über 5 kg verbunden sein und weder im ausschließlichen Gehen oder Stehen oder Sitzen ausgeübt werden. Die Tätigkeit sollte in geschlossenen Räumen stattfinden. Nach alledem könne er nicht mehr als Kraftfahrer arbeiten, aber z.B. noch als Bürohilfskraft oder Amtsbote. Dennoch sei der Kläger seit dem 1. August 1992 erwerbsunfähig. Er könne in absehbarer Zeit eine Erwerbstätigkeit nicht mehr ausüben, weil ihm der Arbeitsmarkt praktisch verschlossen sei. Dazu habe das Bundessozialgericht (BSG) mehrere Fallgruppen gebildet. Diese Rechtsprechung sei weiterzuentwickeln. Für einen Versicherten der Arbeiterrentenversicherung sei der Arbeitsmarkt dann verschlossen, wenn er
- seinen bisherigen Beruf bzw. seine letzte dauerhafte Berufstätigkeit infolge Krankheit oder Behinderung nicht mehr habe ausüben können und seinen letzten Arbeitsplatz deswegen verloren habe,
- durch Krankheit oder Behinderung in seiner Erwerbsfähigkeit auch im Übrigen erheblich gemindert, aber noch vollschichtig einsetzbar sei,
- bei Eintritt dieser Erwerbsminderung (Beginn dauernder Arbeitsunfähigkeit für die letzte Tätigkeit) das 50. Lebensjahr vollendet habe,
- der Arbeitsvermittlung spätestens seit Ende des Krankengeldbezuges im Rahmen seiner verbliebenen Erwerbsfähigkeit zur Verfügung gestanden und Arbeitslosengeld bezogen habe und
- trotz intensiver Bemühungen des Arbeitsamtes und des zuständigen Rentenversicherungsträgers in eine behinderungsgerechte Beschäftigung nicht mehr habe vermittelt werden können.
Diese Voraussetzungen lägen beim Kläger vor, allerdings erst ab 1. August 1992. Für die Zeit davor stehe dem Kläger auch keine BU-Rente zu. Ihm sei kein Berufsschutz als Facharbeiter einzuräumen. Daher müsse er sich auf alle Tätigkeiten, des allgemeinen Arbeitsfeldes verweisen lassen, die seinen Kräften und Fähigkeiten entsprächen. Bis März 1992 seien Tätigkeiten als Prüfer, Montierer oder Packer von Kleinteilen in Betracht gekommen, ohne daß es einer konkreten Benennung bedürfe. Für die Zeit danach sei zwar bereits eine erhebliche Einschränkung des Leistungsvermögens anzunehmen, jedoch lasse sich wegen der damals laufenden Vermittlungsbemühungen noch keine Verschlossenheit des Arbeitsmarktes feststellen.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der Beklagten. Sie macht u.a. geltend, die vom LSG vorgenommene, vom Gesetzestext losgelöste Rechtsfortbildung sei nicht vertretbar. Sie führe zu einer weiteren erheblichen Verlagerung des Risikos der Beschäftigungslosigkeit von der Arbeitslosenversicherung zur Rentenversicherung.
Der 13. Senat, bei dem die Revision anhängig geworden ist, hat Sachverständige angehört und mit Beschluß vom 23. November 1994 dem Großen Senat folgende Fragen vorgelegt:
- Ist für die Beurteilung, ob ein Versicherter der Gruppe mit dem Leitbild des angelernten Arbeiters im unteren Bereich oder der Gruppe mit dem Leitbild des ungelernten Arbeiters berufs- oder erwerbsunfähig ist, die konkrete Benennung von Verweisungstätigkeiten erforderlich, wenn er seinen bisherigen Beruf nicht mehr ausüben und auch sonst nur noch körperlich leichte Arbeiten mit weiteren Einschränkungen verrichten kann?
- Sind die Fallgruppen, bei denen das BSG bisher die erhebliche Gefahr einer Verschlossenheit des Arbeitsmarktes angenommen hat, als abschließend anzusehen?
Der vorlegende Senat teilt die Auffassung der Beklagten, daß dem Kläger nicht aus den vom LSG genannten Gründen Rente zusteht, hält indes im Gegensatz zu der Beklagten einen Anspruch auf Rente nach den durch das Gesetz zur Reform der gesetzlichen Rentenversicherung (RRG 1992) vom 18. Dezember 1989 (BGBl. 12261) eingeführten §§ 43, 44 des Sechsten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB VI) nicht für ausgeschlossen:
Bisheriger Beruf des Klägers, den er nicht mehr ausüben könne, sei der des Kraftfahrers. Im Rahmen der vorrangig zu prüfenden EU sei der Kläger grundsätzlich auf alle geeigneten Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes zu verweisen. Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG brauche keine Verweisungstätigkeit genannt, zu werden, wenn ein auf den allgemeinen Arbeitsmarkt verweisbarer Versicherter zwar nicht mehr schwere, aber mittelschwere oder leichtere Arbeiten vollschichtig verrichten könne. Diese Regel erfahre dann eine Ausnahme, wenn der Versicherte selbst leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes nur noch mit vielfältigen und/oder erheblichen Einschränkungen auszuüben vermöge (vgl. BSG SozR 2200 § 1246 Nrn 81, 90). Allerdings zwinge. nach der bisherigen Rechtsprechung (nur) eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder eine schwere spezifische Leistungsbehinderung zu konkreter Benennung (vgl. BSG SozR 2200 § 1246 Nrn 117, 136), woran es hier fehle. Insoweit komme es für die Entscheidung auf die Beantwortung der ersten Vorlagefrage an, nämlich ob nicht auch dann die konkrete Benennung von Verweisungstätigkeiten erforderlich sei, wenn nur noch körperlich leichte Arbeiten mit weiteren Einschränkungen verrichtet werden könnten.
Werde die erste Vorlagefrage vom Großen Senat bejaht, sei die Sache an das LSG zurückzuverweisen, damit eine Benennung nachgeholt werde; mit den vom LSG erwähnten Tätigkeiten der Bürohilfskraft und des Amtsboten sei den Konkretisierungserfordernissen nicht genügt. Die Zurückverweisung will der 13. Senat mit Hinweisen zur Bearbeitung des Problembereiches des verschlossenen Arbeitsmarktes verknüpfen: In diesem Zusammenhang sei die zweite Vorlagefrage von Bedeutung. Das LSG müsse wissen, ob die bislang erarbeiteten Fallgruppen (vgl. BSG SozR 2200 § 1246 Nrn 137, 139) als abschließend anzusehen seien (so BSG SozR 3-2200 1246 Nr. 41) oder nicht. Werde die erste Vorlagefrage vom Großen Senat verneint, müsse der vorlegende Senat selbst prüfen, ob der Arbeitsmarkt dem Kläger verschlossen sei: Da ein von der Rechtsprechung bisher anerkannter Katalogfall nicht gegeben sei, sei dann die zweite Vorlagefrage unmittelbar für den vorlegenden Senat erheblich.
Der vorlegende Senat stützt die Vorlage auf § 41 Abs. 4 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG); dazu wird ausgeführt. daß die Vorlagefragen von grundsätzlicher Bedeutung seien und eine Entscheidung des Großen Senats sowohl zur Fortbildung des Rechts als auch zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich sei.
Die Beteiligten haben sich weder zu der Vorlage noch zu der ihnen im Oktober 1996 mitgeteilten Absicht, ohne mündliche Verhandlung über die Vorlage zu entscheiden, geäußert.
II
Der Große Senat entscheidet in der durch § 41 Abs. 5 Sätze 1 und 3 SGG vorgesehenen regelmäßigen Besetzung; ein Fall, in dem dem Großen Senat zwei weitere, ehrenamtliche Richter aus dem Kreis der Krankenkassen und aus dem Kreis der Kassenärzte (Kassenzahnärzte) angehören (§ 41 Abs. 5 Satz 2 SGG), ist nicht gegeben.
