Verfahrensgang

LSG Niedersachsen (Urteil vom 31.01.1995; Aktenzeichen L 3 Kg 36/94)

 

Tenor

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen vom 31. Januar 1995 wird als unzulässig verworfen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

Der Kläger ist, nachdem ihm zwischenzeitlich im Berufungsverfahren eine Berufskrankheit (BK) nach Nr 1301 der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung seit dem 11. Februar 1988 anerkannt und Verletztenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 50 vH bis zum 28. Februar 1990 und um 20 vH bis zum 28. Februar 1993 gewährt worden ist (Bescheid vom 12. Juli 1994), mit seinem Begehren ohne Erfolg geblieben, ihm vom 12. Februar 1988 bis zum 28. Februar 1993 Verletztenrente nach einer MdE um 60 vH und ab 1. März 1993 Verletztenrente nach einer MdE um wenigsten 20 vH auf Dauer zu gewähren (Urteil des Landessozialgerichts ≪LSG≫ Niedersachsen vom 31. Januar 1995 – L 3 U 63/92 –). Das LSG ist zu dem Ergebnis gelangt, nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens bestehe bei dem Kläger durch den Zustand nach Krebserkrankung seit März 1993 keine wesentliche Beeinträchtigung seiner Erwerbsfähigkeit derart mehr, daß er darin in rentenberechtigendem Grade gemindert wäre und es sei im streitigen Zeitraum vom Februar 1988 bis zum Februar 1993 die Annahme eines höheren MdE-Grades als 50 bzw 20 vH nicht gerechtfertigt.

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision ist unzulässig. Die dazu gegebene Begründung entspricht nicht der in § 160 Abs 2 und § 160a Abs 2 Satz 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG) festgelegten gesetzlichen Form. Die Beschwerde war deshalb entsprechend § 169 SGG und mit der Kostenfolge entsprechend § 193 SGG zu verwerfen.

Nach der ständigen Rechtsprechung erfordert § 160a Abs 2 Satz 3 SGG, daß die Zulassungsgründe schlüssig dargetan werden (BSG SozR 1500 § 160a Nrn 34, 47, 54, 58; vgl hierzu auch Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 1991, IX RdNr 177 mwN). Daran fehlt es der Beschwerde.

Nach § 160 Abs 2 Nr 3 SGG ist die Revision nur zuzulassen, wenn ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann; der geltend gemachte Verfahrensmangel kann ua nicht auf eine Verletzung des § 128 Abs 1 Satz 1 SGG (freie richterliche Beweiswürdigung) gestützt werden. Einen solchen Zulassungsgrund hat der Beschwerdeführer nicht schlüssig bezeichnet.

