Verfahrensgang

Hessisches LSG (Urteil vom 21.07.2017; Aktenzeichen L 4 SO 68/16)

SG Wiesbaden (Entscheidung vom 24.02.2016; Aktenzeichen S 26 SO 127/14)

 

Tenor

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 21. Juli 2017 wird als unzulässig verworfen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Streitwert des Beschwerdeverfahrens wird auf 5000 Euro festgesetzt.

 

Gründe

I

Im Streit ist die Rechtmäßigkeit eines Auskunftsverlangens auf Grundlage von § 117 Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch - Sozialhilfe - (SGB XII).

Die Klägerin ist die Tochter des Heinz H. (im Folgenden H), der vom 21.11.2013 bis zu seinem Tod im Dezember 2016 in einer stationären Einrichtung lebte und dort gepflegt wurde. Für diese Zeit erbrachte der beklagte Träger der Sozialhilfe Leistungen nach dem SGB XII (Bescheid vom 17.2.2014). Er teilte der Klägerin die Erbringung von Sozialhilfeleistungen mit und verlangte von ihr Auskünfte zu ihren Einkommens- und Vermögensverhältnissen bezogen auf den Stichtag 18.2.2014 bis spätestens zum 18.3.2014 (Bescheid vom 18.2.2014; Widerspruchsbescheid vom 23.6.2014). Die Klägerin hat vor dem Sozialgericht (SG) Wiesbaden geltend gemacht, der Bescheid sei mit Ablauf der gesetzten Frist nichtig geworden, jedenfalls sei er rechtswidrig. Das SG hat die Klage abgewiesen (Gerichtsbescheid vom 24.2.2016). Die Klägerin hat beim SG die Ergänzung des Gerichtsbescheids beantragt, weil der von ihr hilfsweise gestellte Feststellungsantrag, dass der Bescheid vom 18.2.2014 rechtswidrig gewesen sei, übergangen worden sei. Das SG hat den Antrag abgelehnt (Ergänzungs-Gerichtsbescheid vom 27.5.2016).

Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid vom 24.2.2016 hat das Hessische Landessozialgericht (LSG) auf die Berichterstatterin übertragen. Die Berufung hat teilweise Erfolg gehabt; das LSG hat den Bescheid vom 18.2.2014 aufgehoben, soweit mit ihm (unter Ziffer 1b) Auskunft über sämtliche Einnahmen und Aufwendungen aus selbständiger Arbeit unter Vorlage der letzten drei Einkommensteuerbescheide verlangt wird. Die Rechtswidrigkeit des Auskunftsverlangens nach der Ziffer 1b führe indes nicht zur Rechtswidrigkeit des Bescheids insgesamt. Das Auskunftsverlangen im Übrigen sei rechtmäßig. Der hilfsweise in der mündlichen Verhandlung gestellte Feststellungsantrag sei unzulässig; über die Berufung gegen den Ergänzungs-Gerichtsbescheid vom 27.5.2016 sei in einem gesonderten Verfahren zu entscheiden (Urteil vom 21.7.2017).

Die Klägerin macht mit ihrer Nichtzulassungsbeschwerde eine grundsätzliche Bedeutung der Sache wegen vier im Einzelnen formulierten Rechtsfragen geltend sowie einen Verfahrensmangel.

II

Die Beschwerde ist unzulässig und daher gemäß § 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm § 169 Satz 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter zu verwerfen. Ihre Begründung entspricht nicht den aus § 160a Abs 2 Satz 3 SGG abzuleitenden Anforderungen an die Darlegung der Revisionszulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung und des Verfahrensfehlers.

Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die - über den Einzelfall hinaus - aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Um der Darlegungspflicht zu genügen, muss eine konkrete Rechtsfrage formuliert und ihre (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit, ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit (Entscheidungserheblichkeit) sowie die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der von ihr angestrebten Entscheidung (sog Breitenwirkung) dargelegt werden (vgl nur BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 34 S 70 mwN).

