Entscheidungsstichwort (Thema)
Nichtzulassungsbeschwerde. Zulässigkeit der Revision. grundsätzliche Bedeutung. Divergenz. Verfahrensfehler
Orientierungssatz
1. Die richtige Entscheidung des Einzelfalles ist nur Folge der Klärung und Entscheidung einer grundsätzlich bedeutsamen Rechtssache; deshalb sind die Voraussetzungen zur Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung nicht schon dann gegeben, wenn das LSG die Sache falsch entschieden hat (vgl BSG vom 26.06.1975 - 12 BJ 12/75 = SozR 1500 § 160a Nr 7).
2. Zur Begründung einer zulässigen Divergenzrüge reicht es nicht aus, dass die angebliche Unrichtigkeit der LSG-Entscheidung im Hinblick auf anderslautende BSG-Urteile dargelegt wird; entscheidend ist vielmehr die Darlegung einer Nichtübereinstimmung in den abstrakten Rechtsaussagen.
3. Ein Verfahrensfehler iSv § 160 Abs 2 Nr 3 SGG ist nur dann formgerecht bezeichnet, wenn die ihn begründenden Tatsachen im Einzelnen angegeben sind und - in sich verständlich - den behaupteten Verfahrensfehler ergeben; außerdem muss dargelegt werden, dass und warum die angefochtene Entscheidung darauf beruhen kann (vgl BSG vom 29.9.1975 - 8 BU 64/75 = SozR 1500 § 160a Nr 14).
Normenkette
SGG § 160 Abs. 2 Nrn. 1-3, § 160a Abs. 2 S. 3
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Notwendigkeit einer stationären Krankenhausbehandlung der Versicherten K. in der Zeit vom 15.11.2002 bis 13.5.2003 und die damit verbundene Frage, ob die Beklagte die hierfür angefallenen Kosten in Höhe von 29.585,70 Euro zu tragen hat.
Die 1962 geborene Versicherte leidet ua an einer paranoiden Schizophrenie und wurde in der Vergangenheit wiederholt stationär behandelt. Am 15.11.2002 erfolgte eine erneute stationäre Aufnahme in der psychiatrischen Klinik der Klägerin. Dort verblieb die Versicherte bis zum 13.5.2003, unterbrochen nur durch einen Aufenthalt im Kreiskrankenhaus Mosbach vom 23. bis 26.1.2003. Die Beklagte übernahm die Kosten der Krankenhausbehandlung für die Zeit vom 15.11.2002 bis 23.1.2003 sowie vom 27.1. bis 28.3.2003 und lehnte nach Einschaltung des Medizinischen Dienstes der Krankenkassen (MDK) eine darüber hinausgehende Kostenübernahme ab, weil es an einem konkreten realistischen Behandlungsziel fehle. Hiergegen hat die Klägerin am 14.10.2003 Klage erhoben und den noch ausstehenden Betrag von 7.268,94 Euro geltend gemacht. Die Beklagte hat Widerklage erhoben und von der Klägerin die Rückzahlung von 22.316,76 Euro verlangt, weil für den gesamten streitigen Zeitraum kein Anspruch auf Vergütung einer stationären Krankenhausbehandlung vorgelegen habe. Das Sozialgericht hat die Beklagte nach Durchführung einer umfangreichen Beweisaufnahme verurteilt, an die Klägerin 7.268,94 Euro nebst Zinsen zu zahlen, und die Widerklage abgewiesen (Urteil vom 27.6.2006). Das Landessozialgericht (LSG) hat die hiergegen gerichtete Berufung der Beklagten zurückgewiesen (Urteil vom 9.4.2008): Die Versicherte sei nicht - wie die Beklagte fälschlich angenommen habe - in einer "Außenwohngruppe" untergebracht gewesen, sondern sei in der neurologisch-psychiatrischen Station II der Klägerin mit den besonderen Mitteln eines Krankenhauses behandelt worden. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme hätten auch die medizinischen Voraussetzungen für diese stationäre psychiatrische Behandlung durchgängig vorgelegen. Eine vorzeitige Entlassung zum 28.3.2003 sei nicht in Betracht gekommen, weil dies zu einer erneuten Verschlechterung im Gesundheitszustand der Versicherten geführt hätte.