Vorab hat der Große Senat beschlossen, ohne mündliche Verhandlung zu entscheiden. Während das frühere Recht vorgeschrieben hatte, daß der Große Senat über die Rechtsfrage in mündlicher Verhandlung entscheidet, und zweifelhaft war, ob mit Zustimmung der Beteiligten entsprechend § 124 Abs. 2 SGG von einer mündlichen Verhandlung abgesehen werden durfte (vgl. Meyer-Ladewig, SGG 3. Auflage 1987, § 44 RdNr 2), kann nach § 41 Abs. 7 Satz 2 SGG (in der seit dem 1. Januar 1992 geltenden Fassung des Rechtspflege-Vereinfachungsgesetzes vom 17. Dezember 1990, BGBl. I 2847) der Große Senat ohne mündliche Verhandlung entscheiden. Damit ist klargestellt, daß das Verfahren vor dem Großen Senat sowohl mündlich als auch schriftlich durchgeführt werden kann (vgl. auch § 124 Abs. 3 SGG). Daß die Beteiligten ein Einverständnis zur Entscheidung ohne mündliche Verhandlung nicht erklärt haben, steht einer solchen Entscheidung nicht entgegen. Anders als § 124 Abs. 2 SGG für Urteile macht § 41 Abs. 7 Satz 2 SGG Beschlüsse des Großen Senats ohne mündliche Verhandlung nicht von dem Einverständnis der Beteiligten abhängig (Peters/Sautter/Wolff, SGG, Stand Dezember 1995, § 41 RdNr 95). Ob eine mündliche Verhandlung über die Vorlagefrage stattfindet, steht damit – wie sonst bei Entscheidungen, die nicht Urteile sind (§ 124 Abs. 3 SGG) – allein im Ermessen des Großen Senats, zumal der Große Senat mangels konkreter Verfahrensvorschriften sein Verfahren nach den Grundsätzen der Prozeßökonomie und den dem Vorlageverfahren zugrunde liegenden gesetzgeberischen Zwecken bestimmt (BSGE 54, 223, 226 = SozR 1300 § 44 Nr. 3). Die Beteiligten sind von der Absicht, ohne mündliche Verhandlung zu entscheiden, unterrichtet worden. Sie hatten damit die Möglichkeit, zu den durch die Vorlage aufgeworfenen Rechtsfragen und zu dieser Absicht Stellung zu nehmen. Ihr Schweigen kann dahin gedeutet werden, daß auch sie eine mündliche Verhandlung für entbehrlich ansehen.
III
A. Die Vorlage ist, soweit sie den vom Kläger mit dem Hauptantrag geltend gemachten Anspruch auf Rente wegen EU betrifft, über den der vorlegende Senat zunächst zu entscheiden hat, im wesentlichen zulässig.
1. Ausgehend von der Rechtsauffassung des vorlegenden Senats, nach der ein Rentenanspruch des Klägers nicht schon aus den vom LSG genannten Gründen gegeben ist und. eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder eine schwere spezifische Leistungsbehinderung nicht vorliegt, hängt die Entscheidung über die Revision der Beklagten nach Maßgabe der bisherigen Rechtsprechung im Prinzip von der Beantwortung der gestellten Fragen ab. Allerdings stellt sich die erste Frage nur in Bezug auf Versicherte, die wie der Kläger des Ausgangsverfahrens noch zu vollschichtiger Arbeit in der Lage sind. Auch genügt es, wenn der Große Senat bezüglich der zweiten Frage, die, wie noch auszuführen ist, sich schon bei Beantwortung der ersten Frage stellt, Iediglich entscheidet, ob die Fallgruppen, bei denen das BSG bisher die erhebliche Gefahr der Verschlossenheit des Arbeitsmarktes angenommen hat, mit Rücksicht auf ältere arbeitslose ungelernte oder ältere arbeitslose geringgradig angelernte Versicherte zu erweitern sind, die vollschichtig nur noch körperlich leichte Arbeiten mit weiteren Einschränkungen verrichten können. Mit einer Anwort auf diese Frage kann der vorlegende Senat über die Revision entscheiden; die abstrakte Frage, ob der Katalog im übrigen abschließend ist, geht über den zu entscheidenden Fall hinaus und ist daher nicht erheblich.
Die Erheblichkeit der so verstandenen Vorlagefragen ist nicht anders zu beurteilen, weil § 44 SGB VI, die Anspruchsgrundlage für die Rente wegen EU, nach dem Vorlagebeschluß durch das Zweite Gesetz zur Änderung des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch (2. SGB VI-ÄndG) vom 2. Mai 1996 (BGBl. I 1659) dahin ergänzt worden ist, daß erwerbsunfähig nicht ist, wer eine Tätigkeit vollschichtig ausüben kann, wobei die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen ist. Denn unabhängig von dem zeitlichen Anwendungsbereich hat die Neufassung des § 44 SGB VI nichts daran geändert, daß es für den Anspruch auf Erwerbsunfähigkeitsrente darauf ankommt ob die Rente nur verneint werden kann, wenn dem Kläger eine Verweisungstätigkeit konkret benannt worden ist und dabei, ob der Verschlossenheitskatalog zu erweitern ist,
2. Diese Fragen haben auch die grundsätzliche Bedeutung, die erst die Anrufung des Großen Senats rechtfertigt.
a) Wann eine Verweisungstätigkeit zu benennen ist und wann nicht, ergibt sich nicht aus dem Wortlaut des Gesetzes. Das Gesetz hat zwar in § 44 SGB VI den Begriff der Erwerbsunfähigkeit definiert. Es regelt indessen nicht, wie Versicherungsträger oder Gerichte feststellen sollen, ob ein Versicherter wegen Krankheit, oder Behinderung außerstande ist, eine Erwerbstätigkeit in gewisser Regelmäßigkeit auszuüben oder Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen zu erzielen, das ein Siebtel der monatlichen Bezugsgröße übersteigt. Aus dem Wortlaut des Gesetzes ergibt sich auch nicht, wann für einen Versicherten der Arbeitsmarkt verschlossen ist; der Begriff der „Verschlossenheit des Arbeitsmarktes” wird im Gesetz nicht verwendet. Zwar hat die Rechtsprechung entwickelt, wann die Versicherungsträger bzw. die Tatsachengerichte Verweisungstätigkeiten konkret benennen müssen und wann die Gefahr der Verschlossenheit des Arbeitsmarktes besteht. Auf diese Rechtsprechung kann, auch soweit sie zum Recht vor dem SGB VI ergangen ist, zurückgegriffen werden, weil das RRG 1992 den Begriff der EU des bisherigen Rechts nahezu wörtlich übernommen hat. Trotz dieser Rechtsprechung ist die. grundsätzliche Bedeutung nicht zu verneinen. Denn eine Rechtsfrage gewinnt jedenfalls dann wieder grundsätzliche Bedeutung, wenn gegen die bisherigen Antworten gewichtige Bedenken geltend gemacht werden (vgl. BSG SozR Nr. 194 zu § 162 SGG). Insoweit genügen die Bedenken, die der vorlegende Senat aus rechtlichen und tatsächlichen Gründen vorträgt.
