Verfahrensgang
Tenor
Die Beschwerde des Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Sächsischen Landessozialgerichts vom 23. Januar 2018 wird als unzulässig verworfen.
Die Beklagte hat dem Kläger auch die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu erstatten.
Gründe
Mit Urteil vom 23.1.2018 hat das Sächsische LSG einen Anspruch des Klägers, der Bediensteter der Deutschen Volkspolizei der DDR gewesen ist, auf Berücksichtigung des im Zeitraum Mai 1960 bis September 1990 erzielten Verpflegungsgeldes als weiteres Arbeitsentgelt nach dem AAÜG bejaht.
Gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil hat der Beklagte Beschwerde beim BSG eingelegt. Er beruft sich auf die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache iS von § 160 Abs 2 Nr 1 SGG.
Die Nichtzulassungsbeschwerde des Beklagten ist unzulässig, weil sie nicht formgerecht begründet ist.
Die Revision ist nur zuzulassen, wenn
- die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG),
- das Urteil von einer Entscheidung des BSG, des GmSOGB oder des BVerfG abweicht und auf dieser Abweichung beruht (aaO Nr 2) oder
- ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann (aaO Nr 3).
Derartige Gründe werden in der Beschwerdebegründung nicht nach Maßgabe der Erfordernisse des § 160a Abs 2 S 3 SGG dargetan. Die Beschwerde ist daher gemäß § 160a Abs 4 S 1 iVm § 169 SGG zu verwerfen.
Eine Rechtssache hat nur dann grundsätzliche Bedeutung, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die über den Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Der Beschwerdeführer muss daher anhand des anwendbaren Rechts und unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung angeben, welche Fragen sich stellen, dass diese noch nicht geklärt sind, weshalb eine Klärung dieser Rechtsfragen aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts erforderlich ist und dass das angestrebte Revisionsverfahren eine Klärung erwarten lässt. Ein Beschwerdeführer muss mithin, um seiner Darlegungspflicht zu genügen, eine Rechtsfrage, ihre (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit, ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit (Entscheidungserheblichkeit) sowie die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der von ihm angestrebten Entscheidung (so genannte Breitenwirkung) darlegen (zum Ganzen vgl BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 34 S 70 mwN; Fichte in Breitkreuz/Fichte, SGG, 2. Aufl 2014, § 160a RdNr 32 ff). Diesen Anforderungen wird die vorliegende Beschwerdebegründung nicht gerecht.
Der Beklagte misst folgender Rechtsfrage grundsätzliche Bedeutung bei:
"Stellt das Verpflegungsgeld, welches Angehörige eines Sonderversorgungssystems der DDR, hier Deutschen Volkspolizei, der Organe der Feuerwehr und des Strafvollzugs, erhalten haben, erzieltes Arbeitsentgelt im Sinne des § 6 Abs. 1 Satz 1 AAÜG dar?"
Er hat deren Klärungsbedürftigkeit allerdings nicht schlüssig aufgezeigt.
Der Beklagte weist selbst auf die Senatsurteile vom 30.10.2014 (B 5 RS 1/13 R - SozR 4-8570 § 6 Nr 6; B 5 RS 2/13 R, B 5 RS 1/14 R, B 5 RS 2/14 R und B 5 RS 3/14 R - alle Juris) hin, wonach bei der nach Bundesrecht vorzunehmenden Qualifizierung des Rechtscharakters von Verpflegungsgeldzahlungen als Arbeitsentgelt in rechtlicher Hinsicht an § 14 SGB IV und § 17 SGB IV iVm § 1 ArEV idF der VO zur Änderung der ArEV und der SachBezV 1989 vom 12.12.1989 (BGBl I 2177) und in tatsächlicher Hinsicht an die jeweils einschlägigen abstraktgenerellen Regelungen des DDR-Rechts anzuknüpfen ist. Liegt aber eine höchstrichterliche Rechtsprechung vor, hat der Beschwerdeführer aufzuzeigen, in welchem Umfang, von welcher Seite und mit welcher Begründung der Rechtsprechung widersprochen wird bzw die Beantwortung der Rechtsfrage weiterhin umstritten ist (BSG SozR 1500 § 160 Nr 51). Hieran fehlt es.
