Entscheidungsstichwort (Thema)

Nichtzulassungsbeschwerde. Selbständige Tätigkeit für den eigenen Betrieb. Abhängige Beschäftigung in einem fremden Betrieb. Eintragung im Gewerberegister. Gemeinschaft bürgerlichen Rechts. Rechtsmachtverhältnisse. Grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache. Abwägungsentscheidung

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Die Frage, ob zur Beantwortung der Frage, ob eine selbständige Tätigkeit für den eigenen Betrieb oder eine abhängige Beschäftigung in einem fremden Betrieb vorliegt, allein auf die Eintragung im Gewerberegister abgestellt werden und dabei offengelassen bleiben darf, ob nicht tatsächlich eine GbR besteht, in deren Rahmen die zu beurteilende Tätigkeit erbracht wird, obwohl sich dadurch von Gesetzes wegen andere Rechtsmachtverhältnisse ergeben (§§ 705 ff. BGB), wird der Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache nicht in der gebotenen Weise dargelegt, wenn sich die Klägerin nicht mit der Struktur der Abwägungsentscheidung des LSG über das für und wider einer Beschäftigung/selbstständigen Tätigkeit sprechende Umstände nicht näher befasst und nicht darlegt, dass die Abwägung in einem solchen Fall zu einem für sie günstigen Ergebnis führen würde.

2. Das BSG hat bereits dargelegt, dass für die Trägerschaft eines Unternehmens durch eine (natürliche) Einzelperson im Kern nichts anderes gelten kann als in den Fällen, in denen eine juristische Person des Privatrechts Unternehmensträger ist.

3. Indem die Klägerin ihre Angriffe lediglich gegen die Rechtsauffassung der Vorinstanz und richtet und dieser ihre eigene, hiervon abweichende Bewertung gegenüber stellt, kann eine Nichtzulassungsbeschwerde wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache nicht gestützt werden.

 

Normenkette

SGG § 160 Abs. 2, § 160a Abs. 2 S. 3, Abs. 4 S. 2, § 169 Sätze 2-3; BGB § 705

 

Verfahrensgang

LSG Baden-Württemberg (Urteil vom 27.04.2016; Aktenzeichen L 5 R 1753/15)

SG Freiburg i. Br. (Aktenzeichen S 20 R 2125/14)

 

Tenor

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 27. April 2016 wird als unzulässig verworfen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens mit Ausnahme der Kosten der Beigeladenen.

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 94 137,22 Euro festgesetzt.

 

Gründe

Die Beteiligten streiten in dem der Nichtzulassungsbeschwerde zu Grunde liegenden Rechtsstreit darüber, ob die Klägerin für die Beigeladenen zu 1. bis 3. wegen von diesen in der Zeit vom 1.1.2007 bis 31.12.2010 für die Rechtsvorgängerin der Klägerin (im Folgenden: Klägerin), ein als Einzelunternehmen geführtes Fitnessstudio, ausgeübten Tätigkeiten als Beschäftigte nachträglich Gesamtsozialversicherungsbeiträge, Umlagen und Säumniszuschläge in Höhe von insgesamt 94 137,22 Euro zu entrichten hat.

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des LSG Baden-Württemberg vom 27.4.2016 ist in entsprechender Anwendung von § 169 S 2 und 3 SGG als unzulässig zu verwerfen. Die Klägerin hat in der Begründung des Rechtsmittels entgegen § 160a Abs 2 S 3 SGG keinen Zulassungsgrund hinreichend dargelegt oder bezeichnet.

Das BSG darf gemäß § 160 Abs 2 SGG die Revision gegen eine Entscheidung des LSG nur dann zulassen, wenn

- die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (Nr 1) oder

- das angefochtene Urteil von der höchstrichterlichen Rechtsprechung abweicht (Nr 2) oder

- bestimmte Verfahrensmängel geltend gemacht werden (Nr 3).

Mit der Behauptung, die Berufungsentscheidung sei inhaltlich unrichtig, lässt sich die Zulassung der Revision demgegenüber nicht erreichen.

1. Die Klägerin stützt sich in ihrer Beschwerdebegründung vom 30.7.2016 allein auf den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG).