Hinzu kommt, daß die mit der Vorlage angestrebte Rechtsfortbildung von weittragender Bedeutung ist. Dies zeigen die Gründe, die zum Erlaß des 2. SGB Vl-ÄndG geführt haben. Nachdem der Vorlagebeschluß und drei weitere Vorlagen vom 23. November 1994 im Frühjahr 1995 schriftlich begründet waren, hat die Bundesregierung im August 1995 den Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze vorgelegt und u.a. Neufassungen der §§ 43, 44 SGB VI vorgeschlagen (BR-Drucks 496/95). Zur Begründung hat die Bundesregierung ausgeführt (BR-Drucks S. 39ff. = BT-Drucks 13/2590 S. 18f.):
„Unabhängig von der grundsätzlichen Neuordnung des Rechts der Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit, die noch umfangreiche Vorarbeiten und längere Vorbereitungszeit erfordert, sind bereits zum jetzigen Zeitpunkt einige Änderungen im Recht der Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit vorzunehmen, die nicht länger zurückgestellt werden können. Deshalb sind in diesem Gesetz folgende Änderungen vorgesehen:
1. Verhinderung einer Ausweitung der konkreten Betrachtungsweise auf leistungsgeminderte, aber noch vollschichtig einsatzfähige Versicherte
Nach der Ausgestaltung, die das Recht der Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit durch die bisherige Rechtsprechung des BSG erfahren hat, haben leistungsgeminderte, aber noch vollschichtig einsatzfähige Versicherte keinen Anspruch auf Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit, da für sie der konkrete Arbeitsmarkt keine Berücksichtigung findet (sog abstrakte Betrachtungsweise).
Angesichts des Problems der Langzeitarbeitslosigkeit älterer Versicherter gibt es in der sozialgerichtlichen Rechtsprechung sowie in der Fachliteratur allerdings eine gewisse Tendenz, älteren Versicherten, die längere Zeit arbeitslos sind und wenig Chancen auf einen neuen Arbeitsplatz haben, trotz ihres noch vollschichtigen Leistungsvermögens einen Rentenanspruch zuzuerkennen.
Das BSG hat sich nunmehr in einigen Musterverfahren mit der Frage beschäftigt, ob auch für leistungsgeminderte, aber noch vollschichtig einsatzfähige ungelernte Versicherte und angelernte Versicherte des unteren Bereichs eine konkrete Benennung von Verweisungstätigkeiten erforderlich ist. Wegen der grundsätzlichen Bedeutung ist diese Rechtsfrage dem Großen Senat des BSG zur Entscheidung vorgelegt worden.
Sollte sich der Große Senat für eine Änderung der geltenden Rechtsprechung entscheiden und die konkrete Benennung von Verweisungstätigkeiten auch für diese vollschichtig einsatzfähigen Versicherten vorschreiben, würde dies im Ergebnis in vielen Fällen zu einem entsprechenden Anspruch auf Rente wegen Berufsunfähigkeit oder Erwerbsunfähigkeit führen, der nach bisheriger Rechtslage nicht besteht.
Eine derartige Entscheidung hätte weitreichende Konsequenzen. Unter dem Druck der Arbeitsmarktlage würden vor allem ältere erwerbsgeminderte Arbeitnehmer verstärkt in die Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit ausweichen, wodurch ein Unterlaufen der vom Gesetzgeber mit der Rentenreform 1992 vorgesehenen Verlängerung der Lebensarbeitszeit zu befürchten wäre. Gleichzeitig würde dies bei weiterem Sinken des Rentenzugangsalters ganz erhebliche Mehrkosten für die Rentenversicherung zur Folge haben.
Bis zur Verwirklichung der grundsätzlichen Neuordnung des Rechts der Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit gilt es, den bestehenden Status quo aufrechtzuerhalten. Deshalb wird durch eine Gesetzesänderung in den §§ 43, 44 SGB VI klargestellt, daß leistungsgeminderte aber noch vollschichtig einsatzfähige Versicherte nicht erwerbsunfähig oder – wenn sie noch in einer zumutbaren Beschäftigung tätig sein können – nicht berufsunfähig sind, da die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen ist. Die Gesetzesänderung bedeutet somit eine Festschreibung der abstrakten Betrachtungsweise für vollschichtig einsatzfähige Versicherte.
Mit einer solchen Regelung, die die Wahrung des Status quo sicherstellt, kann verhindert werden, daß noch vor einer umfassenden Neuregelung durch die Rechtsprechung Fakten geschaffen werden, die eine Verlagerung des Arbeitsmarktrisikos auf die Rentenversicherung zur Folge hätten.”
Diese Vorschläge sind zwar zunächst gescheitert. Die Regierungsfraktionen haben während der Ausschußberatungen auf die Änderungen der §§ 43ff. SGB VI verzichtet, um das Gesetz im übrigen nicht zu gefährden. Gleichzeitig ist aber angekündigt worden, daß die Vorschläge mit der gleichen Zielsetzung wiederholt werden, was dann im Februar 1996 mit dem von den Fraktionen der CDU/CSU und der FDP vorgelegten Entwurf eines 2. SGB VI-ÄndG (BT-Drucks 13/3697) geschehen ist, der Gesetz geworden ist. Das Ziel war das gleiche, Verhinderung einer Ausweitung der konkreten Betrachtungsweise bei den Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit auf zwar leistungsgeminderte, aber noch vollschichtig einsatzfähige Versicherte durch Festschreibung des Status quo, d.h. der auf der Rechtsprechung des BSG beruhenden Verwaltungspraxis, und zwar bis zu der von der Bundesregierung beabsichtigten Neuregelung der Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit. Dieses Ziel wird auch durch die anläßlich der Verabschiedung des Gesetzes gefaßte Entschließung des Bundesrates vom 22. März 1996 (BR-Drucks 138/96) unterstrichen, in der der Bundesrat die getroffene Neuregelung „nur als vorläufigen Zwischenschritt” betrachtet, die Bundesregierung bittet, schnellstmöglich eine – bereits im Zusammenhang mit dem RRG 1992 angemahnte Gesamtreform der Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit in die Wege zu leiten, und die Bereitschaft der Bundesregierung begrüßt, bei dieser Gesamtreform die mit dem 2. SGB VI-ÄndG geregelte Teilproblematik erneut zu überprüfen.
b) Mit dem 2. SGB VI-ÄndG ist die grundsätzliche Bedeutung nicht entfallen. Auch nach der Neufassung der §§ 43ff. SGB VI beruht das Erfordernis, eine Verweisungstätigkeit zu benennen, allein auf Rechtsprechung; nach wie vor wird der Begriff der „Verschlossenheit des Arbeitsmarktes” im Gesetz nicht verwendet. Wenn nach den Gesetzesmaterialien auch nicht zweifelhaft ist, daß nach den Vorstellungen des Gesetzgebers die Fallgruppen, wann der Arbeitsmarkt für den Versicherten „verschlossen” ist, nicht erweitert werden sollen und an dem Grundsatz, demzufolge bei Versicherten, die auf eine vollschichtige Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsfeld verweisbar sind, die Benennung einer Verweisungstätigkeit nicht erforderlich ist, festzuhalten ist, kann bezüglich von Grenzfällen, um die es auch geht, Klärungsbedarf i.S. des § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG nicht geleugnet werden.
c) Der vorlegende Senat hat ausgeführt, daß nach seiner Auffassung die Vorlage zur Fortbildung des Rechts und zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich ist. Eine solche Entscheidung ist für den Großen Senat bindend (BSGE 14, 246, 247; 30, 167, 171; 41, 41, 43; 43, 75, 78; 62, 255, 258f. = SozR 5050 § 15 Nr. 35).