Mit ihrer Beschwerde wendet sich die Beklagte gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des LSG, wobei sie sich auf die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache beruft und zudem das Vorliegen von Divergenz behauptet sowie Verfahrensfehler rügt.
Entscheidungsgründe
Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig, weil sie nicht in der durch die §§ 160 Abs 2, 160a Abs 2 SGG normierten Form begründet worden ist. Sie ist deshalb ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter zu verwerfen (§§ 160a Abs 4 Satz 1, 169 Satz 1 bis 3 SGG) .
1. Die Beklagte macht geltend, die angegriffene Entscheidung betreffe eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG) . Zur Darlegung dieses Zulassungsgrundes ist es erforderlich, die grundsätzliche Rechtsfrage klar zu formulieren und aufzuzeigen, dass sie über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung besitzt (BSGE 40, 158 = SozR 1500 § 160a Nr 11 und 39) und dass sie klärungsbedürftig sowie klärungsfähig ist (BSG SozR 1500 § 160a Nr 13 und 65) , sie also im Falle der Revisionszulassung entscheidungserheblich wäre (BSG SozR 1500 § 160a Nr 54) . In der Regel fehlt es an der Klärungsbedürftigkeit einer Rechtsfrage, wenn diese höchstrichterlich bereits entschieden ist (BSG SozR 1500 § 160 Nr 51, § 160a Nr 13 und 65; BSG SozR 3-1500 § 160 Nr 8) oder sich ihre Beantwortung eindeutig aus dem Gesetz ergibt (Krasney-Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 5. Aufl 2008, IX. Kap RdNr 65 f mwN) . Diese Erfordernisse betreffen die gesetzliche Form iS des § 169 Satz 1 SGG (vgl BVerfG SozR 1500 § 160a Nr 48) . Deren Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall nicht erfüllt.
Die Beklagte stellt schon keine konkrete Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung, über die das Bundessozialgericht (BSG) nach erfolgter Zulassung zur Wahrung und Vereinheitlichung der Rechtsprechung oder zur Fortbildung des Rechts entscheiden könnte (vgl dazu BSG SozR 4-1500 § 160a Nr 9 und SozR 3-1500 § 160a Nr 30; Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 5. Aufl 2008, IX. Kap RdNr 58) . Sie rügt vielmehr die ihrer Ansicht nach falsche Rechtsauslegung und -anwendung durch das LSG im Hinblick auf Entscheidungen des Großen Senats des BSG vom 25.9.2007 - GS 1/07 - (KH 2008, 153) und des erkennenden Senats vom 10.4.2008 - B 3 KR 19/05 R ua (SGb 2008, 348) . Die richtige Entscheidung des Einzelfalles ist jedoch nur Folge der Klärung und Entscheidung einer grundsätzlich bedeutsamen Rechtssache; deshalb sind die Voraussetzungen zur Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung nicht schon dann gegeben, wenn das LSG die Sache falsch entschieden hat (BSG SozR 1500 § 160a Nr 7) . Das Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde soll zur Klärung konkreter Rechtsfragen führen; es dient nicht dazu, die sachliche Richtigkeit der LSG-Entscheidung in vollem Umfang nachzuprüfen (Krasney/Udsching, aaO, IX. Kap RdNr 182 mwN) . Zudem fehlen substantiierte Darlegungen, ob etwaige Rechtsfragen allgemeine Bedeutung über den Einzelfall hinaus besitzen, denn die Beklagte befasst sich nahezu ausschließlich mit der Würdigung ihres konkreten Einzelfalls und trägt nichts dazu vor, dass und wie sich etwaige Rechtsfragen in verallgemeinerungsfähiger Weise klären lassen könnten (Krasney/Udsching, aaO, IX. Kap RdNr 60 mwN) . Schließlich lässt die Beschwerdebegründung auch jegliche Darlegung zur Klärungsbedürftigkeit vermissen. Da sich das BSG - wie die Beklagte selbst vorträgt - mit der von ihr aufgeworfenen Problematik in jüngster Vergangenheit mehrfach befasst hat, hätte unter Auswertung der bereits bestehenden Rechtsprechung dargetan werden müssen, welche Rechts fragen in der höchstrichterlichen Rechtsprechung noch offen sind oder inwieweit dieser Rechtsprechung substantiiert widersprochen worden ist (Krasney/Udsching, aaO, IX. Kap RdNr 183 und 185 - jeweils mwN) . Dies ist nicht geschehen.
