Verfahrensgang
SG Itzehoe (Entscheidung vom 15.06.2016; Aktenzeichen S 15 SO 125/13) |
Schleswig-Holsteinisches LSG (Urteil vom 27.11.2019; Aktenzeichen L 9 SO 39/16) |
Tenor
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 27. November 2019 wird zurückgewiesen.
Der Antrag der Klägerin, ihr für das Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde gegen das bezeichnete Urteil Prozesskostenhilfe zu bewilligen und Rechtsanwältin K. M., I., beizuordnen, wird abgelehnt.
Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe
I
Im Streit ist die Gewährung von Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung (Grundsicherungsleistungen) nach dem 4. Kapitel des Sozialgesetzbuchs Zwölftes Buch - Sozialhilfe - (SGB XII).
Die Klägerin bezieht eine Altersrente und eine Witwenrente von der Deutschen Rentenversicherung (DRV) Bund. Sie bewohnt eine Wohnung, die im Eigentum ihres Sohnes steht. Ihren Antrag auf Gewährung von Grundsicherungsleistungen ab dem 1.7.2012 lehnte der Beklagte ab, weil ihr Einkommen ihren Bedarf übersteige (Bescheid vom 20.9.2012; Widerspruchsbescheid vom 4.6.2013). Die Klage hat keinen Erfolg gehabt (Urteil des Sozialgerichts ≪SG≫ Itzehoe vom 15.6.2016; Urteil des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts ≪LSG≫ vom 27.11.2019). Zur Begründung seiner Entscheidung hat das LSG ausgeführt, selbst wenn ein Mehrbedarf wegen kostenaufwändiger Ernährung zu berücksichtigen sei, könne die Klägerin mit ihrem Einkommen ihre Bedarfe decken; denn ein Bedarf wegen Kosten der Unterkunft bestehe über die berücksichtigten Bedarfe für Betriebskosten und Heizung nicht. Grund für die regelmäßigen "Mietzahlungen" der Klägerin an ihren Sohn sei nicht der als Formularvertrag abgeschlossene Mietvertrag, sondern die Tilgung von anderweitigen Schulden wegen eines vom Sohn 2005/2006 gewährten Darlehens.
Gegen die Nichtzulassung der Revision in dem bezeichneten Urteil hat die Klägerin Beschwerde eingelegt. Sie macht eine Divergenz zur Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) geltend sowie einen Verfahrensmangel. Zudem beantragt sie die Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) unter Beiordnung ihrer Prozessbevollmächtigten.
II
Die Beschwerde ist unzulässig und daher gemäß § 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm § 169 Satz 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter zu verwerfen. Ihre Begründung entspricht nicht den aus § 160a Abs 2 Satz 3 SGG abzuleitenden Anforderungen; weder der geltend gemachte Zulassungsgrund der Divergenz (§ 160 Abs 2 Nr 2 SGG) noch der Zulassungsgrund des Verfahrensmangels (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG) ist in der gebotenen Weise bezeichnet worden.
Wer eine Rechtsprechungsdivergenz (§ 160 Abs 2 Nr 2 SGG) entsprechend den gesetzlichen Anforderungen darlegen will, muss entscheidungstragende abstrakte Rechtssätze in der Entscheidung des Berufungsgerichts einerseits und in der herangezogenen höchstrichterlichen Entscheidung des BSG, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes (GmSOGB) oder des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) andererseits gegenüberstellen und dazu ausführen, weshalb beide miteinander unvereinbar sein sollen (vgl zB BSG vom 28.7.2009 - B 1 KR 31/09 B - RdNr 4; BSG vom 28.6.2010 - B 1 KR 26/10 B - RdNr 4; BSG vom 22.12.2010 - B 1 KR 100/10 B - RdNr 4 mwN). Demgegenüber kann die von der Klägerin behauptete Divergenz der Entscheidung des LSG von einer Entscheidung des BGH (vom 16.10.2012 - X ZR 37/12 - BGHZ 195, 126) nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut von vornherein die Zulassung der Revision nicht begründen, weil das BSG zur Wahrung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung in grundsätzlichen Fragen insoweit nicht berufen ist. Ohnehin macht die Klägerin - ohne entscheidungstragende abstrakte Rechtssätze des Berufungsgerichts bzw der herangezogenen höchstrichterlichen Entscheidung zu nennen - nur geltend, das LSG habe die vom BGH aufgestellten Grundsätze der Auslegung von Willenserklärungen und Verträgen (§§ 133, 157 Bürgerliches Gesetzbuch ≪BGB≫) unzutreffend angewendet. Auch dies genügt für die Bezeichnung einer Divergenz nicht. Erforderlich ist Vortrag dazu, dass das LSG bewusst einen abweichenden Rechtssatz aufgestellt und nicht etwa lediglich fehlerhaft das Recht angewendet hat. Die Unrichtigkeit der Entscheidung im Einzelfall kann die Zulassung der Revision aber nicht begründen.
