Verfahrensgang

Bayerisches LSG (Urteil vom 09.11.1994; Aktenzeichen L 12 Ka 76/93)

 

Tenor

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 9. November 1994 wird zurückgewiesen.

Der Kläger hat der Beklagten deren Aufwendungen für das Beschwerdeverfahren zu erstatten. Im übrigen sind Kosten nicht zu erstatten.

 

Gründe

Die Nichtzulassungsbeschwerde ist teils unzulässig, teils unbegründet.

Soweit die Beschwerde geltend macht, das Urteil des Landessozialgerichts (LSG) weiche von den Entscheidungen des Senats vom 1. August 1991 (BSGE 69, 166 ff = SozR 3-2500 § 87 Nr 2) und vom 4. Mai 1994 (SozR 3-5533 Nr 1460 Nr 1) ab (§ 160 Abs 2 Nr 2 Sozialgerichtsgesetz ≪SGG≫), ist sie unzulässig, weil die Divergenz nicht hinreichend bezeichnet ist (§ 160a Abs 2 Satz 3 SGG). Eine Abweichung iS der genannten Vorschrift liegt nur vor, wenn das angefochtene Urteil auf einer bestimmten Rechtsauffassung beruht und diese zu der in einer Entscheidung des Bundessozialgerichts (BSG), des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts niedergelegten Rechtsansicht in Widerspruch steht. In der Beschwerdebegründung muß deshalb dargelegt werden, mit welcher konkreten Rechtsaussage das LSG von welchem näher bezeichneten Rechtssatz der höchstrichterlichen Rechtsprechung abgewichen ist. Diesen Anforderungen genügen die Darlegungen des Klägers nicht. Er benennt keinen abstrakten Rechtssatz, den das LSG seiner Entscheidung zugrunde gelegt hat und der vom Senat daraufhin geprüft werden könnte, ob er zu den Rechtsausführungen in den Urteilen vom 1. August 1991 und 4. Mai 1994 in Widerspruch steht. Die These des Klägers, das LSG habe seine Entscheidung auf die Entstehungsgeschichte der Nr 5301 Bewertungsmaßstab für kassenärztliche Leistungen (BMÄ) gestützt und sich dadurch in Widerspruch zu den oben genannten Senatsurteilen gestellt, macht die behauptete Divergenz nicht hinreichend deutlich. Das LSG hat sich ausdrücklich auf die auch vom Kläger angeführte Senatsrechtsprechung bezogen und sie durch Wiedergabe der Grundsätze des Senatsurteils vom 4. Mai 1994 (SozR 3-5533 Nr 2000 Nr 1) der eigenen Entscheidung zugrunde gelegt. Wenn der Kläger geltend macht, das LSG habe sein Urteil auch auf Umstände gestützt, die für die Einführung der Nrn 5300/5301 in den Bewertungsmaßstab zum 1. Juli 1990 maßgeblich gewesen sind, wird allenfalls dargelegt, das LSG habe die einschlägige Rechtsprechung des Senats nicht hinreichend beachtet, also in der Sache falsch entschieden. Die unrichtige oder unterbliebene Anwendung eines vom Revisionsgericht entwickelten und im angefochtenen Urteil nicht in Frage gestellten Rechtsgrundsatzes auf den zu entscheidenden Einzelfall bedeutet aber noch keine Abweichung iS der Zulassungsvorschrift (vgl Bundesverwaltungsgericht Buchholz 310 § 132 VwGO Nr 260).

Soweit sich die Beschwerde auf die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache beruft, ist sie zulässig, aber unbegründet. Wegen grundsätzlicher Bedeutung iS des § 160 Abs 2 Nr 1 SGG kann die Revision nur zugelassen werden, wenn die vom Beschwerdeführer aufgezeigten Rechtsfragen klärungsfähig und klärungsbedürftig sind. Diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt.