2. Eine Divergenz des Berufungsurteils zur Rechtsprechung des BSG, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts (§ 160 Abs 2 Nr 2 SGG) ist ebenfalls nicht formgerecht dargetan. Dazu hätte dargelegt werden müssen, dass das LSG einen tragenden Rechtssatz in Abweichung von einem anderen Rechtssatz aufgestellt hat, den eines der vorgenannten Gerichte entwickelt und angewandt hat, und dass die Entscheidung des LSG auf dieser Divergenz beruht. Hierzu ist notwendig, den von der höchstrichterlichen Rechtsprechung abweichenden Rechtssatz des LSG herauszuarbeiten und die Unvereinbarkeit mit einem Rechtssatz des BSG aufzuzeigen. Eine Abweichung liegt indes nicht schon dann vor, wenn das LSG einen Rechtssatz nicht beachtet oder unrichtig angewandt hat, sondern erst dann, wenn das LSG diesem Rechtssatz widersprochen, also einen anderen Rechtssatz aufgestellt und angewandt hat. Nicht die Unrichtigkeit der Entscheidung im Einzelfall, sondern die Nichtübereinstimmung im Grundsätzlichen begründet die Zulassung der Revision wegen Divergenz (vgl BSG SozR 1500 § 160a Nr 14, 21, 29 und 67) . Diesen Anforderungen wird das Beschwerdevorbringen nicht gerecht. Die Beklagte hat lediglich angegeben, das LSG habe mehrfach die Rechtsprechung des BSG nicht beachtet oder unter Verkennung dieser entschieden. Damit lässt sich jedoch eine zulässige Divergenzrüge iS von § 160 Abs 2 Nr 2 SGG nicht begründen. Es reicht nämlich nicht aus, dass die angebliche Unrichtigkeit der LSG-Entscheidung im Hinblick auf anderslautende BSG-Urteile dargelegt wird; entscheidend ist vielmehr die Darlegung einer Nichtübereinstimmung in den abstrakten Rechtsaussagen (Krasney-Udsching, aaO, IX. Kap RdNr 196 mwN ). Dies ist vorliegend nicht geschehen.
3. Ein Verfahrensfehler (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG) ist nur dann formgerecht bezeichnet, wenn die ihn begründenden Tatsachen im Einzelnen angegeben sind und - in sich verständlich - den behaupteten Verfahrensfehler ergeben; außerdem muss dargelegt werden, dass und warum die angefochtene Entscheidung darauf beruhen kann (BSG SozR 1500 § 160a Nr 14) . Diesen Anforderungen wird die Beschwerdebegründung ebenfalls nicht gerecht. Die Rüge eines Verstoßes gegen den Amtsermittlungsgrundsatz (§ 103 SGG) ist schon deshalb unzulässig, weil eine Verletzung dieser Verfahrensnorm gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 SGG nur darauf gestützt werden kann, dass das LSG einem Beweisantrag ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Dies ist nicht geschehen; die Beklagte behauptet nicht einmal, dass sie einen Beweisantrag gestellt hat. Soweit sie des Weiteren rügt, das Berufungsgericht habe gegen die Pflicht zur Begründung seines Urteils (§ 136 Abs 1 Nr 6 SGG) verstoßen, ist dies ebenfalls nicht hinreichend substantiiert. Dazu wäre es erforderlich gewesen, einen eigenständigen Begründungsweg aufzuzeigen, auf den das Berufungsgericht nicht eingegangen ist (Krasney/Udsching, aaO, VII. Kap RdNr 212 ). Dies hat die Beklagte indes nicht getan; sie behauptet lediglich, das LSG habe aus den gegebenen Fakten unzutreffende Schlussfolgerungen gezogen und damit einen anderen - ihrer Ansicht nach falschen - Begründungsweg eingeschlagen. Damit ist kein Verstoß gegen § 136 Abs 1 Nr 6 SGG hinreichend dargetan.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 197a SGG iVm § 154 Verwaltungsgerichtsordnung. Die Entscheidung zur Festsetzung des Streitwerts und seiner Höhe beruht auf §§ 63 Abs 2, 47, 52 Abs 3 Gerichtskostengesetz.
Fundstellen