B. Die Vorlagefragen, wie sie vorstehend für die EU formuliert worden sind, werden vom Großen Senat verneint.
1. Nach der Rechtsprechung des BSG ist dem Versicherten, der aus gesundheitlichen Gründen seine bisherige Erwerbstätigkeit nicht mehr ausüben kann und deshalb eine Rente wegen Minderung der Erwerbsfähigkeit beantragt, im Falle der Ablehnung mangels Minderung der Erwerbsfähigkeit konkret zumindest eine Tätigkeit (Verweisungstätigkeit) zu benennen, die die den Rentenfall begründende Minderung der Erwerbsfähigkeit ausschließt, weil der Versicherte diese Tätigkeit ausüben kann. Zu nennen ist kein Arbeitsplatz (BSG SozR 2.200 § 1246 Nr. 104), sondern eine Berufstätigkeit mit ihren typischen, das Anforderungsprofil bestimmenden Merkmalen (vgl. BSG SozR 2200 § 1246 Nrn 72, 74 und SozR 3-2200 § 1246 Nr. 50); es genügt die Kennzeichnung der Berufstätigkeit mit einer im Arbeitsleben üblichen Berufsbezeichnung (BSG SozR 2200 § 1246 Nrn 74, 98). Dem Benennungserfordernis kommt keine eigenständige Bedeutung, sondern nur die Funktion zu, sicherzustellen und nachprüfbar zu machen, daß der Versicherte trotz seiner Leistungsminderung eine andere Erwerbstätigkeit ausüben kann und diese alle Merkmale aufweist, die von Gesetzes wegen zum Ausschluß des Rentenanspruchs an eine Verweisungstätigkeit zu stellen sind (BSG SozR 2200 § 1246 Nrn 72, 105, 143; SozR 5850 § 2 Nr. 12; Urteil vom 14. Mai 1996 – 4 RA 60194 – zur Veröffentlichung vorgesehen). Wie die Verweisungstätigkeit beschaffen sein muß, ist – entsprechend der Funktion des Benennungserfordernisses – allein am jeweiligen gesetzlichen Begriff der Minderung der Erwerbsfähigkeit, hier also an dem der EU, auszurichten.
Die konkrete Benennung einer Verweisungstätigkeit hat das BSG abweichend hiervon nicht für erforderlich angesehen, wenn der Versicherte zwar nicht mehr zu körperlich schweren, aber doch vollschichtig zu mittelschweren oder leichten Arbeiten in der Lage war und auf eine Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt oder -feld, das meint ungelernte Tätigkeiten, verwiesen werden durfte (vgl. SozR 2200 § 1246 Nrn 30, 75, 81, 90, 104, 109, 117; SozR 3-2200 § 1247 Nr. 8). Auf ungelernte Tätigkeiten verwiesen werden können, soweit es um EU geht, mangels Berufsschutzes bei diesem Rentenanspruch grundsätzlich alle Versicherte (BSGE 19, 147, 149f. = SozR Nr. 6 zu § 1247 RVO; SozR 2200 § 1247 Nr. 7; SozR 5850 § 2 Nr. 12; SozR 3-2200 § 1247 Nr. 8); denn nach § 44 Abs. 2 Satz 1 SGB VI schließt jede Erwerbstätigkeit, die der Versicherte in gewisser Regelmäßigkeit auszuüben in der Lage ist und mit der er Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen erzielen kann, das ein Siebtel der monatlichen Bezugsgröße übersteigt, EU aus. Deshalb betrifft die erste Vorlagefrage, soweit sie sich auf EU bezieht, nicht nur angelernte Arbeiter (im unteren Bereich) und ungelernte Arbeiter, sondern alle Versicherte, die noch vollschichtig körperlich leichte Arbeiten ausüben können. Das aber hat zur Folge, daß bei der EU die konkrete Benennung einer Verweisungstätigkeit – entgegen dem Vorlagebeschluß – regelmäßig nicht zu erfolgen hat, die Benennung also die Ausnahme ist. Die Beurteilung, ob der Versicherte erwerbsfähig oder erwerbsunfähig ist, muß im Regelfall nicht nach Anforderungsprofilen einer oder mehrerer bestimmter Berufstätigkeiten erfolgen; es genügt eine Beurteilung, ob das Restleistungsvermögen dem Versicherten körperliche Verrichtungen (wie z.B. Zureichen, Abnehmen, Transportieren, Reinigen, Bedienen von Maschinen, Kleben, Sortieren, Verpacken, Zusammensetzen von Teilen usw) erlaubt, die in ungelernten Tätigkeiten gefordert zu werden pflegen. Zur Rechtfertigung dieses Grundsatzes hat das BSG 1981/1982 auf Schwierigkeiten bei der Benennung von Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes hingewiesen: Anders als qualifizierte Berufstätigkeiten entzögen sich die nicht oder nur ganz wenig qualifizierten Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes („Hilfsarbeiten”) einer knappen Benennung, die aussagekräftig Art und Anforderungen der Tätigkeit beschrieben, was von der Benennungspflicht entbinde. Hinzu komme, daß sich allgemeine Hilfsarbeiten von Arbeitsplatz zu Arbeitsplatz nur wenig unterschieden. Anders als bei Facharbeitern bestehe auch wenig Gefahr, daß auf Arbeiten verwiesen werde, die in der Berufswelt nicht oder kaum aufzufinden seien (SozR 2200 § 1246 Nrn 81, 90).
An diesem Grundsatz ist festzuhalten. Die Aussage des 1. Senats aus den Jahren 1981/1982 bestätigt der vorlegende Senat, wenn er ausführt, die Sachverständigen hätten darauf hingewiesen, daß der Arbeitsmarkt, auf dem ungelernte Arbeitnehmer noch eine Stelle finden könnten, weit heterogener sei, als das BSG angenommen habe. Die Berufswelt ist, wie auch vom vorlegenden Senat aufgrund der Anhörung eingeräumt wird, insoweit nicht transparent. Ob in einigen Jahren eine Arbeitsmarkttransparenz geschaffen werden könnte, wie einer der Sachverständigen meint, ist unerheblich; derzeit jedenfalls kann auf entsprechende Erkenntnisse für die Praxis nicht zurückgegriffen werden, so daß ein Benennungsgebot der Rechtspraxis keine Hilfe böte. In Bezug auf Personen, die noch vollschichtig körperlich mittelschwere oder ohne besondere Einschränkungen körperlich leichte Arbeiten erbringen können, wird das Bezeichnungsgebot zudem nicht benötigt, um sicherzustellen und nachprüfbar zu machen, daß der Versicherte noch eine andere die EU ausschließende Erwerbstätigkeit ausüben kann. Es liegt auf der Hand, daß solche Versicherte nicht aufgrund von Krankheit oder Behinderung gehindert sind, einer Vollzeitbeschäftigung nachzugehen; weil der Versicherte in Ermangelung eines Berufsschutzes breit verweisbar ist, besteht keine Gefahr, daß er damit auf Arbeiten verwiesen wird, die in der Berufswelt nicht oder kaum aufzufinden sind.
Veranlassung, den Grundsatz aufzugeben, besteht derzeit auch deshalb nicht, weil die erwähnte Neufassung der §§ 43ff. SGB VI auf die Beibehaltung der Rechtsprechung zielt, nach der die Benennung von ungelernten Verweisungstätigkeiten nicht erforderlich ist, wie schon die Begründung der Bundesregierung zum Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des SGB VI und anderer Gesetze (BT-Drucks 13/2590 S. 19) deutlich gemacht hat. Auch der Entwurf des 2. SGB VI-ÄndG der Regierungsfraktionen führt aus, daß nach der auf der bisherigen Rechtsprechung beruhenden Verwaltungspraxis für einen vollschichtig einsatzfähigen Versicherten, der auf den allgemeinen Arbeitsmarkt verweisbar ist, grundsätzlich keine konkrete Verweisungstätigkeit benannt zu werden brauche, und es gelte, u.a. diese Rechtslage festzuschreiben und den bestehenden Status quo aufrecht zu erhalten (BT-Drucks 13/3697 S. 3, 4). Dagegen läßt sich ein Gebot der versicherungsrechtlichen Gleichbehandlung der unteren Arbeitnehmergruppen nicht ins Feld führen, denn bei der EU müssen auch die obersten Arbeitnehmergruppen in Kauf nehmen, ohne konkrete Benennung einer Verweisungstätigkeit pauschal auf ungelernte Tätigkeiten verwiesen zu werden.
