Verfahrensgang
LSG Niedersachsen (Urteil vom 26.11.1992) |
Tenor
Der Antrag des Klägers, ihm zur Durchführung des Beschwerdeverfahrens gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen vom 26. November 1992 Prozeßkostenhilfe zu bewilligen, wird abgelehnt.
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil wird als unzulässig verworfen.
Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
I
Das Arbeitsamt Nienburg (ArbA) bewilligte dem 1942 geborenen, bis zum 28. Februar 1990 in Thüringen als Diplom-Ingenieur beschäftigten Kläger nach dessen Übersiedlung nach Neustadt/Rbge auf seinen Antrag mit mehreren Bescheiden ab 2. März 1990 Eingliederungsgeld (EG). Das ArbA lehnte es aber ab, ihm unter Berücksichtigung seines mit ihm untergebrachten, 1971 geborenen, seit April 1990 als Auszubildendem tätigen Sohnes T … höheres EG zu leisten und die vom Kläger für seine Unterbringung an die Beigeladene zu zahlende Nutzungsentschädigung unmittelbar an diese zu überweisen. Außerdem hielt es daran fest, daß Nebenverdienste des Klägers – wie geschehen – auf das EG anzurechnen seien. Die dagegen erhobene Klage blieb erfolglos, desgleichen die vom Sozialgericht (SG) zugelassene Berufung. Die Revision hat das Landessozialgericht (LSG) nicht zugelassen.
Der Kläger hat gegen die Nichtzulassung der Revision persönlich Beschwerde eingelegt und mit weiterem Schriftsatz vom selben Tag Prozeßkostenhilfe (und Beiordnung eines Rechtsanwalts) für die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision beantragt.
Entscheidungsgründe
II
Prozeßkostenhilfe ist nur zu gewähren, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung eine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§ 73a Sozialgerichtsgesetz ≪SGG≫, § 114 Zivilprozeßordnung ≪ZPO≫). Hinreichende Aussicht auf Erfolg böte die Rechtsverfolgung nur dann, wenn einer der drei in § 160 Abs 2 SGG abschließend aufgeführten Gründe gegeben wäre, die zur Zulassung der Revision führen. Es ist jedoch keiner dieser Gründe ersichtlich.
Der Rechtssache kommt keine grundsätzliche Bedeutung zu (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG). Das wäre nur der Fall, wenn im Revisionsverfahren bislang ungeklärt gebliebene Rechtsfragen von allgemeiner Bedeutung geklärt werden könnten. Dafür bietet der vorliegende Fall keine Anhaltspunkte.
Soweit der Kläger geltend macht, die grundsätzliche Bedeutung bestehe in seinem Fall darin, daß sowohl die Beklagte als auch das LSG vorsätzliche Rechtsbeugung begangen hätten und die Entscheidung in der Sache falsch sei, verkennt er den Rechtsbegriff der grundsätzlichen Bedeutung. Dafür ist erforderlich, daß die angestrebte Entscheidung in rechtlicher Hinsicht über den Einzelfall hinaus allgemeine Bedeutung hat und das Recht oder die Rechtsanwendung fortentwickeln oder vereinheitlichen wird (vgl Kummer, Die Nichtzulassungsbeschwerde, RdNr 126). Die Frage, ob eine Rechtssache im Einzelfall richtig oder unrichtig entschieden worden ist, verleiht ihr noch keine grundsätzliche Bedeutung (BSG SozR 1500 § 160a Nr 7).
