Verfahrensgang

LSG Baden-Württemberg (Urteil vom 20.07.2021; Aktenzeichen L 11 KR 714/20)

SG Mannheim (Gerichtsbescheid vom 27.01.2020; Aktenzeichen S 13 KR 2141/19)

 

Tenor

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 20. Juli 2021 wird als unzulässig verworfen.

Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

I

Die Klägerin wendet sich gegen die Rückforderung erstatteter Arbeitgeberaufwendungen für Entgeltfortzahlungen im Krankheitsfall an deren Geschäftsführer. Mit ihrer Klage gegen den Rückforderungsbescheid der beklagten Krankenkasse (KK) vom 3.5.2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 9.7.2019 war sie in den Vorinstanzen ohne Erfolg. Das LSG hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt: Die Voraussetzungen der Rechtsgrundlage in § 4 Abs 2 des Aufwendungsausgleichgesetzes (AufAG) seien erfüllt. Der Geschäftsführer der Klägerin sei kein Arbeitnehmer und habe daher keinen Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall nach § 3 des Entgeltfortzahlungsgesetzes gegen die Klägerin gehabt. Nach den insoweit maßgeblichen Grundsätzen des Arbeitsrechts seien Fremdgeschäftsführer einer GmbH nur in eng begrenzten, hier nicht vorliegenden Ausnahmefällen Arbeitnehmer. Darauf hätten die Spitzenverbände der Krankenkasse in ihrem "Gemeinsamen Rundschreiben" zum AufAG vom 21.12.2005 (S 21, 23 f) hingewiesen. Eine Weisungsgebundenheit des GmbH-Geschäftsführers, die so stark sei, dass sie auf einen Status als Arbeitnehmer schließen lasse, komme allenfalls in extremen Ausnahmefällen in Betracht. Eine solcher liege hier nach dem vorliegenden Geschäftsführervertrag nicht vor (Urteil vom 20.7.2021).

Mit ihrer Beschwerde wendet sich die Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im LSG-Urteil.

II

Die Beschwerde ist unzulässig und daher gemäß § 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm § 169 Satz 3 SGG zu verwerfen. Ihre Begründung entspricht nicht den aus § 160a Abs 2 Satz 3 SGG abzuleitenden Anforderungen an die Darlegung des allein geltend gemachten Revisionszulassungsgrundes des Verfahrensmangels.

1. Nach § 160 Abs 2 Nr 3 SGG ist die Revision zuzulassen, wenn ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann; der Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung von § 109 SGG und § 128 Abs 1 Satz 1 SGG (Grundsatz der freien richterlichen Beweiswürdigung) und auf eine Verletzung des § 103 SGG (Amtsermittlungsgrundsatz) nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Um einen Verfahrensmangel in diesem Sinne geltend zu machen, müssen die Umstände bezeichnet werden, die den entscheidungserheblichen Mangel ergeben sollen (vgl zB BSG vom 18.2.1980 - 10 BV 109/79 - SozR 1500 § 160a Nr 36 mwN; BSG vom 31.7.2017 - B 1 KR 47/16 B - SozR 4-1500 § 160 Nr 30 RdNr 16 mwN).