2. Kann der Versicherte seinen bisherigen Beruf nicht mehr, aber vollschichtig körperlich leichte Tätigkeiten, wenn auch nur mit bestimmten Einschränkungen, ausüben, besteht Übereinstimmung darin, daß – trotz der praktischen Schwierigkeiten – die konkrete Benennung zumindest einer Verweisungstätigkeit erforderlich ist, wenn eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder eine schwere spezifische Leistungsbehinderung vorliegt. Als solche schwere Einschränkungen sind bisher besondere Schwierigkeiten hinsichtlich der Gewöhnung und Anpassung an einen neuen Arbeitsplatz (BSG SozR 2200 § 1246 Nrn 104, 117), – in Verbindung mit anderen Einschränkungen – die Erforderlichkeit, zwei zusätzliche Arbeitspausen von je 15 Minuten einzulegen (BSG SozR 2200 § 1246 Nr. 136), Einschränkungen bei Arm- und Handbewegungen, halbstündiger Wechsel vom Sitzen zum Gehen (BSG SozR 3-2200 § 1247 Nr. 8) und regelmäßig einmal in der Woche auftretende Fieberschübe (vgl. BSG SozR 3-2200 § 1247 Nr. 14) angesehen worden. Erwähnt werden in diesem Zusammenhang auch Einarmigkeit und Einäugigkeit (BSG SozR 2200.§ 1246 Nr. 30). Beispiele, welche Einschränkungen jedenfalls nicht zu einer konkreten Benennung veranlassen sollen, sind in BSG SozR 2200 § 1246 Nr. 117 beschrieben:
- Ausschluß von Tätigkeiten, die überwiegendes Stehen oder ständiges Sitzen erfordern, in Nässe oder Kälte oder mit häufigem Bücken zu leisten sind, besondere Fingerfertigkeiten erfordern oder mit besonderen Unfallgefahren verbunden sind,
- Ausschluß von Arbeiten im Akkord, im Schichtdienst, an laufenden Maschinen,
- Ausschluß von Tätigkeiten, die besondere Anforderungen an das Seh-, Hör- oder Konzentrationsvermögen stellen,
- Ausschluß von Tätigkeiten, die häufiges Bücken erfordern.
Als Grund dafür, daß bei einer Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder einer schweren spezifischen Leistungsbehinderung eine Verweisungstätigkeit konkret zu benennen ist, wird angeführt, daß der Arbeitsmarkt für solche überdurchschnittlich stark leistungsgeminderte Personen möglicherweise schlechthin kleine Arbeitsstelle bereit hält (BSG SozR 2200 § 1246 Nrn 81, 90) bzw. nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden kann, daß es auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt für die an sich noch mögliche Vollzeittätigkeit eine ausreichende Anzahl von Arbeitsplätzen gibt (BSG SozR 2200 § 1246 Nr. 136), oder daß ernste Zweifel daran aufkommen, ob der Versicherte mit dem ihm verbliebenen Leistungsvermögen in einem Betrieb einsetzbar ist (BSG SozR 2200 § 1246 Nr. 104). Ob für die Beurteilung, ob ein Versicherter, der noch körperlich leichte Arbeiten mit weiteren Einschränkungen verrichten kann, erwerbsunfähig ist, generell die konkrete Benennung von Verweisungstätigkeiten erforderlich ist, hängt hiernach nicht allein davon ab, ob angesichts der Einschränkungen ernste Zweifel daran aufkommen, ob der Versicherte in einem Betrieb einsetzbar ist. Auch die Möglichkeit der praktischen Verschlossenheit des Arbeitsmarktes ist in diesem Zusammenhang von Bedeutung, um den Versicherten nicht zu benachteiligen. Deshalb stellt sich schon hier die Frage, wann bei Versicherten, die, wenn auch nur mit Einschränkungen, noch vollschichtig ungelernte körperlich leichte Arbeiten ausüben können, die Gefahr besteht, daß ihnen der Arbeitsmarkt praktisch verschlossen ist.
3. Nach den Beschlüssen des Großen Senats vom 11. Dezember 1969 (BSGE 30, 167ff. = SozR Nr. 79 zu § 1246 RVO und BSGE 30, 192ff. = SozR Nr. 20 zu § 1247 RVO) beurteilt sich die Erwerbsfähigkeit eines Versicherten nicht allein nach der Fähigkeit, Arbeiten zu verrichten, sondern auch danach, durch Arbeit Erwerb zu erzielen (BSGE 30, 192, 195f. = SozR Nr. 20 zu § 1247 RVO). Erwerbsunfähig ist ein Versicherter, der noch vollschichtig arbeiten kann, zwar nicht schon dann, wenn er arbeitslos ist, weil er bei der Arbeitsplatzsuche der gesunden Konkurrenz lassen muß (BSGE 30, 192, 199 = SozR Nr. 20 zu § 1247 RVO). EU liegt erst vor, wenn der Leistungsgeminderte einen seinem verbliebenen Leistungsvermögen entsprechenden Arbeitsplatz nicht finden kann, weil es solche Arbeitsplätze nicht gibt (BSGE 30, 192, 200 = SozR Nr. 20 zu § 1247 RVO). In seinem Beschluß vom 10. Dezember 1976 hat der Große Senat entschieden, daß dem nur zur Teilzeitarbeit fähigen Versicherten – unabhängig von der Zahl vorhandener Arbeitsplätze oder dem Verhältnis dieser Zahl zu den Personen, die solche Arbeitsplätze suchen – der Arbeitsmarkt praktisch verschlossen sei, wenn man ihm nicht innerhalb eines Jahres einen Arbeitsplatz anbieten könne (BSGE 43, 75 SozR 2200 § 1246 Nr. 13). Entsprechende Konsequenzen für leistungsgeminderte, aber noch vollschichtig einsetzbare Versicherte zu ziehen, hat das BSG ständig abgelehnt. Die Rechtsprechung geht generell davon aus, daß es für Vollzeittätigkeiten Arbeitsplätze in ausreichendem Umfang gibt und der Arbeitsmarkt für den Versicherten offen ist, so daß eine diesbezügliche Prüfung im Einzelfall regelmäßig nicht vorgenommen zu werden braucht (BSGE 44, 39 SozR 2200 § 1246 Nr. 19; SozR 2200 § 1246 Nrn 22, 30). Als Ausnahmen sind bis lang nur solche Fallgestaltungen herausgestellt worden, in denen,
- der Versicherte zwar an sich noch eine Vollzeittätigkeit ausüben kann, aber nicht unter den in den Betrieben üblichen Bedingungen (BSGE 44, 39, 40 = SozR 2200 § 1246 Nr. 19; SozR 2200 § 1246 Nr. 22; Katalogfall Nr. 1),
- der Versicherte zwar an sich noch eine Vollzeittätigkeit ausüben kann, entsprechende Arbeitsplätze aber aus gesundheitlichen Gründen nicht aufsuchen kann (SozR Nr. 101 zu § 1246 RVO; SozR 2200 § 1247 Nrn 47, 50, 53, 56, Katalogfall Nr. 2),
- die Zahl der in Betracht kommenden Arbeitsplätze deshalb nicht unerheblich reduziert ist, weil der Versicherte nur in Teilbereichen eines Tätigkeitsfeldes eingesetzt werden kann (SozR 2200 § 1246 Nr. 101; BSGE 56, 64, 68 SozR 2200 § 1246 Nr. 110; Katalogfall Nr. 3),
für den Versicherten nur Tätigkeiten in Betracht kommen, die auf Arbeitsplätzen ausgeübt werden,
- die an Berufsfremde nicht vergeben zu werden pflegen (SozR 2200 § 1246 Nr. 101; BSGE 56, 64, 69 = SozR 2200 § 1246 Nr. 110; Katalogfall Nr. 5),
- die als Schonarbeitsplätze (SozR 2600 § 46 Nr. 1; SozR 2200 § 1246 Nr. 101; Katalogfall Nr. 4) oder als Aufstiegspositionen (Katalogfall Nr. 6) nicht an Betriebsfremde vergeben werden, und
- entsprechende Arbeitsplätze nur in ganz geringer Zahl vorkommen (SozR 2200 § 1241d Nr. 5; SozR 2200 § 1246 Nr. 82; Katalogfall Nr. 7).