Im vorliegenden Fall sind keine über diesen Einzelfall hinausgehende Rechtsfragen von allgemeiner Bedeutung, die der Klärung bedürfen, erkennbar. Die Berechnung des EG des Klägers ist nach den einschlägigen gesetzlichen Vorschriften erfolgt, nämlich nach § 62a Abs 3 und 6 des Arbeitsförderungsgesetzes (AFG) idF des Gesetzes vom 22. Dezember 1989 (BGBl I 2398) iVm § 115 AFG (idF des Rentenreformgesetzes vom 18. Dezember 1989 ≪BGBl I 2261≫), § 111 AFG (idF des Gesetzes vom 22. Dezember 1983 ≪BGBl I 1532≫, zuletzt geändert durch Gesetz vom 20. Dezember 1988 ≪BGBl I 2477≫) sowie § 113 AFG (idF der Änderung vom 16. August 1980 ≪BGBl I 1381≫). Lediglich soweit das ArbA es unter Berufung auf § 62a Abs 3 Satz 4 Nr 1 AFG abgelehnt hat, das wöchentliche EG um 30,– DM zu erhöhen, stellt sich eine Rechtsfrage, nämlich ob die Erhöhung deshalb entfällt, weil der Sohn des Klägers im maßgeblichen Zeitraum „Einkünfte aus Erwerbstätigkeit” bezogen hat; grundsätzliche Bedeutung kommt dieser Frage indes nicht zu. Bei der vom Sohn des Klägers ab April 1990 als Auszubildendem erzielten Vergütung (§ 10 Abs 1 Berufsbildungsgesetz) handelt es sich arbeitsrechtlich zwar um eine Leistung, die nur im gewissen Umfang Entgeltcharakter für die vom Auszubildenden erbrachten Arbeitsleistungen hat (Herkert, Komm zum Berufsbildungsgesetz, Stand: Februar 1992, § 10 RdNr 2 unter Hinweis auf BAG EzB Nr 31 zu § 10 Abs 1 Berufsbildungsgesetz). Im sozialversicherungsrechtlichen Sinn ist die Vergütung des Auszubildenden jedoch Arbeitsentgelt. Das ergibt sich eindeutig aus § 7 Abs 2 des Sozialgesetzbuches – Viertes Buch – (SGB IV) iVm § 14 Abs 1 SGB IV. Da Arbeitsentgelte Einkünfte aus Erwerbstätigkeit darstellen, ist die Rechtsfrage als geklärt anzusehen.
Soweit die Höhe des EG des Klägers von der Berücksichtigung seiner Nebeneinkünfte nach § 62a Abs 6 AFG iVm § 115 AFG abhängt, sind keine Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung, die klärungsbedürftig wären, erkennbar. Gleiches gilt, soweit der Kläger die unterlassene Leistungsabzweigung für die Zeit von März bis einschließlich Juni 1990 an die Beigeladene als rechtswidrig ansieht. Die Entscheidung des LSG beruht insoweit ausschließlich auf den besonderen Umständen des klägerischen Falles.
Schließlich ist nicht ersichtlich, daß der Kläger einen Verfahrensmangel geltend machen könnte, auf dem die angefochtene Entscheidung des LSG beruht (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG). Unter Verfahrensmängeln sind Fehler zu verstehen, die nicht die inhaltliche Richtigkeit der Entscheidung betreffen, sondern das prozessuale Vorgehen des Gerichts auf dem Wege zum Urteil. Solche Verfahrensmängel des LSG, die sich auch auf den Inhalt der Entscheidung über das EG auswirken, sind nicht ersichtlich.
Die Rügen des Klägers, daß das Protokoll falsch und der Sach- und Streitstand nicht hinreichend erörtert worden sei, begründen keinen Verfahrensmangel. Gemäß § 122 SGG iVm § 165 ZPO werden die Förmlichkeiten der mündlichen Verhandlung, die nach § 160 ZPO zu protokollieren sind, durch den Inhalt der Sitzungsniederschrift bewiesen. Die Sitzungsniederschrift vom 26. November 1992 weist aus, daß das Sach- und Streitverhältnis erörtert worden ist und welche Anträge der Kläger gestellt hat. Ausweislich der Sitzungsniederschrift ist dieser Inhalt verlesen worden und der Kläger hat ihn genehmigt. Gegen diese, nicht den Inhalt der mündlichen Verhandlung, sondern nur ihren förmlichen Ablauf beweisende Niederschrift ist nur der Nachweis der Fälschung zulässig (§ 165 Satz 2 ZPO). Für eine Fälschung fehlt es an jeglichen Anhaltspunkten.