Der Kläger hält für rechtsgrundsätzlich bedeutsam, unter welchen Voraussetzungen eine verfassungskonforme Auslegung von BMÄ und E-GO geboten ist (1.), ob es mit grundgesetzlichen Bestimmungen vereinbar ist, von mehreren einschlägigen, einander aber ausschließenden Ziffern der Gebührenordnung stets nur die geringer bewertete Position anzuwenden (2.), weiter, ob dies auch dann gilt, wenn die vom Arzt angewandte Untersuchungsmethode größeren Aufwand als andere Verfahren verursacht (3.) und wenn der Arzt im Vertrauen auf den Fortbestand der günstigeren Abrechnungsmöglichkeit erhebliche Dispositionen getroffen hat (4.). Die Rechtsfragen zu 1) und 2) wären in dem vom Kläger angestrebten Revisionsverfahren nicht klärungsfähig, weil sie sich nur stellen würden, wenn die Annahme des Klägers zuträfe, nach Inkrafttreten der Nrn 5300/5301 BMÄ/E-GO zum 1. Juli 1990 könne die Knochendichtemessung grundsätzlich sowohl nach diesen Nummern wie auch weiterhin nach Nr 5203 BMÄ/E-GO (Computertomogramm des Skeletts) abgerechnet werden. Diese Annahme ist indessen nicht gerechtfertigt, denn das LSG hat aus dem Wortlaut der maßgeblichen Leistungslegenden und dem Verhältnis der Nrn 5300/01 BMÄ/E-GO und 5203 BMÄ/E-GO zueinander geschlossen, daß ausschließlich die Nrn 5300/01 zur Anwendung kommen können. Die Rechtsausführungen des LSG zu dieser vorrangigen Frage stehen im Einklang mit der jüngsten Rechtsprechung des Senats zur Auslegung der Gebührenordnungen. Danach sind Verwaltung und Gerichte berechtigt und verpflichtet, durch systematische Auslegung der Gebührenordnungen insbesondere zu ermitteln, wo spezielle Regelungen generellen Normen vorgehen (vgl BSGE 69, 166, 168 = SozR 3-2500 § 87 Nr 2 S 6), und sind gehalten, geeignete Hilfsmittel bei der Auslegung heranzuziehen, die eindeutige Rückschlüsse auf das von den Vertragspartnern Gewollte zulassen (vgl SozR 3-5533 Nr 2000 Nr 1 S 2).

Die Rechtsfragen zu 3) und 4) sind nicht klärungsbedürftig, weil ihre Beantwortung praktisch außer Frage steht. Es liegt auf der Hand und bedarf keiner Klärung im Revisionsverfahren, daß der Kläger angesichts des verbindlichen Charakters des Einheitlichen Bewertungsmaßstabs ≪EBM≫ (§ 87 Abs 2 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch ≪SGB V≫) nicht beanspruchen kann, die Knochendichtemessung über den 1. Juli 1990 hinaus als computertomographische Leistung nach Nr 5302 abzurechnen, nachdem der Bewertungsausschuß entschieden hat, daß ab dem 1. Juli 1990 diese Leistung unabhängig von dem zur Anwendung kommenden Meßverfahren nur noch nach den Nrn 5300/5301 BMÄ/E-GO abzurechnen ist. Es existiert kein bundesrechtlicher Rechtssatz, wonach die Bewertungsausschüsse generell gehindert sein könnten, in den Gebührenordnungen Positionen für ärztliche Leistungen zu normieren, die nach einem einheitlichen Punktwert honoriert werden, ohne daß es darauf ankommt, mit Hilfe welcher technischer Verfahren die Leistung erbracht wird. Was zu gelten hat, wenn einem Vertragsarzt von seiner Kassenärztlichen Vereinigung die Zusage erteilt worden ist, eine bestimmte ärztliche Leistung nach einer bestimmten Ziffer der Gebührenordnung abrechnen zu dürfen, und die Auslegung dieser Zusage – was allerdings wenig naheliegend sein dürfte – ergeben sollte, daß sie auch für den Fall einer Umgestaltung der Abrechnungspositionen durch den EBM gilt, bedarf keiner Entscheidung, weil ein solcher Fall hier nicht vorliegt.

Die Kostenentscheidung ergeht in entsprechender Anwendung von § 193 Abs 1 und 4 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1174220

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