Es besteht keine Veranlassung, diesen Katalog, der 1986 vom 4. Senat zusammengestellt worden ist (SozR 2200 § 1246 Nr. 137; die Numerierung stammt vom 5. Senat, SozR 2200 § 1246 Nr. 139), angesichts der Fallgestaltung des Ausgangsverfahrens zu erweitern, insbesondere nicht, nachdem § 44 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 SGB VI bestimmt, daß erwerbsunfähig nicht ist, wer eine Tätigkeit vollschichtig ausüben kann, und daß dabei die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen ist.
Ob ein Anspruch auf Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit „von der jeweiligen Arbeitsmarktlage abhängig ist” bzw. „unabhängig von der jeweiligen Arbeitsmarktlage” besteht, war nach bisherigem Recht schon für die Befristung der Rente (§ 102 SGB VI) bzw. für Leistungen an Berechtigte im Ausland (§ 112 SGB VI) von Bedeutung. Die Anweisung in § 44 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 SGB VI, die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen, schließt zwar nicht aus auch weiterhin Personen für erwerbsunfähig zu halten, die aus gesundheitlichen Gründen unter den in den Betrieben üblichen Bedingungen nicht arbeiten können oder nur für Tätigkeiten in Betracht kommen, die ihrer Art nach nur selten in der Arbeitswelt vorkommen. Denn ihre Unfähigkeit, durch Arbeit Erwerb zu erzielen, beruht nicht auf der Schwankungen unterworfenen jeweiligen Lage des Arbeitsmarktes, sondern auf dem praktisch gänzlichen Fehlen entsprechender Arbeitsplätze in der Berufswelt. Im übrigen ist aber bei der Auslegung des Begriffs der „jeweiligen Arbeitsmarktlage” das erklärte Ziel der Änderungen der §§ 43ff. SGB VI durch das 2. SGB VI-ÄndG zu beachten, bis zur grundsätzlichen Neuregelung des Rechts der Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit die Fortsetzung der auf der bisherigen Rechtsprechung beruhenden Verwaltungspraxis sicherzustellen und jede weitere Rechtsfortbildung in Richtung einer „Arbeitsmarktrente” durch die Rechtsprechung zu verhindern, die bei der Neuregelung des Rechts der Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit eine sachgerechte Zuordnung des Arbeitsmarktrisikos an die Rentenversicherung bzw. die Bundesanstalt für Arbeit erschweren könnte.
Die Anweisung, bei Versicherten, die eine Tätigkeit vollschichtig ausüben können, die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen, verbietet daher nicht nur, Versicherte als erwerbsunfähig zu beurteilen, weil ihnen nach Lage des Arbeitsmarktes derzeit oder innerhalb einer absehbaren Zeit (zB eines Jahres) ein konkreter Arbeitsplatz nicht, angeboten werden kann. Dem Gesetzgeber war bekannt, daß für leistungsgeminderte, aber noch vollschichtig einsetzbare ältere arbeitslose Versicherte bei vernünftiger Betrachtung auf dem Arbeitsmarkt seit längerer Zeit kaum Vermittlungschancen bestehen (BT-Drucks 13/3907 S. 5). Dennoch hat der Gesetzgeber es dabei belassen, daß die Altersrente wegen Arbeitslosigkeit (§ 38 SGB IV) weiterhin Versicherten erst nach Vollendung des 60. Lebensjahres zusteht, und, was von der Praxis insoweit schon bisher beachtet worden ist, nunmehr ausdrücklich bestimmt, bei Versicherten, die noch vollschichtig arbeiten können, die Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen. Das Arbeitsmarktrisiko, das nach der bisherigen Rechtsprechung für diesen Personenkreis von der Bundesanstalt für Arbeit, soweit noch Arbeitslosengeld zu zahlen ist, vom Bundeshaushalt, soweit Arbeitslosenhilfe zu zahlen ist, und im übrigen von den Sozialhilfeträgern getragen wird, sollte nicht auf die Rentenversicherungsträger verlagert werden. Der Gesetzgeber bestätigt damit das in den vergangenen Jahren bei der – ausgelaufenen – Bezuschussung von Vorruhestandsaufwendungen der Arbeitgeber bei Wiederbesetzung des Arbeitsplatzes mit einem Arbeitslosen durch die Bundesanstalt für Arbeit (1984 bis 1988), bei der Weiterzahlung des von der Modrow-Regierung eingeführten Vorruhestandsgeldes nach dem 2. Oktober 1990 aus dem Bundeshaushalt (1990 bis 1995) und bei der Leistung von Altersübergangsgeld aus Mitteln der Bundesanstalt für Arbeit und des Bundes (seit 1990) beachtete Prinzip, durch das Überangebot von Arbeitskräften auf dem Arbeitsmarkt erzwungene Problemlösungen nicht der Rentenversicherung und ihren Beitragszahler anzulasten, auch wenn ältere, wenige Jahre vor dem Rentenalter stehende Versicherte betroffen sind. Das schließt es aus, einen arbeitslosen Versicherten, der noch vollschichtig arbeiten kann, deshalb als erwerbsunfähig anzusehen, weil neben den gesundheitlichen Einschränkungen Risikofaktoren wie Langzeitarbeitslosigkeit und vorgerücktes Alter oder mangelhafte Ausbildung die Vermittlungschancen zusätzlich erschweren.
Dagegen kann nicht eingewandt werden, der Gesetzgeber habe mit den Änderungen der §§ 43ff. SGB VI durch das 2. SGB VI-ÄndG in durch Artikel 14 Grundgesetz erworbene Rechte eingegriffen und den durch das Rechtsstaatsprinzip (Artikel 20 Abs. 3 Grundgesetz) gewährleisteten Vertrauensschutz verletzt; denn die Änderungen stellen nur klar, was nach der bisherigen Rechtsprechung schon so praktiziert wurde. Eine Erweiterung des Katalogs der Verschlossenheitsfälle um arbeitslose ältere Versicherte, die trotz ihrer gesundheitsbedingten Leistungsminderung noch vollschichtig arbeiten können, wäre auch vor Erlaß des 2. SGB VI-ÄndG nicht zu rechtfertigen gewesen; sie hätte der Struktur der Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit widersprochen. Diese sollen nur das Risiko einer Minderung der Erwerbsfähigkeit „wegen Krankheit oder Behinderung” abdecken, nicht dagegen das Risiko einer Minderung der Erwerbsmöglichkeit oder der Arbeitslosigkeit, wodurch immer die letztgenannten Risiken eingetreten sind. Dagegen läßt sich nicht einwenden, nach der Kausalnorm der wesentlichen Bedingung genüge es, wenn die Minderung der Erwerbsfähigkeit neben anderen Ursachen jedenfalls gleichwertig auf Krankheit oder Behinderung zurückzuführen sei. Denn abgesehen davon, daß diese Argumentation wohl nicht nach der wesentlichen Bedingung der Minderung der Erwerbsfähigkeit, sondern der vorhandenen Arbeitslosigkeit fragt, verkennt sie, daß der Fortbestand der Arbeitslosigkeit des hier angesprochenen Personenkreises wesentlich nicht durch die gesundheitlichen Beeinträchtigungen, sondern durch die aktuelle Arbeitsmarktsituation verursacht wird, die älteren Arbeitnehmern ohne Ausbildung nur geringe Chancen läßt (BSG SozR 3-2200 § 1246 Nr. 50; Haneberg DRV 1995, 327, 332 f.
