Entscheidungsstichwort (Thema)
Rechtsweg bei Streit über Zuzahlungspflicht nach § 184 Abs 3 SGG
Orientierungssatz
Die Selbstbeteiligung des Versicherten nach § 184 Abs 3 RVO steht allein der Krankenkasse zu. Ist der Versicherte nicht in der Lage, diese Selbstbeteiligung zu tragen und hat der Sozialhilfeträger zu leisten, so leistet die Krankenkasse, wenn sie anstelle des Sozialhilfeträgers an den Krankenhausträger zahlt, allenfalls als unzuständiger Leistungsträger iS von § 105 SGB 10. Der Erstattungsanspruch ist vor den allgemeinen Verwaltungsgerichten geltend zu machen.
Normenkette
SGB 10 § 105; RVO § 184 Abs 3; SGG § 51 Abs 1
Verfahrensgang
LSG Nordrhein-Westfalen (Entscheidung vom 27.02.1986; Aktenzeichen L 16 Kr 140/85) |
Gründe
Die Beschwerde der Klägerin ist unbegründet, denn die vorgetragenen Gründe rechtfertigen die Zulassung der Revision nicht.
1) der Rechtsweg zu den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit ist für den streitigen Erstattungsanspruch nicht eröffnet, so daß das Landessozialgericht (LSG) über den streitigen Anspruch zu Recht nicht materiell-rechtlich entschieden hat. Nach § 114 des Sozialgesetzbuches - Verwaltungsverfahren - (SGB X) wäre das nur der Fall, wenn die Klägerin iS von § 102 SGB X vorgeleistete hätte. Ein Erstattungsanspruch nach §§ 103 bis 105 SGB X dagegen ist, wenn er gegen einen Sozialhilfeträger gerichtet ist, vor den allgemeinen Verwaltungsgerichten geltend zu machen. Mit der Zahlung des nach § 184 Abs 3 Reichsversicherungsordnung (RVO) von dem Versicherten an das Krankenhaus zu entrichtenden Betrages, hat die Klägerin keine Sozialleistung iS des § 102 SGB X erbracht. Wie das LSG insoweit zutreffend ausgeführt hat, setzt § 43 SGB I voraus, daß Streit darüber besteht, wer von mehreren Leistungsträgern leistungspflichtig ist. Die Leistungspflicht der Klägerin kommt aber keinesfalls in Betracht, denn sie hat niemals Sozialhilfeleistungen zu erbringen. Auch ein Streit über die Verpflichtung nach § 184 Abs 3 RVO kommt als Rechtfertigung einer gesetzlichen Vorleistung nach § 43 SGB I nicht in Betracht. Abgesehen davon, daß es sich dabei nicht um eine Sozialleistung handelt, kommt die Klägerin keinesfalls als leistungspflichtig in Betracht, denn Gläubiger dieser Leistung ist nicht der Krankenhausträger, sondern die Klägerin selbst. Sie hat lediglich kostenfreie Krankenhausbehandlung zu gewähren, das heißt, den mit dem Krankenhausträger vereinbarten vollen Pflegesatz zu leisten (SozR 2200 § 172 Nr 1 S 3). Die Selbstbeteiligung des Versicherten nach § 184 Abs 3 RVO steht allein der Krankenkasse zu. Ist der Versicherte nicht in der Lage, diese Selbstbeteiligung zu tragen und hat der Sozialhilfeträger zu leisten, so leistet die Krankenkasse, wenn sie anstelle des Sozialhilfeträgers an den Krankenhausträger zahlt, allenfalls als unzuständiger Leistungsträger iS von § 105 SGB X.
2) Die Rüge der Klägerin, das LSG hätte mit dem angefochtenen Urteil die Unzulässigkeit der Klage im Tenor zum Ausdruck bringen müssen, ist ebenfalls unbegründet. Das LSG konnte - auch bei unzulässiger Klage - die unbegründete Berufung nur - wie geschehen - zurückweisen und nur in den Gründen darstellen, daß die Abweisung der Klage durch das Sozialgericht (SG) aus prozessualen Gründen rechtmäßig war.
3) Es kann dahingestellt bleiben, ob eine Beschwerde darauf gestützt werden kann, einem anderen Beteiligten - hier der Beigeladenen - sei das rechtliche Gehör nicht gewährt worden. Diese Rüge der Klägerin ist schon deshalb unzulässig, weil sie nicht dargelegt hat, welches Vorbringen verhindert worden ist und inwiefern das angefochtene Urteil darauf beruhen kann (vgl BSG SozR 1500 § 160a Nr 36).
4) Auch die Rüge, das rechtliche Gehör der Klägerin sei verletzt, greift nicht durch. Abgesehen davon, daß auch insoweit der Vortrag fehlt, welches Vorbringen verhindert wurde, ist der Klägerin das rechtliche Gehör dadurch gewährt worden, daß sie in der mündlichen Verhandlung, nachdem sie auf die Möglichkeit der Unzulässigkeit des Rechtsweges hingewiesen worden war, dazu hätte Stellung nehmen können. Sie ist durch die Entscheidung des LSG nicht "überrascht" worden.
5) Das LSG hat im übrigen auch nicht die §§ 128 Abs 1 Satz 2 oder § 136 Abs 1 Nr 6 Sozialgerichtsgesetz (SGG) verletzt. Entgegen der Ansicht der Klägerin läßt das angefochtene Urteil die tragenden Gründe sehr deutlich erkennen.
6) Die Divergenzrüge der Klägerin führt ebenfalls nicht zur Zulassung der Revision. Abgesehen davon, daß die Beschwerde die angeblich divergierenden Rechtssätze nicht hinreichend klar bezeichnet, ist eine Divergenz auch nicht erkennbar. Die zitierten Urteile des Bundessozialgerichts (BSG), von denen das LSG abgewichen sein soll, enthalten keine Aussage zum Rechtsweg in Fällen der vorliegenden Art.
7) Schließlich macht die Klägerin zu Unrecht geltend, die Rechtssache habe grundsätzliche Bedeutung (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG). Auch wenn die von der Klägerin genannten Rechtsfragen im Hinblick auf das Vorleistungsrecht oder die Vorleistungspflicht nach § 43 SGB I hinreichend deutlich bezeichnet und über den Einzelfall hinaus materiell-rechtlich bedeutsam wären, könnten sie nicht zur Zulassung der Revision führen, denn sie könnten in einem Revisionsverfahren vor dem BSG nicht geklärt werden, weil eine Sachentscheidung wegen des verschlossenen Rechtsweges nicht möglich wäre.
Soweit die Frage der Anwendbarkeit des § 43 SGB X bei Zahlungen nach § 184 Abs 3 RVO Voraussetzung des Rechtsweges für einen Erstattungsanspruch nach § 102 SGB X ist, sind die genannten Rechtsfragen bereits unter 1) beantwortet.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Fundstellen