Leitsatz (amtlich)

Im Rahmen des § 116 Abs 2 BRAGebO ist auch ein feststehender Gegenstandswert (siehe § 8 Abs 2 S 2 Halbs 1 BRAGebO) in entsprechender Anwendung des § 8 Abs 2 S 2 Halbs 2 BRAGebO nicht unter 300,-- DM festzusetzen.

 

Normenkette

BRAGebO § 116 Abs 2, § 8 Abs 2 S 2 Halbs 2, § 8 Abs 2 S 2 Halbs 1

 

Verfahrensgang

LSG Nordrhein-Westfalen (Entscheidung vom 08.07.1981; Aktenzeichen L 17 U 213/80)

SG Dortmund (Entscheidung vom 29.04.1980; Aktenzeichen S 17 U 147/78)

 

Gründe

Der Prozeßbevollmächtigte des Klägers hat nach Beendigung des Revisionsverfahrens die Festsetzung des Gegenstandswertes der Klage gemäß § 116 Abs 2 Satz 1 Bundesrechtsanwaltsgebührenordnung (BRAGebO) iVm § 10 Abs 1 BRAGebO beantragt.

Im Revisionsverfahren war streitig, ob der Kläger für das Jahr 1976 den nach der Satzung der Beklagten höchst möglichen Beitragsnachlaß - 30 vH - zu beanspruchen hatte oder nur den von der Beklagten zugebilligten Nachlaß in Höhe von 29 vH (Bescheid vom 1. April 1977). Ohne Nachlaß belief sich der Beitrag auf 2.198,25 DM. Der Kläger war im Verfahren erfolgreich.

Nach § 116 Abs 2 Nr 2 BRAGebO werden die Gebühren der Rechtsanwälte im Verfahren aufgrund öffentlich-rechtlicher Streitigkeiten zwischen Arbeitgebern und einer Berufsgenossenschaft nach dem Gegenstandswert berechnet. Über eine solche Streitigkeit ist hier entschieden worden. Nach § 8 Abs 1 Satz 1 BRAGebO bestimmt sich der Gegenstandswert für die Anwaltsgebühren grundsätzlich nach den für die Gerichtsgebühren geltenden Vorschriften. Sind jedoch - wie im Verfahren der Sozialgerichtsbarkeit (s §§ 183 ff Sozialgerichtsgesetz -SGG-) - Gerichtsgebühren nicht vorgesehen, erfolgt die Festsetzung des Gegenstandswertes gemäß § 8 Abs 1 Satz 3 BRAGebO nach Abs 2 dieser Vorschrift (BSG SozR 1930 § 8 Nrn 2, 3, 4, 5 und § 116 Nr 1). Danach gelten für den Gegenstandswert in erster Linie die in § 8 Abs 2 Satz 1 BRAGebO genannten Vorschriften der Kostenordnung (KostO). Da sich im vorliegenden Verfahren auch aus diesen Vorschriften der KostO wegen der privatrechtlichen Sachverhalte, deren Kosten sie regeln, der Gegenstandswert nicht herleiten läßt, hatte der Senat den Gegenstandswert der Klage nach § 8 Abs 2 Satz 2 BRAGebO zu bestimmen.

Danach ist der Gegenstandswert, soweit er sich nicht aus den in § 8 Abs 2 Satz 1 BRAGebO angeführten Vorschriften ergibt "und auch sonst nicht feststeht", nach billigem Ermessen zu bestimmen; in Ermangelung genügender tatsächlicher Anhaltspunkte für eine Schätzung ist der Gegenstandswert auf 4.000,-- DM, nach Lage des Falles niedriger oder höher, jedoch nicht unter 300,-- DM und nicht über eine Million DM, anzunehmen.

Im vorliegenden Verfahren steht der Gegenstandswert der Klage fest (s Hartmann, Kostengesetze, 4. Aufl, § 8 BRAGebO Anm 3 Buchst C; Riedel/Sußbauer, Bundesrechtsanwaltsgebührenordnung, 4. Aufl, § 8 RdNr 44; Schuwerak SGb 1978, 100, 102). Gemäß § 7 Abs 1 BRAGebO ist hierunter der Wert zu verstehen, den der Gegenstand der anwaltlichen Tätigkeit hat. Der Gegenstand der Tätigkeit des Prozeßbevollmächtigten des Klägers ist durch sein Begehren gekennzeichnet gewesen, für das Jahr 1976 einen um 1 vH höheren Beitragsnachlaß zu erlangen. Demgemäß drückt sich der Gegenstandswert hier in dem Betrag aus, welcher 1 vH des sich auf 2.198,25 DM belaufenden Jahresbeitrages ausmacht. Der Wert des Gegenstandes der anwaltlichen Tätigkeit belief sich folglich auf rund 22,-- DM (wie hier: Gerold/Schmidt, Bundesgebührenordnung für Rechtsanwälte, 7. Aufl, § 116 RdNr 17). Steht der Gegenstandswert fest, so ist dieser nach § 8 Abs 2 Satz 2 Halbs 1 BRAGebO grundsätzlich maßgebend; eine Schätzung nach § 8 Abs 2 Satz 2 Halbs 2 BRAGebO scheidet aus.

Der Senat ist jedoch der Auffassung, daß hier nach Sinn und Zweck der maßgebenden Vorschriften der BRAGebO der tatsächliche Gegenstandswert nicht festzusetzen ist.

Die Vergütung der Rechtsanwälte im sozialgerichtlichen Verfahren richtet sich in der Regel nach § 116 Abs 1 BRAGebO. Danach erhält der Rechtsanwalt eine innerhalb des dort festgelegten Rahmens liegende Gebühr. Der Gebührenrahmen ist aus sozialpolitischen Gründen niedrig (S BSG SozR 1930 § 116 Nr 2 und 6). Für Fälle, in denen diese Gründe nicht zutreffen, hat der Gesetzgeber die im vorliegenden Verfahren anzuwendende Regelung des § 116 Abs 2 BRAGebO geschaffen, um den Rahmen nach oben zu öffnen (vgl BT-Drucks 7/3243, S 11; Gerold/Schmidt, aaO RdNr 16). Dem würde es jedoch widersprechen, den Gegenstandswert so niedrig festzusetzen, daß die in § 116 Abs 1 BRAGebO festgesetzte Mindestgebühr bzw der in § 8 Abs 2 Satz 2 BRAGebO bestimmte Mindestwert unterschritten wird.

Da im Rahmen des § 116 Abs 2 BRAGebO grundsätzlich auf den Wert abzustellen ist, den der Gegenstand der anwaltlichen Tätigkeit hatte, die sonstige Bedeutung des Verfahrens sowie der Umfang der tatsächlichen Arbeit des Anwalts also grundsätzlich außer Betracht bleiben müssen, ist nach Auffassung des Senats nicht die Mindestgebühr nach § 116 Abs 1 BRAGebO heranzuziehen, sondern analog der in § 8 Abs 2 Satz 2 BRAGebO festgelegte - hier nicht erreichte - Mindestwert festzusetzen. Die danach zu errechnende Gebühr liegt - knapp - über der Mindestgebühr des § 116 Abs 1 BRAGebO.

 

Fundstellen

Haufe-Index 1653639

Breith. 1983, 466

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