Es besteht auch kein anderer Grund, den Verschlossenheitskatalog um Arbeitsplätze zu erweitern, auf denen ungelernte körperlich leichte Tätigkeiten zu erbringen sind. Daß die Zahl solcher Arbeitsplätze rückläufig ist, wie der vorlegende Senat geltend macht, ist unerheblich, solange es diese Arbeitsplätze in der Berufswelt tatsächlich in nicht nur geringer Zahl gibt. Keine Rolle spielt in diesem Zusammenhang, daß auf Arbeitsplätze, auf denen ungelernte körperlich leichte Tätigkeiten ausgeübt werden, nicht nur Versicherte der unteren Arbeitnehmergruppen, sondern auch Facharbeiter drängen. Der Große Senat hat schon 1969 darauf hingewiesen, daß ein Versicherter, der noch vollschichtig arbeiten kann, nicht deshalb erwerbsunfähig ist, weil er bei der Arbeitsplatzsuche der gesunden Konkurrenz den Vortritt lassen muß (BSGE 30 192, 199 = SozR Nr. 20 zu § 1247 RVO). Wenn der Versicherte im Wettbewerb dem tüchtigeren, besser ausgebildeten Konkurrenten unterliegt, kann nichts anderes gelten. Die jeweilige Arbeitsmarktlage würde berücksichtigt, wenn aus der Anzahl aller entsprechenden Arbeitsplätze, der Anzahl möglicher Bewerber um diese Arbeitsplätze oder aus dem Verhältnis dieser Zahlen zueinander auf eine Gefahr der Verschlossenheit des Arbeitsmarktes geschlossen würde; entsprechende Ermittlungen, die auch auf tatsächliche Schwierigkeiten stoßen, sollten nach den Vorstellungen des Gesetzgebers entbehrlich sein (BT-Drucks 13/3697 S. 4).
Zugunsten einer Erweiterung des Verschlossenheitskatalogs um Arbeitsplätze, auf denen ungelernte körperliche leichte Tätigkeiten zu erbringen sind, läßt sich auch nicht anführen, daß solche Arbeitsplätze allgemein nicht mehr von außen besetzt werden, also nicht arbeitsmarktgängig sind. Die Gutachten der vom vorlegenden Senat gehörten Sachverständigen rechtfertigen einen solchen Schluß schon deshalb nicht, weil sie sich nur auf einen Teil der Arbeitsplätze beziehen, auf denen leichte körperliche und i.S. der Rechtsprechung zum Rentenrecht ungelernte Tätigkeiten zu erbringen sind. Die weitergehenden Aussagen der Sachverständigen in der mündlichen Anhörung sind nicht belegt. Unter ungelernten Tätigkeiten versteht das BSG alle Tätigkeiten, die keine betriebliche Einarbeitung oder Einweisung oder nur eine solche bis zu einer Dauer von weniger als drei Monaten erfordern (SozR 2200 § 1246 Nrn 60, 81, 109, 139). Demgegenüber sind nach den Gutachten schon Tätigkeiten nach Einarbeitungszeiten von ein bis zwei Wochen angelernte Tätigkeiten. Die Gutachten der Sachverständigen könnten deshalb nur relevant werden, wenn ein Versicherter ausschließlich auf Tätigkeiten verwiesen werden kann, die fachlich ganz einfach sind, was in der Regel aber nicht der Fall ist. Die Vorlage bezieht sich hierauf nicht. Der vorlegende Senat vertritt selbst die Auffassung, daß sich die Gefahr der Verschlossenheit des Arbeitsmarktes mangels Arbeitsmarkttransparenz gegenwärtig nur bezogen auf konkrete Verweisungstätigkeiten feststellen lasse, also nicht generell für ungelernte körperlich leichte Tätigkeiten, und räumt ein, daß der vorhandene Katalog ausreiche, soweit die Anhörung ergeben habe, daß fachlich und zugleich körperlich leichte Arbeitsplätze in den seltensten Fällen noch von außen besetzt werden.
Der Gesetzgeber ist auch nicht gehalten, die angesprochene Personengruppe im Rahmen der durch den allgemeinen Gleichheitssatz gebotenen Rechtsetzungsgleichheit in den Schutz der Rentenversicherung einzubeziehen. Die Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers besteht gerade darin, diejenigen Sachverhalte auszuwählen, an die er dieselbe Rechtsfolge knüpft, die der Gesetzgeber also im Rechtssinne als gleich ansehen will (BVerfGE 90, 226, 239 = SozR 3-4100 111 Nr. 6 m.w.N.). Ausgehend von den bestehenden Systemen, der sozialen Sicherung ist es nicht sachwidrig, unvertretbar oder willkürlich, wenn der Rentenversicherung Risiken nicht zugewiesen werden, die ihren Grund letztlich darin haben, daß die deutsche Wirtschaft nicht so viele Arbeitskräfte benötigt, um alle die, in Deutschland arbeiten wollen und üblichen Anforderungen der Berufswelt zu entsprechen in der Lage sind, beschäftigen zu können.
Hiernach kommt, nicht zuletzt wegen der Änderungen der §§ 43ff. SGB VI, eine Ergänzung des Verschlossenheitskatalogs, wie sie der vorlegende Senat für Fälle vorliegender Art anregt, nicht in Betracht. Eine solche Rechtsfortbildung würde angesichts des erklärten Ziels des 2. SGB Vl-ÄndG, eine (weitere) Verlagerung des Arbeitsmarktrisikos auf die Rentenversicherung mit Rücksicht auf eine anstehende Neuregelung der Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit zu verhindern, den Willen des Gesetzgebers, der sich die Risikozuweisung vorbehalten wollte, mißachten und wäre daher jedenfalls derzeit unzulässig. Ob der Wille des Gesetzgebers einer Rechtsfortbildung zu einem späteren Zeitpunkt entgegenstünde, wenn eine Neuregelung des Rechts der Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit nicht weiterverfolgt würde, ist hier nicht zu entscheiden. Ist jedenfalls eine Ergänzung des Verschlossenheitskatalogs, nach dem derzeit geltenden Recht unzulässig, verbietet sie sich auch für die Zeit vor Inkrafttreten des 2. SGB VI-ÄndG. Denn es macht keinen Sinn und widerspräche jeder Rechtskontinuität, Recht für die Vergangenheit fortzubilden, das nach dem Willen der gesetzgebenden Körperschaften für die Zukunft so nicht fortgebildet werden darf. Der Große Senat braucht deshalb nicht zu entscheiden, ob die Änderungen der §§ 43ff. SGB VI unmittelbar auch für Ansprüche maßgebend sind, die für Zeiten vor dem Inkrafttreten des 2. SGB VI-ÄndG geltend gemacht werden, und welche Bedeutung § 302b Abs. 3 SGB VI zukommt (vgl. dazu BSG Urteile vom 14. Mai 1996 – 4 RA 60194 –, 12. Juni 1996 – 5 RJ 2/96–, vom 18. Juli 1996 – 4 RA 33194 –, alle zur Veröffentlichung vorgesehen).
Die zweite Vorlagefrage ist daher dahingehend zu beantworten, daß die Fallgruppen, bei denen das BSG bisher die erhebliche Gefahr einer Verschlossenheit des Arbeitsmarktes angenommen hat, nicht mit Rücksicht auf ältere arbeitslose ungelernte Versicherte oder ältere arbeitslose angelernte Versicherte des unteren Bereichs zu erweitern sind, die vollschichtig nur noch körperlich leichte Arbeiten mit weiteren Einschränkungen verrichten können.