Wegen aller Rechtsfragen fehlt es vorliegend aber jedenfalls an der Darstellung der abstrakten Klärungsbedürftigkeit. Eine Rechtsfrage ist dann nicht klärungsbedürftig, wenn die Antwort praktisch außer Zweifel steht, sich zB unmittelbar aus dem Gesetz ergibt oder bereits höchstrichterlich geklärt ist. Als bereits höchstrichterlich geklärt ist eine Rechtsfrage auch dann anzusehen, wenn das Revisionsgericht diese zwar noch nicht ausdrücklich entschieden hat, jedoch schon eine oder mehrere höchstrichterliche Entscheidungen ergangen sind, die ausreichende Anhaltspunkte zur Beurteilung der von der Beschwerde als grundsätzlich herausgestellten Rechtsfrage geben (vgl nur BSG Beschluss vom 21.1.1993 - 13 BJ 207/92 - SozR 3-1500 § 160 Nr 8 S 17). Im Hinblick hierauf muss in der Beschwerdebegründung unter Auswertung der Rechtsprechung des BSG zu dem Problemkreis substantiiert vorgetragen werden, dass zu dem angesprochenen Fragenbereich noch keine Entscheidung vorliege oder durch die schon vorliegenden Urteile die hier maßgebende Frage von grundsätzlicher Bedeutung noch nicht beantwortet sei (Krasney/Udsching/Groth, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 7. Aufl 2016, Kap IX RdNr 183 mwN).

Wegen der zunächst gestellten Frage, ob der Übergang des zivilrechtlichen Unterhaltsanspruchs und damit die Berechtigung des Sozialhilfeträgers, Auskünfte vom möglichen Unterhaltsschuldner zu verlangen, voraussetzt, dass die Erbringung von Sozialhilfeleistungen an die leistungsberechtigte Person rechtmäßig erfolgt ist, ist eine solche Darlegung nicht ausreichend erfolgt. Die Klägerin behauptet lediglich, dass wegen der aufgeworfenen Frage im Anwendungsbereich des § 117 Abs 1 SGB XII Streit bestehe, der eine revisionsrechtliche Klärung notwendig erscheinen lasse. Sie nimmt zur Begründung hierfür indes allein auf den Wortlaut des § 94 Abs 1 Satz 1 SGB XII und § 93 Abs 1 Satz 1 SGB XII Bezug (insbesondere auf die dort genannte "leistungsberechtigte" Person) und stellt im Übrigen nur einen Streitstand zu diesen Normen dar, ohne sich auf Rechtsprechung oder Literatur zu § 117 SGB XII zu beziehen. Es fehlt hingegen jede Auseinandersetzung mit dem Wortlaut des § 117 Abs 1 Satz 1 SGB XII, der von § 94 Abs 1 Satz 1 SGB XII gerade abweicht (worauf das LSG ausdrücklich abgestellt hat) und wonach es für einen Auskunftsanspruch ausreicht, dass "die Durchführung dieses Buches" die Auskunft erfordert. Weshalb sich aus dem Wortlaut des § 117 Abs 1 Satz 1 SGB XII ein Erfordernis der Rechtmäßigkeit einer Leistungsbewilligung ergeben sollte, bleibt aber offen. Im Übrigen hätte es einer Auseinandersetzung mit der Rechtsprechung des BVerwG und des BSG zur Funktion des Auskunftsanspruchs im Verhältnis zur Geltendmachung des Anspruch aus übergegangenem Recht durch den Sozialhilfeträger bedurft, der im Zivilrechtsweg zu prüfen ist (vgl § 94 Abs 5 Satz 2 SGB XII). Zweck des Auskunftsverlangens ist es danach, dem Sozialhilfeträger die Prüfung zu ermöglichen, ob und in welchem Umfang der Nachrang der Sozialhilfe (vgl § 2 SGB XII) durch Inanspruchnahme Dritter hergestellt werden kann. Dieser Zweck gebietet es, nur offensichtlich sinnlose Auskunftsverlangen auszuschließen (vgl BSG SozR 4-3500 § 117 Nr 2 RdNr 7 im Anschluss an BVerwGE 91, 375). Es fehlen aber hinreichende Ausführungen der Klägerin dazu, weshalb mit dieser Rechtsprechung und vor dem Hintergrund des Wortlauts des § 117 Abs 1 Satz 1 SGB XII Fallgestaltungen wie vorliegende, in denen - wie die Klägerin auch einräumt - Sozialhilfe an einen Angehörigen bewilligt worden war, nach wie vor grundsätzlich ungeklärt sein sollten.

