Verfahrensgang
LSG Berlin (Urteil vom 12.09.1996) |
Tenor
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Berlin vom 12. September 1996 wird zurückgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe
Der Kläger begehrt die Weiterzahlung ab 1. Januar 1992 einer in der ehemaligen DDR erworbenen Unfallteilrente (infolge einer Berufskrankheit ≪BK≫ Schallempfindungsschwerhörigkeit) als Verletztenrente nach der Reichsversicherungsordnung ≪RVO≫ (ablehnender Bescheid vom 21. September 1994 idF des Widerspruchsbescheids vom 8. Februar 1995; der Klage stattgebendes Urteil des Sozialgerichts vom 23. Januar 1996 sowie klageabweisendes Urteil des Landessozialgerichts ≪LSG≫ vom 12. September 1996). Das LSG ist zu dem Ergebnis gelangt, der Kläger habe keinen Anspruch auf Verletztenrente wegen einer BK ab dem 1. Januar 1992. Der im Jahre 1977 von der Deutschen Reichsbahn nach dem Recht der ehemaligen DDR erlassene Unfallversorgungsbescheid iVm den Änderungsbescheiden aus den Jahren 1980 und 1983 könne nicht zur Zahlung von Verletztenrente durch die Beklagte führen. Zwar blieben Verwaltungsakte der ehemaligen DDR nach den Bestimmungen des Einigungsvertrags (EinigVtr) vom 31. August 1990 grundsätzlich bindend und wirksam. Dies gelte jedoch nicht, wenn bereits zuvor eine Anerkennung nach dem Fremdrentengesetz (FRG) stattgefunden habe. Dies folge aus § 1150 Abs 2 Satz 2 Nr 2 RVO, wonach das FRG endgültig alleinige Anspruchsgrundlage bleibe, wenn Arbeitsunfälle oder BKen für die Zeit vor dem 1. Januar 1992 anerkannt worden seien. Das sei hier durch die bestandskräftigen Bescheide der Bundesausführungsbehörde für Unfallversicherung (Bundesausführungsbehörde) vom 2. November 1987 (idF des Widerspruchsbescheids vom 27. April 1989) geschehen. Ebensowenig ergebe sich aus § 1150 Abs 2 Satz 1 RVO ein Anspruch auf Verletztenrente, da – nach dem bereits erwähnten – § 1150 Abs 2 Satz 2 Nr 2 RVO diese Vorschrift auf Unfälle und Krankheiten wie vorliegend nicht anzuwenden sei.
Mit seiner hiergegen gerichteten Nichtzulassungsbeschwerde macht der Beschwerdeführer geltend, die Rechtssache habe grundsätzliche Bedeutung (§ 160 Abs 2 Nr 1 des Sozialgerichtsgesetzes ≪SGG≫).
Die Beschwerde ist unbegründet. Die vom Beschwerdeführer angeführte Rechtsfrage kann nicht zur Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung führen.
Der Beschwerdeführer hält folgende Rechtsfrage für klärungsbedürftig:
„Liegt die „Anerkennung” einer Berufskrankheit oder eines Arbeitsunfalls nach dem Fremdrentengesetz iS von § 1150 Abs 2 Satz 2 Nr 2 erst dann vor, wenn durch die Anerkennung auch ein Leistungsanspruch begründet wird?”
Nach § 160 Abs 2 Nr 1 SGG ist die Revision zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat. Grundsätzliche Bedeutung hat das angestrebte Revisionsverfahren nur, wenn der Rechtsstreit dazu dienen kann, die Rechtseinheit zu wahren oder die Entwicklung des Rechts zu fördern. Das ist dann der Fall, wenn die für grundsätzlich bedeutsam gehaltene Rechtsfrage klärungsbedürftig ist (Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 1991, IX, RdNr 63 mwN). Auch wenn das Bundessozialgericht (BSG) eine vom Beschwerdeführer bezeichnete Rechtsfrage noch nicht ausdrücklich entschieden hat, fehlt es an der erforderlichen Klärungsbedürftigkeit, wenn deren Beantwortung im Ergebnis unmittelbar aus dem Gesetz zu entnehmen ist (BSG SozR 1300 § 13 Nr 1; Beschlüsse des Senats vom 16. März 1995 – 2 BU 234/94 – und 26. September 1996 – 2 BU 143/96 –; Krasney/Udsching aaO RdNr 66). Das ist hier der Fall.
