Entscheidungsstichwort (Thema)
Freiwillige Krankenversicherung. beitragspflichtige Einnahmen. Berücksichtigung des Beitragszuschusses für Rentner bei der Beitragsbemessung verfassungsgemäß
Orientierungssatz
1. Die Heranziehung des Beitragszuschusses bei der Beitragsbemessung in der freiwilligen Krankenversicherung verstößt nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz (vgl BSG vom 25.4.1991 - 12 RK 6/90 = SozR 3-2200 § 393a Nr 1 und vom 19.12.1991 - 12 RK 11/90 = Die Beiträge 1993, 125).
2. Die Verfassungsbeschwerde gegen den Beschluss wurde nicht zur Entscheidung angenommen (BVerfG 1. Senat 3. Kammer vom 14.12.2006 - 1 BvR 2432/06).
Normenkette
GG Art. 3 Abs. 1; SGB 5 § 240 Abs. 3 Fassung: 1988-12-20
Verfahrensgang
Tatbestand
Der Kläger bezieht von der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) seit Juli 2001 Altersrente und erhält einen Beitragszuschuss zu den Aufwendungen für die Kranken- und Pflegeversicherung. Er ist über den Rentenbeginn hinaus abhängig beschäftigt und erzielt ein über der Jahresarbeitsentgeltgrenze liegendes Arbeitsentgelt. Als freiwilliges Mitglied der beklagten Krankenkasse entrichtet der Kläger aus dem Arbeitsentgelt Höchstbeiträge. Mit Bescheiden vom 30. Juli 2001 forderten ihn die beklagte Krankenkasse und die beklagte Pflegekasse auf, den von der BfA gewährten Beitragszuschuss als Kranken- und Pflegeversicherungsbeitrag für seine Rente abzuführen. Widerspruch, Klage und Berufung blieben erfolglos.
Mit seiner Beschwerde wendet sich der Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts (LSG) vom 17. August 2005.
Entscheidungsgründe
Die Beschwerde ist in entsprechender Anwendung von § 169 Satz 2 und 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG) als unzulässig zu verwerfen. Der Kläger hat in der Begründung des Rechtsmittels entgegen § 160a Abs 2 Satz 3 SGG keinen Zulassungsgrund hinreichend dargelegt oder bezeichnet.
Das Bundessozialgericht (BSG) darf gemäß § 160 Abs 2 SGG die Revision gegen eine Entscheidung des LSG nur dann zulassen, wenn
- die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (Nr 1) oder
- das angefochtene Urteil von der höchstrichterlichen Rechtsprechung abweicht (Nr 2) oder
- bestimmte Verfahrensmängel geltend gemacht werden (Nr 3).
Die inhaltliche Unrichtigkeit einer Entscheidung ist demgegenüber kein Zulassungsgrund.
Der Kläger beruft sich allein auf den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung. Die grundsätzliche Bedeutung einer Rechtssache lässt sich nur darlegen, indem die Beschwerdebegründung ausführt, welche Rechtsfrage sich ernsthaft stellt, deren Klärung über den zu entscheidenden Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder Rechtsfortbildung im allgemeinen Interesse erforderlich (Klärungsbedürftigkeit) und deren Klärung durch das Revisionsgericht zu erwarten (Klärungsfähigkeit) ist (BSG SozR 1500 § 160a Nr 60 und 65; BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 16 mwN - stRspr; BVerwG NJW 1999, 304; vgl auch BVerfG SozR 3-1500 § 160a Nr 7). Die Beschwerdebegründung hat deshalb auszuführen, inwiefern die Rechtsfrage nach dem Stand von Rechtsprechung und Lehre nicht ohne weiteres zu beantworten ist und den Schritt darzustellen, den das Revisionsgericht zur Klärung der Rechtslage im Allgemeininteresse vornehmen soll (BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 31). Diesen Anforderungen genügt die Beschwerdebegründung nicht.