Auch die abstrakte Klärungsbedürftigkeit der Rechtsfrage, ob ein mit der Anfechtungsklage angefochtener, nicht bestandskräftiger Bescheid auf Auskunftserteilung nach § 117 Abs 1 Satz 1 SGB XII vom SG aufgehoben werden könne, wenn er erst nach Erlass des Widerspruchsbescheids rechtswidrig geworden sei, ist nicht ausreichend dargelegt. Insoweit trägt die Klägerin vor, nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) sei bei Feststellung der Unterhaltsansprüche für zurückliegende Zeiträume stets von in den in diesen Zeiträumen erzielten Einkünften des Unterhaltsschuldners auszugehen. Damit stehe aber fest, dass es auf die vom Beklagten geforderten Auskünfte über die Einkommens- und Vermögensverhältnisse vor Februar 2014 mit dem Tod des H auf keinen Fall mehr ankomme und der Bescheid vom 14.2.2014 rechtswidrig geworden sei, weil es sich nunmehr um ein offensichtlich sinnloses Auskunftsverlangen handele.

Unterstellt man diese Rechtsfolge als zutreffend - Fragen wirft die Beschwerdebegründung insoweit nicht auf -, ist eine klärungsbedürftige Rechtsfrage zu ihren prozessualen Auswirkungen im laufenden Klageverfahren aber nicht hinreichend aufgezeigt. Die Klägerin führt selbst aus, dass nach der Rechtsprechung des BSG dem geltenden Recht kein "allgemeiner Grundsatz" zu entnehmen ist, wonach für die Beurteilung von Anfechtungsklagen (zwingend) die zum Zeitpunkt der Verwaltungsentscheidung geltende Rechtslage maßgeblich ist; entscheidend ist nach der Rechtsprechung vielmehr das einschlägige materielle Recht (vgl zuletzt BSGE 117, 149 = SozR 4-2500 § 106 Nr 48, RdNr 41 mwN). Es fehlen aber weitere Ausführungen dazu, unter welchen grundsätzlichen Gesichtspunkten sich ausgehend von dieser Rechtsprechung klärungsbedürftige Fragen im Anwendungsbereich des § 117 Abs 1 Satz 1 SGB XII stellen. Die Klägerin stellt lediglich in Frage, ob angesichts der Rechtsprechung des BGH zum Unterhaltsanspruch tatsächlich - wie vom LSG angenommen - der Erlass des Widerspruchsbescheids der maßgebliche Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage der Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheids über ein Auskunftsverlangen sein könne. Insoweit rügt sie aber nur die Fehlerhaftigkeit der Entscheidung des LSG, die nicht zur Zulassung der Revision führen kann. Zur Möglichkeit einer Verurteilung einer Behörde auf Grundlage von § 44 Abs 2 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - (SGB X) vor Bestandskraft des Ausgangsbescheids stellt die Klägerin schon keine konkrete Rechtfrage. Sie nimmt zwar auf eine Entscheidung des 9. Senats des BSG zu § 44 SGB X Bezug, macht aber mit ihren folgenden Ausführungen, sie verfolge weiterhin die Aufhebung des Bescheids unmittelbar durch das Gericht, nicht durch die Behörde, nicht deutlich, welche Fragen zum Anwendungsbereich des § 44 Abs 2 SGB X vorliegend konkret entscheidungserheblich sein sollten.

