Verfahrensgang

SG Dresden (Entscheidung vom 15.11.2018; Aktenzeichen S 34 AS 6378/14)

Sächsisches LSG (Urteil vom 30.08.2022; Aktenzeichen L 4 AS 1154/18)

 

Tenor

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Sächsischen Landessozialgerichts vom 30. August 2022 wird als unzulässig verworfen.

Der Antrag der Klägerin, ihr zur Durchführung des Verfahrens der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem bezeichneten Urteil Prozesskostenhilfe zu bewilligen und Rechtsanwalt W beizuordnen, wird abgelehnt.

Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

1. Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig, weil ein Zulassungsgrund (§ 160 Abs 2 SGG) nicht in der erforderlichen Weise dargelegt bzw bezeichnet worden ist (§ 160a Abs 2 Satz 3 SGG). Die Beschwerde ist daher ohne Zuziehung ehrenamtlicher Richter zu verwerfen (§ 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2, § 169 SGG).

a) Grundsätzliche Bedeutung (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG) hat eine Rechtssache nur, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die über den Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Die Darlegung einer grundsätzlichen Bedeutung erfordert, dass eine konkrete Rechtsfrage klar formuliert wird. Weiter muss ihre (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit, ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit im jeweiligen Rechtsstreit (Entscheidungserheblichkeit) sowie die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der angestrebten Entscheidung (sog Breitenwirkung) aufgezeigt werden (stRspr; vgl etwa BSG vom 25.9.2002 - B 7 AL 142/02 B - SozR 3-1500 § 160a Nr 34 S 70 mwN).

Diese Voraussetzungen liegen hier schon deswegen nicht vor, weil die Klägerin keine konkrete Rechtsfrage benannt hat. Auch sonst hat sie ihre Annahme, die Rechtssache habe grundsätzliche Bedeutung, nicht begründet.

b) Eine Abweichung (Divergenz) iS von § 160 Abs 2 Nr 2 SGG ist nur dann hinreichend dargelegt, wenn aufgezeigt wird, mit welcher genau bestimmten entscheidungserheblichen rechtlichen Aussage die angegriffene Entscheidung des LSG von welcher ebenfalls genau bezeichneten rechtlichen Aussage des BSG, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes (GmSOGB) oder des BVerfG abweicht. Eine Abweichung liegt nicht schon vor, wenn die angefochtene Entscheidung nicht den Kriterien entsprechen sollte, die das BSG, der GmSOGB oder das BVerfG aufgestellt haben, weil die Unrichtigkeit einer Entscheidung im Einzelfall nicht die Zulassung einer Revision wegen Abweichung rechtfertigt. Erforderlich ist vielmehr, dass das LSG diesen Kriterien widersprochen und über den Einzelfall hinausgehende andere rechtliche Maßstäbe entwickelt hat. Nicht die - behauptete - Unrichtigkeit der Entscheidung im Einzelfall, sondern die fehlende Übereinstimmung im Grundsätzlichen kann die Zulassung wegen Abweichung begründen (stRspr; vgl etwa BSG vom 25.9.2002 - B 7 AL 142/02 B - SozR 3-1500 § 160a Nr 34 S 72; Voelzke in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGG, 2. Aufl 2022, § 160 RdNr 119, Stand 7.11.2022).

Diese Anforderungen sind ebenfalls nicht erfüllt. Die Klägerin behauptet lediglich, das LSG sei von "der höchstrichterlichen Rechtsprechung" abgewichen, konkretisiert diesen Vorwurf aber nicht.

c) Nach § 160 Abs 2 Nr 3 SGG ist die Revision zuzulassen, wenn ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann; der geltend gemachte Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung der §§ 109 (Anhörung eines bestimmten Arztes) und 128 Abs 1 Satz 1 SGG (freie richterliche Beweiswürdigung) und auf eine Verletzung des § 103 SGG (Aufklärung des Sachverhalts von Amts wegen) nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Wer eine Nichtzulassungsbeschwerde auf diesen Zulassungsgrund stützt, muss zu seiner Bezeichnung (§ 160a Abs 2 Satz 3 SGG) die diesen Verfahrensmangel des LSG (vermeintlich) begründenden Tatsachen substantiiert dartun, also die Umstände schlüssig darlegen, die den entscheidungserheblichen Mangel ergeben sollen (stRspr; siehe bereits BSG vom 29.9.1975 - 8 BU 64/75 - SozR 1500 § 160a Nr 14; Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 13. Aufl 2020, § 160a RdNr 16 mwN). Darüber hinaus ist aufzuzeigen, dass und warum die Entscheidung - ausgehend von der Rechtsansicht des LSG - auf dem Mangel beruhen kann, also die Möglichkeit der Beeinflussung des Urteils besteht (stRspr; vgl bereits BSG vom 18.2.1980 - 10 BV 109/79 - SozR 1500 § 160a Nr 36).

Die Klägerin bezeichnet indes auch einen Verfahrensfehler nicht hinreichend. Ihre Behauptung, der 4. Senat des LSG sei für die Entscheidung nicht zuständig gewesen und möglicherweise sei der Geschäftsverteilungsplan manipuliert, lässt sich anhand der unsubstantiierten Begründung in der Beschwerdeschrift in keiner Weise nachvollziehen. Soweit die Klägerin rügt, das LSG habe ihr im Berufungsverfahren die beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten nicht vollständig zur Akteneinsicht übersandt, wird weder konkretisiert, welche Unterlagen ihr unbekannt geblieben noch inwieweit diese für die Entscheidung des LSG von Bedeutung gewesen sind. Auch der Hinweis auf den erst nach dem Urteil ergangenen PKH-Beschluss lässt einen Verfahrensmangel des LSG nicht erkennen, weil nicht vorgetragen wird, wann die Klägerin einen (entscheidungsreifen) PKH-Antrag für das Berufungsverfahren gestellt hat. Auch wird nicht vorgetragen, weshalb der im Berufungsverfahren anwaltlich vertretenen Klägerin hierdurch Verfahrensrechte abgeschnitten, insbesondere ihr Recht auf rechtliches Gehör verletzt wurde.

2. Die von der anwaltlich vertretenen Klägerin angekündigte Ergänzung der Beschwerdebegründung kommt nach Ablauf der antragsgemäß verlängerten Beschwerdebegründungsfrist nicht mehr in Betracht. Dass das Mandat der Prozessbevollmächtigten auf die Einlegung (und vorläufige Begründung) der Beschwerde beschränkt war, ist ihren Schriftsätzen nicht zu entnehmen, sodass die gesetzliche Frist für die Beschwerdebegründung zu wahren war (vgl BSG vom 27.6.1975 - 10 BV 35/75 - BSGE 40, 111 = SozR 1500 § 160a Nr 8; BSG vom 5.8.2002 - B 11 AL 137/02 B). Weil die beabsichtigte Rechtsverfolgung demnach keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§ 73a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 114 Abs 1 Satz 1 ZPO), ist der Klägerin auch keine PKH zu bewilligen. Damit entfällt zugleich die Möglichkeit der Beiordnung eines Rechtsanwalts (§ 73a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 121 Abs 1 ZPO).

3. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 Abs 1 Satz 1, Abs 4 SGG.

Meßling

Burkiczak

B. Schmidt

 

Fundstellen

Dokument-Index HI15702582

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