Hierzu muss die Beschwerde ausführen, welche Rechtsfrage sich ernsthaft stellt, deren Klärung über den zu entscheidenden Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder Rechtsfortbildung im allgemeinen Interesse erforderlich (Klärungsbedürftigkeit) und deren Klärung durch das Revisionsgericht zu erwarten (Klärungsfähigkeit) ist (BSG SozR 1500 § 160a Nr 60 und 65; BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 16 mwN; vgl auch BVerwG NJW 1999, 304 und BVerfG SozR 3-1500 § 160a Nr 31). Die Beschwerdebegründung hat deshalb auszuführen, inwiefern die Rechtsfrage nach dem Stand von Rechtsprechung und Lehre nicht ohne Weiteres zu beantworten ist, und den Schritt darzustellen, den das Revisionsgericht zur Klärung der Rechtsfrage im allgemeinen Interesse vornehmen soll (BSG SozR 1500 § 160a Nr 31).

a) Die Klägerin wirft auf S 4 ihrer Beschwerdebegründung folgende Frage auf:

"Darf zur Beantwortung der Frage, ob eine selbständige Tätigkeit für den eigenen Betrieb oder eine abhängige Beschäftigung in einem fremden Betrieb vorliegt, allein auf die Eintragung im Gewerberegister abgestellt werden und dabei offengelassen bleiben, ob nicht tatsächlich eine GbR besteht, in deren Rahmen die zu beurteilende Tätigkeit erbracht wird, obwohl sich dadurch von Gesetzes wegen andere Rechtsmachtverhältnisse ergeben (§§ 705 ff. BGB)?"

Zur Erläuterung, die sich ausschließlich auf das Statusverhältnis des Beigeladenen zu 1. zu ihr - der Klägerin - bezieht, analysiert sie zunächst das Berufungsurteil (S 2 ff der Beschwerdebegründung: Feststellungen, fehlende Feststellungen, bloße Wertungen des LSG) und wendet sich sodann punktuell der Begründung des LSG zum Topos "Einzelunternehmen, Alleininhaberschaft" zu. Zum ersten Teil der (zweigeteilten) Frage trägt die Klägerin vor, ihre Alleininhaberschaft an dem Betrieb habe das Berufungsgericht (gar) nicht begründet (S 4 der Beschwerdebegründung), ein Anhaltspunkt für die Behauptung, es handele sich um ein Einzelunternehmen in ihrem Eigentum, lasse sich dem Urteil nicht entnehmen (S 8 der Beschwerdebegründung) bzw das LSG benenne nicht, welche Tatsachen diese Feststellung vom Alleineigentum rechtfertigten (S 8 der Beschwerdebegründung); das Berufungsgericht setze die Alleininhaberschaft jedoch offensichtlich (!) aufgrund der Tatsache voraus, dass sie - die Klägerin - im Gewerberegister eingetragen sei (S 4 der Beschwerdebegründung). Mit Blick auf den zweiten Teil der aufgeworfenen Frage legt die Klägerin nach deren Auswertung dar, dass die vom Berufungsgericht herangezogenen Entscheidungen des BSG vom 29.7.2015 (B 12 KR 23/13 R - BSGE 119, 216 = SozR 4-2400 § 7 Nr 24; B 12 R 1/15 R = Juris) und vom 26.8.1975 (1 RA 93/73 - BSGE 40, 161 = SozR 2200 § 1266 Nr 3) für die Beurteilung des vorliegenden Falles ua deshalb nicht einschlägig seien, weil sie "handelsrechtlich verfasste Gesellschaften" (S 5 ff der Beschwerdebegründung), dh die Gesellschaftsform der GmbH bzw die Verhältnisse eines GmbH-Geschäftsführers beträfen, nicht aber eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts. Im Folgenden hält die Klägerin die Rechtsausführungen des LSG für unzutreffend (S 9 ff der Beschwerdebegründung) und meint, dieses habe das Vorliegen einer "Innen-GbR" annehmen, diese bei der sozialversicherungsrechtlichen Beurteilung berücksichtigen, also die Frage der Mitunternehmerschaft des Beigeladenen zu 1. zwingend prüfen müssen (S 11 der Beschwerdebegründung).

Mit diesem Vorbringen legt die Klägerin den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG) nicht in der gebotenen Weise dar.