Wegen der weiteren Rechtsfrage nach der Möglichkeit einer nur teilweisen Aufhebung eines Auskunftsverlangens stellt die Klägerin der Entscheidung des LSG in erster Linie die Entscheidung des BVerwG (BVerwGE 91, 375) gegenüber, wonach in dem dort entschiedenen Fall die Teilrechtswidrigkeit der angefochtenen Bescheide ausschied, da die geforderten Auskünfte in ihrer Gesamtheit nach der getroffenen Regelung sowie nach Form und Inhalt des beigefügten Fragebogens bei objektiver Betrachtung eine Einheit bildeten. Da eine umfängliche Rechtsprechung des BSG vorliegt, wann sich die Rechtsfolge einer nur teilweisen Aufhebung von Bescheiden als zulässig darstellt, hätte es aber einer ausführlichen Darstellung der hierzu entwickelten Grundsätze bedurft und sodann einer Darstellung, welche Frage im Grundsätzlichen sich im Anschluss daran noch stellt. Allein die behauptete Fehlerhaftigkeit der Entscheidung des LSG und der Hinweis auf eine uneinheitliche Entscheidungspraxis reichen hierfür nicht aus. Eine Divergenz kann schließlich mit der behaupteten Abweichung von Rechtsprechung des BVerwG von vornherein nicht begründet werden (vgl § 160 Abs 2 Nr 2 SGG), wovon offenbar auch die Klägerin ausgeht.

Keine grundsätzliche Bedeutung hat die Klägerin schließlich mit ihrer abschließend gestellten Rechtsfrage aufgezeigt. Insoweit ist sie der Auffassung, die Rechtsprechung zur sog "Negativevidenz", die vom BVerwG begründet worden sei (vgl erneut BVerwGE 91, 375), bedürfe einer "grundlegenden Neubewertung". Die Rechtslage nach dem SGB XII unterscheide sich von der Rechtslage unter Geltung des Bundessozialhilfegesetzes (BSHG), an die diese Rechtsprechung anknüpfe, erheblich. Sie legt dabei allerdings auch dar, dass sich das BSG dieser Rechtsprechung unter Geltung des SGB XII bereits angeschlossen hat (BSG SozR 4-3500 § 117 Nr 2 RdNr 7). Ist die Rechtsfrage höchstrichterlich bereits geklärt, kann die Klärungsbedürftigkeit ausnahmsweise bejaht werden, wenn der Rechtsprechung in nicht geringem Umfang widersprochen wird und gegen sie Einwendungen vorgebracht werden, die nicht als abwegig anzusehen sind (BSG Beschluss vom 19.7.2011 - B 8 SO 19/11 B - RdNr 7; BSG SozR 1500 § 160a Nr 13 S 19; BSG Beschluss vom 18.2.1988 - 5/5b BJ 247/86). Eine solche Ausnahme hat die Klägerin in ihrer Beschwerdebegründung nicht dargetan. Um einen weiter bestehenden Klärungsbedarf aufzuzeigen, genügt es nicht, auf den Streitstand vor der höchstrichterlichen Rechtsprechung hinzuweisen, der gerade Grund für die erfolgte Klärung gewesen ist. Ebenso wenig genügt es, die Entscheidung des Senats zu kritisieren und selbst eine andere Auffassung zu vertreten (BSG, Beschluss vom 19.7.2011 - B 8 SO 19/11 B - aaO). Die Klägerin beschränkt sich jedoch auf eine Kritik der Entscheidungen im Ergebnis, die sie wegen eines Verstoßes gegen das Grundgesetz (GG) für verfassungswidrig hält. Soweit sie sich auf eine im Schrifttum geäußerte Ansicht stützt, wonach die mit der Prüfung einer Negativevidenz verbundene Beschränkung der Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen im Anwendungsbereich des § 93 SGB XII zu einer nicht gerechtfertigten Rechtsverkürzung des Schuldners führe (vgl Holzer, NJW 2017 1271, 1273), führt dies nicht erneut zur Klärungsbedürftigkeit der Rechtsfrage. Auch insoweit legt sie nämlich nicht dar, welche Konsequenzen sich daraus für die Rechtsprechung des Senats zu § 117 Abs 1 Satz 1 SGB XII ergeben sollten. Sie setzt sich im Übrigen weder mit der Literatur zu § 117 SGB XII auseinander und behauptet nicht einmal, dass der bisherigen Rechtsprechung hier in nicht geringem Umfang widersprochen wird, noch trägt sie vor, dass sich aus der neueren Rechtsprechung der Landessozialgerichte zu dieser Norm erneuter Klärungsbedarf ergebe. Eine solche umfassende Auseinandersetzung wäre aber erforderlich, um eine weiterhin bestehende Klärungsbedürftigkeit nachvollziehbar zu machen.