Nach Art 19 Sätze 1 und 3 EinigVtr vom 31. August 1990 sind Bescheide der DDR-Leistungsträger grundsätzlich über den 2. Oktober 1990 hinaus wirksam geblieben und zwischen dem Betroffenen und dem im EinigVtr als zuständigen Träger bezeichneten „Rechtsnachfolger” bindend (BSGE 76, 124). Dementsprechend wurden nach der durch das Rentenüberleitungsgesetz (RÜG) vom 25. Juli 1991 (BGBl I 1606) eingefügten Übergangsvorschrift des § 1150 Abs 2 Satz 1 RVO Versicherungsfälle aus der Unfallversicherung des Rechts des Beitrittsgebiets unabhängig von dem für das alte Bundesgebiet geltende Unfallversicherungsrecht übernommen. Danach gelten als Arbeitsunfälle und BKen iS des Dritten Buchs der RVO Unfälle und Krankheiten, die vor dem 1. Januar 1992 eingetreten sind und die nach dem im Beitrittsgebiet früher geltenden DDR-Recht Arbeitsunfälle und BKen der Sozialversicherung waren. Dies gilt nach § 1150 Abs 2 Satz 2 Nr 2 RVO jedoch nicht für Arbeitsunfälle und BKen, die mit Wirkung für die Zeit vor dem 1. Januar 1992 (dem Zeitpunkt des Inkrafttretens des RÜG) als Arbeitsunfälle und BKen nach dem FRG anerkannt worden sind, es sei denn der Verletzte hat seinen gewöhnlichen Aufenthalt vor dem 1. Januar 1992 in das Beitrittsgebiet verlegt. Diese Vorschrift regelt die Konkurrenz eines nach den Vorschriften des FRG bereits geprüften und anerkannten Anspruchs zum Originäranspruch aufgrund des Rechts der ehemaligen DDR. In diesen Fällen verbleibt es bei dem bestandskräftigen Bescheid nach dem FRG, die Vorschriften nach diesem Gesetz bleiben endgültig alleinige Anspruchsgrundlage und der frühere Originäranspruch nach dem DDR-Recht wird endgültig verdrängt. Die Verknüpfung mit Halbs 2 in Nr 2 „…, es sei denn …”) zeigt, daß die Ansprüche nach dem Recht des Gebiets fortbestehen sollen, in das sich der Betreffende vor dem Inkrafttreten des RÜG (am 1. Januar 1992) eingegliedert hatte (Raschke in Schulin, Handbuch des Sozialversicherungsrechts, Band II, Unfallversicherungsrecht, 1996, § 72 RdNr 261).
Nach den Feststellungen des LSG hatte der Kläger seinen gewöhnlichen Aufenthalt niemals in das Beitrittsgebiet verlegt. Nach den weiteren Feststellungen des LSG war im Jahre 1977 nach dem Recht der ehemaligen DDR die „Schallempfindungsschwerhörigkeit” als BK anerkannt. Dieselbe BK (als „Lärmschwerhörigkeit”) hatte die Bundesausführungsbehörde mit Bescheid vom 2. November 1987 idF des Widerspruchsbescheids vom 27. April 1989 bestandskräftig als BK nach dem FRG anerkannt. Damit sind – wie das LSG zutreffend ausgeführt hat – die Voraussetzungen des § 1150 Abs 2 Satz 2 Nr 2 RVO erfüllt. Die ihrem Wortlaut nach eindeutige Vorschrift enthält durch die Formulierung „… als Arbeitsunfälle oder Berufskrankheiten nach dem Fremdrentengesetz anerkannt …” keine Einschränkung nur auf die Fälle einer Anerkennung mit Leistungsanspruch. Vielmehr liegt eine Anerkennung als Arbeitsunfall oder BK nach dem FRG auch vor, wenn ein Versicherungsfall – nicht notwendiger Weise ein Leistungsfall – nach dem FRG bestandskräftig angenommen (anerkannt) worden ist (Raschke aaO RdNr 262).
Auch der Hinweis des Beschwerdeführers auf § 1154 Abs 1 RVO führt zu keinem anderen Ergebnis. Danach gilt bei vor dem 1. Januar 1992 im Beitrittsgebiet festgestellten Renten der zugrunde gelegte Grad des Körperschadens als Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) iS der RVO. Dies gilt nicht für die in § 1150 Abs 2 RVO geregelten Sonderfälle bei Konkurrenz der RVO-Ansprüche (nach dem FRG) mit denen nach dem Recht der ehemaligen DDR.
Eine entgegen dem Wortlaut des § 1150 Abs 2 Satz 2 Nr 2 RVO auf Leistungsfälle beschränkte Auslegung führte im übrigen zu einem dem Sinn dieser Regelung widersprechenden Ergebnis: Bei bestandskräftiger Anerkennung einer BK mit einer rentenberechtigenden MdE (zB um 20 vH) nach dem FRG verbliebe es nach dem 1. Januar 1992 bei dieser MdE; bei bestandskräftiger Anerkennung einer BK nach dem FRG, ohne daß eine rentenberechtigende MdE vorliegt, würde sich dagegen der Rentenanspruch nach dem früheren – nach DDR-Recht größtenteils erheblich höher bewerteten – Körperschaden richten.
Die Beschwerde war daher als unbegründet zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Fundstellen