Wer sich - wie hier die Klägerin - auf eine Verletzung der Amtsermittlungspflicht nach § 103 SGG stützt, muss ua einen für das Revisionsgericht ohne Weiteres auffindbaren Beweisantrag bezeichnen, die Rechtsauffassung des LSG wiedergeben, aufgrund derer bestimmte Tatsachen als klärungsbedürftig hätten erscheinen müssen und die von dem betreffenden Beweisantrag berührten Tatumstände darlegen, die zu weiterer Sachaufklärung Anlass gegeben hätten (stRspr; vgl zB BSG vom 26.5.2020 - B 1 KR 7/19 B - juris RdNr 11; BSG vom 12.12.2003 - B 13 RJ 179/03 B - SozR 4-1500 § 160a Nr 3 RdNr 5 mwN). Dazu muss bei einem anwaltlich oder ähnlich rechtskundig vertretenen Beteiligten aufgezeigt werden, dass er zu Protokoll einen formellen Beweisantrag iS von §§ 373, 404 ZPO iVm § 118 SGG bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung gestellt oder noch zumindest hilfsweise aufrechterhalten hat oder das Gericht den Beweisantrag in seinem Urteil wiedergibt. Der Tatsacheninstanz soll durch einen Beweisantrag vor Augen geführt werden, dass der Betroffene die gerichtliche Sachaufklärungspflicht noch nicht als erfüllt ansieht. Der Beweisantrag hat Warnfunktion (stRspr; vgl BSG vom 26.5.2020 - B 1 KR 7/19 B - juris RdNr 11; BSG vom 24.11.1988 - 9 BV 39/88 - SozR 1500 § 160 Nr 67 S 73 f = juris RdNr 4; BSG vom 29.3.2007 - B 9a VJ 5/06 B - SozR 4-1500 § 160 Nr 13 RdNr 11 mwN). Das Berufungsgericht ist einem Beweisantrag ohne hinreichende Begründung dann nicht gefolgt, wenn es objektiv im Rahmen der Amtsermittlungspflicht zu weiterer Sachaufklärung gehalten war, wenn es sich also von seinem Rechtsstandpunkt aus zur beantragten Beweiserhebung hätte gedrängt fühlen müssen (stRspr; vgl nur BSG vom 18.6.2020 - B 3 KR 19/19 B - juris RdNr 7; BSG vom 2.3.2010 - B 5 R 208/09 B - juris RdNr 5; BSG vom 7.4.2011 - B 9 VG 16/10 B - juris RdNr 14). Daran fehlt es.

Die Klägerin hat nicht dargelegt, einen prozessordnungsgemäßen Beweisantrag gestellt zu haben. Dafür muss nicht nur die Stellung des Antrags, sondern auch aufgezeigt werden, über welche im Einzelnen bezeichneten Punkte Beweis erhoben werden sollte. Denn Merkmal eines substantiierten Beweisantrags ist eine bestimmte Tatsachenbehauptung und die Angabe des Beweismittels für diese Tatsache (vgl zB BSG vom 9.7.2015 - B 9 SB 19/15 B - juris RdNr 12; BSG vom 12.12.2003 - B 13 RJ 179/03 B - SozR 4-1500 § 160a Nr 3 RdNr 6 mwN). Dafür ist die behauptete Tatsache möglichst präzise und bestimmt zu behaupten und zumindest hypothetisch zu umreißen, was die Beweisaufnahme ergeben hätte. Nur dies versetzt die Vorinstanz in die Lage, die Entscheidungserheblichkeit des Antrags zu prüfen und gegebenenfalls seine Ablehnung iS des § 160 Abs 2 Nr 3 SGG ausreichend zu begründen (Karmanski in Roos/Wahrendorf, SGG, 2014, § 160a RdNr 96 mwN). Unbestimmte bzw unsubstantiierte Beweisanträge brauchen dem Gericht dagegen keine Beweisaufnahme nahezulegen (vgl BSG vom 19.10.2011 - B 13 R 33/11 R - NZS 2012, 230; BSG vom 19.11.2009 - B 13 R 303/09 B - juris RdNr 12).

Dem wird der Vortrag der Klägerin nicht gerecht. Sie benennt schon keinen Beweisantrag, den sie bis zum Ende der mündlichen Verhandlung formell gestellt oder zumindest aufrechterhalten hat. Sie bezieht sich nur auf ihren Schriftsatz vom 28.5.2021, ohne näher darzulegen, dass sie diesen Antrag auch in der mündlichen Verhandlung gestellt oder aufrechterhalten hat. Ein solcher Antrag ergibt sich auch weder aus der Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom 20.7.2021 noch aus den Gründen des angefochtenen Urteils.

2. Der Senat sieht von einer weiteren Begründung ab (§ 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 SGG).

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG(zur Nichtanwendbarkeit des § 197a SGG vgl BSG vom 20.12.2005 - B 1 KR 5/05 B - SozR 4-1500 § 183 Nr 3 RdNr 8 f; BSG vom 27.10.2009 - B 1 KR 12/09 R - SozR 4-1500 § 183 Nr 9 RdNr 22 f) .

Schlegel                                   Estelmann                                  Scholz

 

Fundstellen

Dokument-Index HI15365090

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