Auch einen Verfahrensmangel hat die Klägerin nicht ausreichend bezeichnet. Gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 SGG ist die Revision zuzulassen, wenn ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann; der geltend gemachte Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung von § 109 SGG und § 128 Abs 1 Satz 1 SGG (Grundsatz der freien richterlichen Beweiswürdigung) und auf eine Verletzung des § 103 SGG (Amtsermittlungsgrundsatz) nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Um einen Verfahrensmangel in diesem Sinne geltend zu machen, müssen die Umstände bezeichnet werden, die den entscheidungserheblichen Mangel ergeben sollen (vgl zB BSG SozR 1500 § 160a Nr 14, 24, 36).

Soweit die Klägerin vorträgt, das Urteil sei unter Verletzung des gesetzlichen Richters (Art 101 Abs 1 Satz 2 GG) ergangen, was zu einem absoluten Revisionsgrund (vgl § 202 SGG iVm § 547 Nr 1 Zivilprozessordnung ≪ZPO≫) führen würde, ist dieser Verfahrensmangel nicht hinreichend bezeichnet. Der Vortrag, die Berufung gegen den Ergänzungs-Gerichtsbescheid, dem ein selbständiges Verfahren vor dem SG vorausging und der (nur) mit einem selbständigen Rechtsmittel anfechtbar war (vgl § 105 Abs 1 Satz 3 iVm § 140 Abs 2 Halbsatz 2 SGG), sei nicht ordnungsgemäß auf die Berichterstatterin übertragen worden (vgl § 153 Abs 5 SGG), macht einen solchen Verstoß im vorliegenden Verfahren nicht nachvollziehbar. Die Klägerin führt zwar aus, dass der Beschluss über die Übertragung (vom 28.6.2017) nur die Berufung gegen den Gerichtsbescheid vom 24.2.2016 erfasse, in der mündlichen Verhandlung vom Gericht gleichwohl dargestellt worden sei, es werde zugleich mit der Berufung gegen den Gerichtsbescheid auch über den Ergänzungs-Gerichtsbescheid entschieden. Sie habe auch einen entsprechenden Antrag auf Aufhebung des Ergänzungs-Gerichtsbescheids zu Protokoll gegeben. Es wird aber mit dem Vortrag nicht erkennbar, dass nach der geheimen, abschließenden Beratung des Gerichts über den Ergänzungs-Gerichtsbescheid tatsächlich entschieden worden ist. Aus dem Urteilstenor, auf den sie zunächst Bezug nimmt, ergibt sich dies gerade nicht; denn dieser nimmt ausdrücklich allein auf die Berufung gegen den Gerichtsbescheid vom 24.2.2016 Bezug. Da die Berufung gegen den Gerichtsbescheid vom 24.2.2014 in der Sache zum Teil Erfolg hatte, ergibt sich aus der Zurückweisung der Berufung (nicht "Berufungen") im Übrigen ebenfalls gerade nicht, dass über den Ergänzungs-Gerichtsbescheid eine Entscheidung getroffen worden ist. In den schriftlichen Gründen führt das Gericht schließlich aus (was auch die Klägerin vorträgt), dass eine Entscheidung über den Ergänzungs-Gerichtsbescheid noch nicht zu treffen gewesen sei. Die Behauptung, die mündlichen Urteilsgründe (vgl § 132 Abs 2 Satz 1 SGG) hätten dieser Begründung widersprochen, genügt zur Darlegung eines absoluten Revisionsgrunds nicht. Unabhängig davon, ob dies zutrifft, fehlt insoweit eine Auseinandersetzung mit der Rechtsprechung des BSG, wonach die mündlich mitgeteilten Gründe nur die Bedeutung einer vorläufigen Information haben und die entscheidungstragenden Erwägungen den mündlich mitgeteilten Gründen verbindlich nicht entnommen werden können (vgl BSG SozR 4-1500 § 178a Nr 12 RdNr 4). Weshalb vorliegend anderes gelten und den mündlichen Urteilsgründen maßgebliche Bedeutung zukommen sollte, legt die Klägerin nicht dar.