Hinreichende Anhaltspunkte sind ebensowenig dafür ersichtlich, daß das LSG dem Kläger das ihm nach § 62 SGG, Art 103 GG zustehende rechtliche Gehör nicht gewährt hätte. Erforderlich, aber auch ausreichend ist, daß das Gericht den Beteiligten Gelegenheit gibt, ihre Rechtsauffassung vorzutragen, und daß in der mündlichen Verhandlung das Sach- und Streitverhältnis erörtert wird. Eine Pflicht des Gerichts, alle nur möglichen rechtlichen Gesichtspunkte mit den Beteiligten zu erörtern, besteht nicht (BVerfG SozR 1500 § 62 Nr 19). Es ist nicht ersichtlich, daß das Gericht den Vortrag des Klägers hinsichtlich des EG nicht zur Kenntnis genommen hätte.
Zu beanstanden ist allerdings, daß weder aus dem Entscheidungssatz noch aus den Entscheidungsgründen des Urteils des LSG klar hervorgeht, welches Schicksal die nicht das EG betreffenden Anträge hatten, die der Kläger ausweislich des erwähnten Sitzungsprotokolls in der mündlichen Verhandlung des Rechtsstreits vor dem LSG gestellt hat. Auf klare und eindeutige Entscheidungen haben die Beteiligten Anspruch. Es ist Aufgabe des angerufenen Gerichts, aus der Klagebegründung bzw dem Berufungsverfahren nicht nur das Rechtsschutzbegehren zu ermitteln, sondern hierüber klar und deutlich auch insoweit zu entscheiden, als Anträge unzulässig oder nicht sachdienlich sind und der Kläger dennoch an ihnen festhält. Weitere prozessuale Ansprüche, über die aus verfahrensrechtlichen Gründen nicht in dem vorliegenden Verfahren entschieden werden kann oder soll (zB über eine klageändernde Klagerweiterung, in die die übrigen Beteiligten nicht einwilligen und die das Gericht nicht für sachdienlich hält, § 99 SGG), sind als unzulässig abzuweisen. Ob das LSG hier über sämtliche Anträge entschieden hat, über die es entscheiden mußte, kann offenbleiben, denn wenn dies nicht der Fall wäre, läge kein Verfahrensfehler vor, auf dem das dann nur das EG betreffende Urteil beruht. Der Kläger wäre nicht beschwert, weil das LSG lediglich ein Teilurteil gefällt hätte (§ 202 SGG, § 301 ZPO). Über die weiteren noch anhängigen Ansprüche hätte das LSG ggf noch ein Schlußurteil zu erlassen, falls der Kläger es beantragen sollte. Sollte allerdings eine Entscheidung über alle gestellten Anträge erfolgt sein, läge jedenfalls kein Verfahrensfehler vor, auf dem die Nichtentscheidung in der Sache über die weiteren Anträge beruhen könnte. Denn da die Beklagte ausweislich der Sitzungsniederschrift einer Klagänderung widersprochen hat, soweit der Kläger Ansprüche außerhalb von EG geltend macht, hätte das LSG über die anderen Ansprüche in der Sache nur entscheiden können, wenn es die Klagänderung als sachdienlich angesehen hätte (§ 99 SGG). Das ist indes nicht der Fall, wie dem Beginn der Entscheidungsgründe zu entnehmen ist, und diesen Ausführungen des LSG ist in vollem Umfang beizupflichten.
Bietet die beabsichtigte Rechtsverfolgung mithin keine hinreichende Aussicht auf Erfolg, kann dem Antrag auf Bewilligung von Prozeßkostenhilfe nicht entsprochen werden.
Die vom Kläger selbst eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde ist entsprechend § 169 SGG als unzulässig zu verwerfen. Die Beschwerde entspricht nicht den zwingenden gesetzlichen Vorschriften. Der Kläger muß sich vor dem Bundessozialgericht gemäß § 166 SGG durch einen zugelassenen Prozeßbevollmächtigten vertreten lassen. Schon die Beschwerdeschrift muß von einem nach § 166 Abs 2 SGG zugelassenen Prozeßbevollmächtigten unterzeichnet sein. Darauf ist der Kläger in der Rechtsmittelbelehrung des angefochtenen Urteils ausdrücklich hingewiesen worden.
Die Kostenentscheidung ergeht in entsprechender Anwendung des § 193 SGG.
Fundstellen