Der Beschwerdeführer hält es für eine Verletzung von § 106 Abs 3 Nr 5, § 118 SGG sowie § 404a Zivilprozeßordung (ZPO), daß das LSG in seiner Beweisanordnung vom 11. Januar 1995 den urologischen Sachverständigen nicht beauftragt habe, den Kläger zum Zwecke der Begutachtung zu untersuchen, sondern ihn dazu nur ermächtigt, dh diese Maßnahme lediglich in sein Ermessen gestellt habe. Das verletze § 404a ZPO. Dieser Darlegung fehlt die Schlüssigkeit. Nach § 404a Abs 2 ZPO soll das Gericht – soweit es die Besonderheit des Falles erfordert – den Sachverständigen vor Abfassung der Beweisfragen hören. Nach den Darlegungen des Beschwerdeführers und dem angefochtenen Urteil ist von einem solchen Sonderfall auszugehen. Das LSG beauftragte danach den urologischen Sachverständigen unter gleichzeitiger Übersendung der Akten 20 Tage vor der mündlichen Verhandlung, in dieser Verhandlung ein mündliches Gutachten zu erstatten. Soweit das LSG dazu zusätzlich erklärt hatte, es ermächtige den Sachverständigen, den Kläger zuvor zum Zwecke der Begutachtung ambulant zu untersuchen, muß dieser Erklärung zweierlei Bedeutung beigemessen werden. Zum einen gibt das LSG damit zum Ausdruck, daß es aus rechtlicher Sicht ausreiche, ein Gutachten nach Aktenlage zu erstatten. Zum anderen beinhaltet diese Erklärung zugleich, unter der Bedingung, daß der Sachverständige aus medizinischer Sicht zur Beantwortung der Beweisfragen eine ambulante Untersuchung für notwendig halte, werde diese im voraus gerichtlich genehmigt. Unter den relativ kurzen Fristen eines derartigen Sonderfalles und angesichts der Besonderheiten des mündlichen Gutachtens kann eine solche gerichtliche Verfahrensweise zum Zwecke der zeitsparenden Vereinfachung noch nicht aus dem Rahmen des § 404a Abs 2 ZPO fallen. Den Beteiligten bleibt dann in Wahrung ihres Anspruchs auf rechtliches Gehör immer noch unbenommen, sowohl vor der mündlichen Verhandlung als auch nach Erstattung des mündlichen Gutachtens vor Schluß der mündlichen Verhandlung eine ambulante Untersuchung und entsprechende Ergänzung des Gutachtens zu beantragen, falls der Sachverständige dies – wie im vorliegenden Falle vorgetragen – unterlassen hat. Der Beschwerdeführer hat nicht dargelegt, daß er einen derartigen ergänzenden Beweisantrag gestellt habe. Soweit er den Inhalt der schriftlichen Anlage rügt, die der Sachverständige als Anlage zum Protokoll gegeben hat, greift er die Beweiswürdigung des LSG nach § 128 Abs 1 Satz 1 SGG an, was im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde unzulässig ist ( § 160 Abs 2 Nr 3 SGG).

Eine Abweichung im Sinne des § 160 Abs 2 Nr 2 SGG ist nur dann ausreichend dargelegt, wenn erklärt wird, mit welchem genau bestimmten, entscheidungserheblichen Rechtssatz das angegriffene Urteil von welcher genau bestimmten, die Entscheidung tragenden rechtlichen Aussage des Bundessozialgerichts (BSG), Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) abweicht (BSG SozR 1500 § 160a Nrn 21, 29, 54), und warum das angefochtene Urteil auf dieser Abweichung beruht. Die erste Voraussetzung hat der Beschwerdeführer nicht schlüssig vorgetragen.

Der Beschwerdebegründung fehlt die Bezeichnung eines abstrakten Rechtssatzes, mit dem das LSG von höchstrichterlichen rechtlichen Aussagen abweicht. Es reicht nicht aus, daß das LSG lediglich im Ergebnis unter Verkennung höchstrichterlicher Rechtsprechung von Entscheidungen zB des BSG abweicht (Krasney/Udsching aaO Nr 196 mwN). Insofern ist es unschlüssig, wenn der Beschwerdeführer ausführt, das angefochtene Urteil postuliere zwar auch, daß es den grundsätzlichen Unterschied zwischen Schwerbehindertenrecht und gesetzlicher Unfallversicherung aufrechterhalten wolle, beachte jedoch diesen Unterschied im Ergebnis gerade nicht.

Schließlich ist auch der Zulassungsgrund einer grundsätzlichen Bedeutung im Sinne des § 160 Abs 2 Nr 1 SGG nicht schlüssig dargelegt. Die Beschwerdebegründung führt nicht aus, warum in dem angestrebten Revisionsverfahren die Frage: “Ob überhaupt die im Recht der sozialen Entschädigung entwickelten Gesichtspunkte der Heilungsbewährung in der gesetzlichen Unfallversicherung angewendet werden können oder müssen”, erheblich sein würde. Das gilt insbesondere im Hinblick darauf, daß es sich hier um einen Fall der erstmaligen Feststellung einer Verletztenrente handelt. Außerdem fehlen der Beschwerdebegründung Ausführungen dazu, warum die geltend gemachte Frage über den Einzelfall hinaus allgemeine Bedeutung hat.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI780363

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