Wegen der Behauptung, eine Verletzung des § 153 Abs 5 SGG liege vor, weil schon das SG die Voraussetzungen für einen Erlass des Gerichtsbescheids nach § 105 Abs 1 SGG verkannt und das LSG diesen Fehler fortgesetzt habe, fehlt es gänzlich an einer Auseinandersetzung mit der zu den Voraussetzungen einer Übertragung auf den Berichterstatter ergangenen Rechtsprechung (vgl BSGE 121, 55 = SozR 4-4200 § 43 Nr 1 RdNr 13), wonach die Übertragung zur Entscheidung durch den Berichterstatter unter Mitwirkung der ehrenamtlichen Richter selbst in Rechtssachen von grundsätzlicher Bedeutung nicht von vornherein ausgeschlossen ist. Soweit die Klägerin vorträgt, sie sei "entgegen § 153 Abs 4 Satz 2 SGG" zu der Übertragung auf die Berichterstatterin nicht angehört worden, übersieht sie, dass sich aus § 153 Abs 5 SGG eine solche Pflicht gerade nicht ausdrücklich ergibt. Es hätte deshalb weiterer Ausführungen zum Anwendungsbereich des § 62 SGG und der hierzu ergangenen Rechtsprechung bedurft sowie dazu, weshalb ein Verstoß gegen das rechtliche Gehör, der für sich genommen nicht als absoluter Revisionsgrund ausgestaltet ist, sich in der vorliegenden Konstellation gleichwohl entsprechend auswirken sollte. Die nicht belegte Behauptung, der Beschluss wegen der Übertragung sei nicht einstimmig erfolgt, genügt ohne weitere Darlegungen für die Bezeichnung eines Verfahrensmangels auf Grundlage von § 153 Abs 5 SGG ebenfalls nicht.

Soweit die Klägerin im Zusammenhang mit der behaupteten Verletzung des § 153 Abs 5 SGG vorträgt, die Einlegung der Berufung gegen den Ergänzungs-Gerichtsbescheid (am 27.6.2016) zum Aktenzeichen der zunächst eingelegten Berufung habe zu einer "Zwangsverbindung" der Sachen geführt, fehlen gänzlich Darlegungen zu den Voraussetzungen einer Verbindung von Verfahren durch das Gericht (§ 113 Abs 1 SGG); woraus sich normativ die Möglichkeit einer "Verbindung" durch die Beteiligten ergeben sollte, bleibt unklar. Sollte der Vortrag wegen einer "Zwangsverbindung" dahin zu verstehen sein, es habe eine zulässige Erweiterung der Berufung gegen den Gerichtsbescheid vorgelegen (vgl § 155 SGG iVm § 99 SGG), entzieht dieser Vortrag der behaupteten Verletzung des § 153 Abs 5 SGG indes die Grundlage, weil dann nicht mehr nachvollziehbar ist, weshalb (bei einem dann einheitlichen Berufungsverfahren) eine gesonderte Übertagungsentscheidung überhaupt erfolgen müsste. Andere Verfahrensrechte, die das LSG missachtet haben könnte, sind nicht einmal benannt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 154 Abs 2 Verwaltungsgerichtsordnung. Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 197a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 63 Abs 2, § 52 Abs 2, § 47 Abs 1 Satz 1 und § 40 Gerichtskostengesetz.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI12719908

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