Soweit die Klägerin in ihrem Vortrag auf Defizite in den Ermittlungen des LSG und dabei insbesondere die Verpflichtung zur Beweiserhebung durch Vernehmung eines Zeugen hinweist, fehlt es an einer formgerechten Bezeichnung der Verletzung der Verpflichtung des LSG zur Sachaufklärung (§ 103 SGG). Nach § 160 Abs 2 Nr 3 SGG ist die Revision nur zuzulassen, wenn ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann; der Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung von § 109 SGG und § 128 Abs 1 Satz 1 SGG (Grundsatz der freien richterlichen Beweiswürdigung) und auf eine Verletzung des § 103 SGG (Amtsermittlungsgrundsatz) nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Um einen Verfahrensmangel in diesem Sinne geltend zu machen, müssen die Umstände bezeichnet werden, die den entscheidungserheblichen Mangel ergeben sollen (vgl zB BSG vom 29.9.1975 - 8 BU 64/75 - SozR 1500 § 160a Nr 14; vom 24.3.1976 - 9 BV 214/75 - SozR 1500 § 160a Nr 24 und vom 18.2.1980 - 10 BV 109/79 - SozR 1500 § 160a Nr 36). Hieran fehlt es.
Wer sich - wie die Klägerin - auf eine Verletzung der Amtsermittlungspflicht nach § 103 SGG stützt, muss ua einen für das Revisionsgericht ohne Weiteres auffindbaren Beweisantrag bezeichnen, die Rechtsauffassung des LSG wiedergeben, aufgrund der bestimmte Tatsachen als klärungsbedürftig hätten erscheinen müssen und die von dem betreffenden Beweisantrag berührten Tatumstände darlegen, die zu weiterer Sachaufklärung Anlass gegeben hätten (vgl zB BSG vom 12.12.2003 - B 13 RJ 179/03 B - SozR 4-1500 § 160a Nr 3 mwN). Hierzu gehört nach ständiger Rechtsprechung des BSG die Darlegung, dass ein anwaltlich vertretener Beteiligter - wie hier die Klägerin - einen Beweisantrag bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung gestellt und noch zumindest hilfsweise aufrechterhalten hat (vgl dazu BSG vom 20.9.2013 - B 8 SO 15/13 B - RdNr 10; BSG vom 29.3.2007 - B 9a VJ 5/06 B - BSG SozR 4-1500 § 160 Nr 13 RdNr 11 mwN) oder einen im schriftlichen Verfahren gestellten Beweisantrag aufrechterhalten hat (BSG vom 18.12.2000 - B 2 U 336/00 B - SozR 3-1500 § 160 Nr 31 S 52; BSG vom 18.2.2003 - B 11 AL 273/02 B - juris RdNr 3). Ein solcher Vortrag fehlt. Die Klägerin trägt zwar vor, im Laufe des Verfahrens den Zeugen mehrfach benannt zu haben. Damit ist aber nicht zugleich dargelegt, dass ein förmlicher Beweisantrag gestellt und bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung aufrechterhalten worden ist.
Da die beabsichtigte Rechtsverfolgung aus den dargelegten Gründen keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (vgl § 73a Abs 1 SGG, § 114 Abs 1 Zivilprozessordnung ≪ZPO≫), ist der Klägerin keine PKH zu bewilligen. Mit der Ablehnung von PKH entfällt auch die Beiordnung eines Rechtsanwalts (§ 121 ZPO).
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Fundstellen
Dokument-Index HI14206900 |