Soweit der Kläger in der Beschwerdebegründung darlegt, dass "der dem Rechtsstreit zu Grunde liegende Sachverhalt und die damit zusammenhängende Rechtsfrage" grundsätzliche Bedeutung hätten, hat er bereits keine Rechtsfrage klar formuliert, an der die weiteren Voraussetzungen für die Revisionszulassung nach § 160 Abs 2 Nr 1 SGG geprüft werden könnten. Soweit er in der Beschwerdebegründung allgemein die Rechtmäßigkeit der Anforderung des vom Rentenversicherungsträger gewährten Beitragszuschusses durch die Beklagten in Frage stellt, hätte er außerdem in der erforderlichen Weise dartun müssen, aus welchen Gründen hiermit zusammenhängende Rechtsfragen trotz der Entscheidungen des Senats vom 25. April 1991 (SozR 3-2200 § 393a Nr 1), 19. Dezember 1991 (USK 91150 = Die Beiträge 1993, 125 = juris Nr: KSRE035933417 ) und 17. Dezember 1996 (juris Nr: KSRE044110217 ) klärungsbedürftig geblieben oder erneut klärungsbedürftig geworden sind. Eine Rechtsfrage ist in aller Regel nicht mehr klärungsbedürftig, wenn sie höchstrichterlich beantwortet ist. Allerdings kann eine höchstrichterlich bereits entschiedene Rechtsfrage wieder klärungsbedürftig werden, wenn in der Beschwerdebegründung wesentlich neue Gesichtspunkte vorgetragen werden, die zu einer über die Erörterungen in den genannten Entscheidungen hinausgehenden Betrachtung führen und die Möglichkeit einer abweichenden Entscheidung in einem neuen Revisionsverfahren nicht offensichtlich ausschließen (vgl BSG, Beschluss vom 30. September 1992 - 11 BAr 47/92, SozR 3-4100 § 111 Nr 1, und Beschluss vom 19. Oktober 2004 - B 11 AL 179/04 B, juris Nr: KSRE064661105 , jeweils mit Nachweisen aus der älteren Rechtsprechung). Solche Gesichtspunkte enthält die Beschwerdebegründung nicht.
Wie § 240 Abs 3 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Krankenversicherung (SGB V) auszulegen und verfassungsrechtlich zu bewerten ist, ist in den og Entscheidungen des Senats revisionsgerichtlich geklärt. Der Senat hat in seinen Urteilen vom 25. April und 19. Dezember 1991, die auf das seit 1. Januar 1989 anzuwendende Recht zu übertragen sind, die Zweckbestimmung des vom Rentenversicherungsträger gewährten Beitragszuschusses zu den Aufwendungen für die Krankenversicherung und den Zweck der Regelung des § 240 Abs 3 Satz 2 SGB V erläutert und ausgeführt, dass die Heranziehung des Beitragszuschusses bei der Beitragsbemessung in der freiwilligen Krankenversicherung nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz verstößt. Die Beschwerdebegründung legt nicht ausreichend dar, weshalb diese Auffassung erneut in einem Revisionsverfahren zu überprüfen wäre. Soweit der Kläger vorträgt, dass BSG habe bei seiner Prüfung nach Art 3 Abs 1 Grundgesetz (GG) einen "nicht zutreffenden Vergleichsmaßstab" angewandt und diejenigen Rentner als Vergleichsgruppe heranziehen müssen, die sich für den Abschluss einer privaten Krankenversicherung entschieden hätten, weil nur diese - wie die von ihm repräsentierte Personengruppe - eine "Wahlmöglichkeit" hätten, ist dieser Vortrag nicht geeignet, zu einer Fortentwicklung des Rechts unter Änderung der bisherigen Rechtsprechung zu führen. Zwar hat der Kläger die hierzu vom LSG vertretene Auffassung aufgegriffen, wonach der Vergleich mit privat versicherten Rentnern nicht greife, weil insoweit bestehende Ungleichbehandlungen schon durch die strukturellen Unterschiede zwischen gesetzlicher und privater Krankenversicherung gerechtfertigt seien. Jedoch hat er sich auf den Einwand beschränkt, dass entgegen der vom Berufungsgericht vertretenen Ansicht nicht die Systeme, sondern die Gruppen der Normadressaten verglichen werden müssten, die über der Beitragsbemessungsgrenze liegende Einkünfte haben. Insoweit wäre vom Kläger weiter - allgemein - unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des BSG zu Art 3 Abs 1 GG sowie - im Besonderen - zur Verfassungsmäßigkeit von Ungleichbehandlungen zwischen gesetzlich und privat Krankenversicherten im Hinblick auf die Systemabgrenzung zwischen gesetzlicher und privater Krankenversicherung darzulegen gewesen, woraus sich im konkreten Fall der Gleichheitsverstoß ergeben soll. Dies kann durch bloße Behauptungen zum Prüfungsmaßstab des Art 3 Abs 1 GG auf der Grundlage in ihrer rechtlichen Bedeutung unklarer Prämissen nicht ersetzt werden. Ebenso wenig wird den an die Darlegung der Klärungsbedürftigkeit gestellten Anforderungen genügt, soweit der Kläger vorträgt, die bisherige Rechtsprechung des Senats berücksichtige nicht, dass § 240 Abs 3 SGB V eine Ausnahme zu § 223 Abs 3 Satz 1 SGB V darstelle. Der Kläger lässt offen, welche Folgen er daraus für seine Rechtsauffassung herleiten will, insbesondere, welche Folgen sich aus dieser Annahme für die Gleichheitsprüfung ergeben sollen.
Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab, da sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung beizutragen (§ 160a Abs 4 Satz 3 Halbs 2 SGG).
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Fundstellen