Was den ersten Teil der gestellten Frage zum Topos "Bedeutung der Eintragung im Gewerberegister" betrifft, so legt die Klägerin bereits die Klärungsfähigkeit dieser Frage nicht hinreichend dar. Bei aus ihrer Sicht fehlender Begründung des LSG spekuliert sie über die Gründe, die die Vorinstanz dazu bewogen haben könnten, sie als alleinige Unternehmensinhaberin anzusehen, und unterstellt dem LSG, es habe seine Beurteilung einzig auf die auf sie lautende Gewerberegistereintragung gestützt. Zur Begründung, ob die aufgeworfene Frage für den Streitfall rechtserheblich ist, hätte sich die Klägerin mit der Prämisse ihrer Frage näher auseinandersetzen und erklären müssen, woraus sie entnimmt, dass die Registereintragung ausschlaggebender Grund für die Annahme ihrer Alleinunternehmerschaft gewesen ist. An der gebotenen Darlegung der Klärungsfähigkeit fehlt es auch deshalb, weil die Klägerin nicht begründet, warum sich eine Beantwortung der von ihr aufgeworfenen Frage in ihrem Sinne auf die vom Berufungsgericht vorgenommene Abwägungsentscheidung auswirken würde. Das LSG hat ersichtlich (S 27 ff das Urteilsabdrucks) für und wider eine Beschäftigung/selbstständige Tätigkeit sprechende Umstände gegeneinander abgewogen. Mit der Struktur dieser Abwägungsentscheidung befasst sich die Klägerin nicht näher; sie legt insbesondere nicht dar, dass die Abwägung in einem solchen Fall zu einem für sie günstigen Ergebnis (= Selbstständigkeit des Beigeladenen zu 1.) führen würde.

Hinsichtlich des zweiten Teils der gestellten Frage begründet die Klägerin die Klärungsbedürftigkeit nicht hinreichend. Zwar trifft es zu, dass die von ihr zitierten Entscheidungen des BSG die Rechtsmachtverhältnisse bei Kapitalgesellschaften betreffen. In seinem Urteil vom 30.4.2013 (B 12 KR 19/11 R = SozR 4-2400 § 7 Nr 21) hat das BSG jedoch Ausführungen zu Fragen der Allein- bzw Mitunternehmerschaft in einem - nicht in der Rechtsform einer Kapitalgesellschaft organisierten - Einzelunternehmen gemacht und ausgeführt (RdNr 16): "Für die Trägerschaft eines Unternehmens durch eine (natürliche) Einzelperson kann insoweit im Kern nichts anderes gelten als in den Fällen, in denen eine juristische Person des Privatrechts Unternehmensträger ist". Hierin hat das BSG auch Ausführungen zur Bedeutung einer möglicherweise vorliegenden Innengesellschaft gemacht (BSG SozR 4-2400 § 7 Nr 21 RdNr 17 mwN). Aussagen zur Relevanz einer BGB-Innengesellschaft finden sich außerdem in dem Urteil vom 11.11.2015 (B 12 KR 13/14 R - BSGE 120, 59 = SozR 4-2400 § 7 Nr 26), in dem sich das BSG mit den Auswirkungen von Stimmbindungsverträgen auf die sich aus einem (Kapital)Gesellschaftsvertrag ergebenden Rechtsmachtverhältnisse befasst. Die Klägerin erörtert nicht, warum sich aus diesen höchstrichterlichen Entscheidungen nicht bereits ausreichende Anhaltspunkte zur Beurteilung der von ihr herausgestellten Frage ergeben.

b) Soweit die Klägerin auf S 7 ihrer Beschwerdebegründung außerdem die Frage aufwirft,

"ob und wenn ja, unter welchen Voraussetzungen ein Gesellschafter einer GbR sozialversicherungspflichtig wird,"

erläutert sie diese Frage nicht weiter, legt jedenfalls - im Hinblick auf bereits vorliegende höchstrichterliche Rechtsprechung (siehe oben) - deren Klärungsbedürftigkeit nicht substantiiert dar.

2. Nach alledem richtet die Klägerin ihre Angriffe lediglich gegen die Rechtsauffassung der Vorinstanz und stellt dieser ihre eigene, hiervon abweichende Bewertung gegenüber (S 9 ff der Beschwerdebegründung). Hierauf kann eine Nichtzulassungsbeschwerde wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG) aber nicht gestützt werden.

3. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab, weil sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung beizutragen (§ 160a Abs 4 S 2 Halbs 2 SGG).

4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 197a Abs 1 S 1 Teils 3 SGG iVm § 154 Abs 2, § 162 Abs 3 VwGO.

5. Der Streitwert war für das Beschwerdeverfahren gemäß § 197a Abs 1 S 1 Teils 1 SGG iVm § 63 Abs 2 S 1, § 52 Abs 3, § 47 Abs 1 und 3 GKG in Höhe der Nachforderung festzusetzen.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI10333545

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