4. Ist der Verschlossenheitskatalog nicht um Arbeitsplätze zu ergänzen, auf denen körperlich leichte ungelernte Tätigkeiten vollschichtig erbracht werden, bedarf es nicht wegen dieses Gesichtspunkts einer Einschränkung der pauschalen Verweisung auf ungelernte Tätigkeiten bei der Prüfung der EU. Da an dem Grundsatz festzuhalten ist, daß bei der Prüfung der EU Versicherte, die vollschichtig körperlich leichte Arbeiten zu erbringen in der Lage sind, hierauf pauschal verwiesen werden können, besteht kein Grund, abweichend, von der bisherigen Rechtsprechung generell bei Versicherten, die zu solchen Arbeiten nur mit Einschränkungen in der Lage sind einen konkreten Vergleich der Leistungsfähigkeit mit dem Anforderungsprofil einer bestimmten Verweisungstätigkeit zu fordern. Es genügt, daß es zu einem derartigen Vergleich kommt, wenn eine Summierung ungewöhnlicher Leistungsbeschränkungen oder eine spezifische Leistungsbehinderung vorliegt. Denn eine vernünftige Handhabung dieser, weiten Begriffe sichert, daß immer dann, wenn ernsthafte Zweifel bestehen, ob der Versicherte in einem Betrieb einsetzbar ist oder ein Katalogfall vorliegen könnte, die konkrete Bezeichnung einer Verweisungstätigkeit erfolgen muß, die nicht nur zu dem Vergleich von Leistungsfähigkeit und Anforderungsprofil führt, sondern auch zu der individuellen Prüfung, ob dem Versicherten der Arbeitsmarkt offen ist oder nicht.
Auf die erste Vorlagefrage ist daher in bezug auf EU zu antworten, daß für die Beurteilung der EU die konkrete Benennung von Verweisungstätigkeiten auch dann nicht erforderlich ist, wenn der Versicherte körperlich leichte Tätigkeiten vollschichtig nur mit weiteren Einschränkungen verrichten kann; die konkrete Bezeichnung von Verweisungstätigkeiten ist erforderlich, wenn eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder eine schwere spezifische Leistungsbehinderung vorliegt.
IV
Nach dem Vorstehenden ist über die Vorlage nur noch zu befinden, soweit der vorlegende Senat wissen will, ob für die Beurteilung, ob ein Versicherter der Gruppe mit dem Leitbild des angelernten Arbeiters im unteren Bereich oder der Gruppe mit dem Leitbild des ungelernten Arbeiters berufsunfähig ist, die konkrete Benennung von Verweisungstätigkeiten erforderlich ist.
1. Da der vorlegende Senat nach der dem Vorlagebeschluß zu entnehmenden Entscheidungsabsicht aufgrund der vorhergehenden Antworten des Großen Senats die Klage auf Rente wegen EU abweisen wird, hat er nunmehr zwar über den mit dem Hilfsantrag geltend gemachten Anspruch auf Rente wegen BU zu entscheiden. Der vorlegende Senat billigt aber die Auffassung des LSG, daß der Kläger als Kraftfahrer nach dem Mehrstufenschema als angelernter Arbeiter im unteren Bereich oder als ungelernter Arbeiter einzuordnen ist und deshalb auch im Rahmen der Prüfung der BU auf den allgemeinen Arbeitsmarkt verwiesen werden kann. Angesichts dessen ist zweifelhaft, ob für die Entscheidung über die Revision die noch offene Frage erheblich ist. Kann nämlich ein Versicherter im Rahmen der Prüfung der BU auf die Tätigkeiten des allgemeinen ArbeitsfeIds verwiesen werden, dürfte mangels praktischen Berufsschutzes erwerbsunfähigen Versicherten, der noch vollschichtig arbeiten kann auf BU-Rente von vornherein entfallen. Ob der Versicherte als ungelernter Arbeiter oder als angelernter Arbeiter (unterer Bereich) einzuordnen ist, macht dabei keinen Unterschied, weil auch der angelernte Arbeiter (unterer Bereich) einen Abstieg auf ungelernte Tätigkeiten hinnehmen muß. Wegen des Sachzusammenhangs und weil für die Beantwortung der noch offenen Frage keine wesentlich neuen Überlegungen anzustellen sind, beantwortet der Große Senat die Frage ungeachtet der aufgezeigten Bedenken.
2. Wie bei der EU hat das BSG aus den erörterten Gründen auch bei der BU die konkrete Benennung einer Verweisungstätigkeit nicht für erforderlich angesehen, wenn der Versicherte zwar nicht mehr zu körperlich schweren, aber doch vollschichtig zu mittelschweren oder leichten Arbeiten in der Lage war und auf ungelernte Tätigkeiten verwiesen werden durfte (vgl. BSG SozR 2200 1246 Nrn 30, 75, 81, 90, 104, 109, 117). Anders als bei der EU können bei der BU nach dem Mehrstufenschema auf ungelernte Tätigkeiten nur verwiesen werden Versicherte der Gruppe mit dem Leitbild des ungelernten Arbeiters, wenn man diese Gruppe, die keinen Berufsschutz genießt, hier Oberhaupt erwähnen will, und grundsätzlich Versicherte der Gruppe mit dem Leitbild des angelernten Arbeiters. Das wird der Regelung des § 43 Abs. 2 SGB VI entnommen. Von der pauschalen Verweisung generell ausgenommen ist der „obere Bereich” der letztgenannten Gruppe: Da Versicherte dieser Obergruppe, insbesondere Versicherte mit einem anerkannten Ausbildungsberuf mit einer Ausbildungszeit von längstens zwei Jahren Dauer, im Rahmen der BU nur auf solche ungelernten Tätigkeiten verwiesen werden dürfen, die sich durch Qualitätsmerkmale wie das Erfordernis einer Einweisung oder Einarbeitung oder die Notwendigkeit beruflich oder betrieblicher Vorkenntnisse auszeichnen, wird die konkrete Bezeichnung einer Verweisungstätigkeit gefordert (BSGE 59, 201, 206 = SozR 2200 § 1246 Nr. 132; SozR 2200 § 1246 Nrn l40, 143; SozR 3-2200 § 1246 Nr. 45). Von der pauschalen Verweisung bei der BU betroffen sind daher nur ungelernte Arbeiter und angelernte Arbeiter (im unteren Bereich), die in der ersten Vorlagefrage angesprochen sind und dem Grunde nach keinen bzw. praktisch keinen Berufsschutz genießen.
Da für die pauschale Verweisung keine anderen Gründe als bei der EU angeführt werden und § 43 Abs. 2 Satz 4 SGB VI i.d.F. des 2. SGB Vl-ÄndG vorsieht, daß berufsunfähig nicht ist, wer eine zumutbare Tätigkeit vollschichtig ausüben kann, und daß dabei die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen ist, kann auf die erste Vorlagefrage bezüglich der Prüfung von BU nicht anders als zur Prüfung von EU geantwortet werden. Auch zur Begründung der Erforderlichkeit der konkreten Benennung von Verweisungstätigkeiten zur Prüfung der BU läßt sich eine versicherungsrechtliche Gleichbehandlung der unteren Arbeitnehmergruppen nicht ins Feld führen. Daß bei unteren Arbeitnehmergrupppen eine pauschale Verweisung zulässig ist, bei oberen nicht, beruht einerseits, auf tatsächlichen Unterschieden in der Berufswelt, zum anderen auf dem System der BU-Rente. Denn da die Verweisungsmöglichkeiten um so beschränkter sind, je höher der qualitative Wert des bisherigen Berufs einzustufen ist, ist in diesen Fällen des Berufsschutzes wegen die konkrete Benennung einer Verweisungstätigkeit erforderlich, während sie bei einer breiten Verweisbarkeit des Versicherten entbehrlich ist. Letztlich ist dies darauf zurückzuführen, daß Versicherte der unteren Berufsgruppen auf jede Tätigkeit verwiesen werden können, die sie zu leisten vermögen. Darin kann indes keine grundlose Verschiedenbehandlung erblickt werden (BVerfGE 59, 36, 48 = SozR 2200 § 1246 Nr. 83).
Die Antwort auf die erste Vorlagefrage bezüglich der EU ist daher dahin zu ergänzen, daß Gleiches für die Beurteilung der BU Versicherter der Gruppe mit dem Leitbild des angelernten Arbeiters im unteren Bereich und der Gruppe mit dem Leitbild des ungelernten Arbeiters gilt.
Fundstellen