Der Beklagte trägt zur Darlegung der weiterhin bestehenden Klärungsbedürftigkeit vor, das BSG habe zwar in den genannten Entscheidungen die grundsätzlichen Richtlinien zur Auslegung der aufgeworfenen Rechtsfrage festgelegt. Gleichwohl sei deren Beantwortung nach wie vor umstritten. Die LSGe träfen unter Heranziehung derselben Rechtsvorschriften der DDR unterschiedliche Entscheidungen. So hätten der 22. Senat des LSG Berlin-Brandenburg (Urteil vom 17.11.2015 - L 22 R 702/12, Nichtzulassungsbeschwerde verworfen durch Senatsbeschluss vom 5.9.2016 - B 5 RS 8/16 B) und der 3. Senat des Thüringer LSG (ua Urteil vom 28.10.2015 - L 3 R 934/12, Nichtzulassungsbeschwerde verworfen durch Senatsbeschluss vom 4.8.2016 - B 5 RS 17/16 B) Verpflegungsgelder, die Beschäftigten der Zollverwaltung der ehemaligen DDR gezahlt worden seien, unter Heranziehung der maßgeblichen DDR-Vorschriften als Arbeitsentgelt iS von § 6 Abs 1 S 1 AAÜG eingestuft. Demgegenüber hätten das LSG Sachsen-Anhalt (Urteil vom 19.11.2015 - L 1 RS 33/12, Nichtzulassungsbeschwerde verworfen durch Senatsbeschluss vom 15.3.2016 - B 5 RS 4/16 B) sowie der 12. Senat des Thüringer LSG (Urteil vom 25.11.2015 - L 12 R 540/12, Nichtzulassungsbeschwerde verworfen durch Senatsbeschluss vom 13.7.2016 - B 5 RS 7/16 B) und der 3. Senat des LSG Berlin-Brandenburg (Urteil vom 18.4.2018 - L 3 R 209/16 WA, Revision anhängig - B 5 RS 2/18 R) unter Heranziehung derselben Vorschriften entschieden, dass Verpflegungsgeld, welches einem Beschäftigten der Zollverwaltung der ehemaligen DDR gezahlt worden sei, kein Arbeitsentgelt iS des AAÜG darstelle. Im Fall der Zugehörigkeit der Beschäftigten zum Sonderversorgungssystem der Deutschen Volkspolizei, der Organe der Feuerwehr und des Strafvollzugs (Sonderversorgungssystem Nr 2 der Anlage 2 zum AAÜG) hätten das LSG Berlin-Brandenburg (Urteil vom 24.2.2016 - L 16 R 94/14) und das LSG Sachsen-Anhalt (Urteil vom 13.10.2016 - L 3 RS 11/15) bezogenes Verpflegungsgeld als Arbeitsentgelt iS von § 6 AAÜG qualifiziert.
Mit diesem Vorbringen ist eine weitere Klärungsbedürftigkeit der hier zum Sonderversorgungssystem Nr 2 der Anlage 2 zum AAÜG gestellten Rechtsfrage nicht schlüssig dargetan.
Die Beschwerdebegründung zeigt zunächst selbst auf, dass alle zitierten Entscheidungen der LSGe, die vom BSG zur Auslegung des Merkmals "Arbeitsentgelt" iS von § 6 Abs 1 S 1 AAÜG aufgestellten Voraussetzungen, die "Leitlinien", einheitlich ihren Entscheidungen zugrunde gelegt haben.
Zu unterschiedlichen Ergebnissen sind die LSGe deswegen gelangt, weil sie aus den jeweils einschlägigen DDR-Vorschriften unterschiedliche Schlussfolgerungen gezogen haben. Während das LSG Sachsen-Anhalt (aaO), der 12. Senat des Thüringer LSG (aaO) und der 2. Senat des LSG Berlin-Brandenburg (aaO) die Arbeitsentgelteigenschaft gezahlter Verpflegungsgelder an Beschäftigte der ehemaligen DDR-Zollverwaltung verneinen, weil "sich aus diesen DDR-Vorschriften ergebe, dass das Verpflegungsgeld keinen Entgeltcharakter habe" bzw "ausschließlich aus betriebsfunktionalen Zwecken gezahlt wurde" bzw "ausschließlich betriebsfunktionale Zwecke verfolge", kämen der 22. Senat des LSG Berlin-Brandenburg (aaO) und der 3. Senat des Thüringer LSG (aaO) zu dem gegenteiligen Schluss, "dass sich anhand dieser Vorschriften ergebe, dass das Verpflegungsgeld als Bestandteil der Besoldung anzusehen sei" und "es sich bei diesen Einnahmen nicht lediglich um notwendige Begleiterscheinungen betriebsfunktionaler Zielsetzung handele", sondern "ein überwiegendes Interesse des Arbeitgebers an der Zahlung von Verpflegungsgeld" auch nicht aus der Entstehungsgeschichte der einschlägigen Vorschriften abzuleiten sei.
Nach der Rechtsprechung des Senats handelt es sich bei den abstrakt-generellen Regelungen der maßgeblichen "DDR-Vorschriften" um generelle Anknüpfungstatsachen, an deren tatrichterliche Feststellungen das BSG als Revisionsgericht gebunden ist (§ 163 SGG). Die Angriffe der Beschwerdeführer auf das Verständnis des LSG vom Inhalt dieser Regelungen betreffen danach die Beweiswürdigung iS des § 128 Abs 1 S 1 SGG und können nicht zur Zulassung der Revision führen (§ 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 SGG; Beschluss des Senats vom 18.1.2017 - B 5 RS 44/16 B - Juris RdNr 10). Allerdings wäre es mit dem Zweck der Nichtzulassungsbeschwerde, über die Zulassung der Revision die Einheit des Rechts zu wahren und eine einheitliche Rechtsprechung zu gewährleisten, nicht vereinbar, wenn eine Rechtsvorschrift des Bundesrechts unter Heranziehung genereller Tatsachen von den LSGen unterschiedlich ausgelegt werden könnte, ohne dass das Ergebnis einer vollständigen revisionsgerichtlichen Prüfung zugänglich wäre (vgl auch BSGE 96, 297 = SozR 4-5671 § 6 Nr 2, RdNr 19 mwN). Im vorliegenden Fall bedürfen diese Erwägungen indes keiner Vertiefung und Entscheidung.
Eine unterschiedliche Anwendung der hier maßgeblichen DDR-Vorschriften betreffend das Sonderversorgungssystem der Deutschen Volkspolizei, der Organe der Feuerwehr und des Strafvollzugs (Nr 2 der Anlage 2 zum AAÜG) hat der Beklagte nicht aufgezeigt und damit insoweit auch keine unterschiedliche Auslegung einer bundesrechtlichen Norm dargetan. Die dargelegten Unterschiedlichkeiten beziehen sich allein auf Vorschriften, die innerhalb des Sonderversorgungssystems der Angehörigen der Zollverwaltung der DDR gegolten haben (Nr 3 der Anlage 2 zum AAÜG).
Dass die einerseits für das Sonderversorgungssystem Nr 2 der Anlage 2 zum AAÜG benannten Vorschriften (insbesondere Beschluss des Präsidiums des Ministerrates über die Einführung von Wohnungs- und Verpflegungsgeld für die Angehörigen der bewaffneten Organe des Ministeriums des Inneren vom 21.4.1960 sowie die darauf beruhende Ordnung Nr 18/68 des Ministers des Inneren und Chefs der Deutschen Volkspolizei vom 1.7.1968, und zwar in den jeweils für die entsprechenden Zeiträume geltenden Fassungen der Änderungsmitteilung vom 1.1.1971, Zuordnung 18/68, ferner der Ordnung Nr 21/73 des Ministers des Inneren und Chefs der Deutschen Volkspolizei vom 10.1.1973 sowie der Ordnung Nr 18/74 des Ministers des Inneren und des Chefs der Deutschen Volkspolizei über die Verpflegungsversorgungsordnung vom 20.12.1974 und die Ordnung Nr 18/87 des Ministers des Inneren und Chefs der Deutschen Volkspolizei über die Organisation und Sicherstellung der Verpflegungsversorgungsordnung vom 21.11.1986) und die andererseits für das Versorgungssystem Nr 3 der Anlage 2 zum AAÜG angeführten Vorschriften (§ 5 Abs 2 der Vergütungsordnung des Amtes für Zoll und Kontrolle des Warenverkehrs, Ausgabe März 1957, sowie im Zeitraum vom 1.8.1965 bis 30.7.1973 auf Ziff 5.3 1 des Befehls Nr 1/65 des Ministers für Außenhandel und Innerdeutschen Handel ≪Gleichbesoldungsordnung der Zollverwaltung der DDR≫, im Zeitraum vom 1.7.1973 bis 31.12.1985 auf Ziff 5.21 des Befehls Nr 1/73 des Ministers für Außenwirtschaft ≪Gleichbesoldungsordnung der Zollverwaltung der DDR in der Fassung vom 1.7.1973≫ und ab dem 1.1.1986 auf Ziff 4.2 der Ordnung Nr 1/86 vom 1.1.1986 ≪Gleichbesoldungsordnung der Zollverwaltung der DDR in der Fassung vom 1.1.1986≫) sich inhaltlich entsprechen, zeigt die Beschwerdebegründung nicht auf.
Eine Klärungsbedürftigkeit der die Volkspolizei betreffenden DDR-Vorschriften ist auch nicht mit dem Vorbringen schlüssig dargetan, eine ungleiche Behandlung der Angehörigen der vorgenannten Sonderversorgungssysteme verstoße gegen Art 3 Abs 1 GG. Die Beeinträchtigung des Art 3 Abs 1 GG setzt eine Ungleichbehandlung von wesentlich Gleichem oder eine Gleichbehandlung von wesentlich Ungleichem voraus (stRspr, vgl nur BVerfGE 116, 164, 180). Ob die im hiesigen Zusammenhang maßgeblichen DDR-Vorschriften der vorgenannten Sonderversorgungssysteme wesentlich gleich sind, hat die Beschwerdebegründung nicht dargelegt.
Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (vgl § 160a Abs 4 S 2 Halbs 2 SGG).
Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 Abs 1 SGG.
Fundstellen
Dokument-Index HI12641611 |