Verfahrensgang
LSG Niedersachsen-Bremen (Urteil vom 23.01.2018; Aktenzeichen L 4 KR 26/14) |
SG Hildesheim (Entscheidung vom 15.03.2013; Aktenzeichen S 2 KR 102/10) |
Tenor
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 23. Januar 2018 wird als unzulässig verworfen.
Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe
I
In dem der Nichtzulassungsbeschwerde zugrunde liegenden Rechtsstreit wendet sich der Kläger gegen die (frühere) Erhebung eines kassenindividuellen Zusatzbeitrags in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV).
Der Vater des nach eigenen Angaben 1994, nach den Feststellungen des LSG 1996 geborenen Klägers verstarb 2001. Wegen des anschließenden Bezugs einer Halbwaisenrente in Höhe von rund 215 Euro im Monat wurde er - anstelle der früheren beitragsfreien Familienversicherung - als Rentenbezieher in der GKV versicherungspflichtig. Von Februar 2010 bis März 2012 erhob die Beklagte einen kassenindividuellen Zusatzbeitrag in Höhe von acht Euro im Monat (Bescheid vom 24.2.2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 7.4.2010). Klage und Berufung des Klägers sind erfolglos geblieben (SG-Urteil vom 15.3.2013; LSG-Urteil vom 23.1.2018). Mit seiner Beschwerde wendet sich der Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des LSG.
II
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des LSG Niedersachsen-Bremen vom 23.1.2018 ist gemäß § 160a Abs 4 S 1 Halbs 2 SGG in entsprechender Anwendung von § 169 S 2 und 3 SGG als unzulässig zu verwerfen. Der Kläger hat in der Begründung des Rechtsmittels entgegen § 160a Abs 2 S 3 SGG keinen Zulassungsgrund hinreichend dargelegt oder bezeichnet.
Das BSG darf gemäß § 160 Abs 2 SGG die Revision gegen eine Entscheidung des LSG nur dann zulassen, wenn
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die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (Nr 1) oder |
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das angefochtene Urteil von der höchstrichterlichen Rechtsprechung abweicht (Nr 2) oder |
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bestimmte Verfahrensmängel geltend gemacht werden (Nr 3). |
Die Behauptung, das Berufungsurteil sei inhaltlich unrichtig, kann demgegenüber nicht zur Zulassung der Revision führen (vgl BSG Beschluss vom 26.1.2005 - B 12 KR 62/04 B - SozR 4-1500 § 160a Nr 6 RdNr 18 = Juris RdNr 9).
Der Kläger beruft sich in der Beschwerdebegründung vom 3.4.2018 auf den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG) und macht das Vorliegen von Verfahrensmängeln (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG) geltend.
1. Bei Geltendmachung des Zulassungsgrundes der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache muss die Beschwerdebegründung ausführen, welche Rechtsfrage sich ernsthaft stellt, deren Klärung über den zu entscheidenden Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder Rechtsfortbildung im allgemeinen Interesse erforderlich (Klärungsbedürftigkeit) und durch das Revisionsgericht zu erwarten (Klärungsfähigkeit) ist (stRspr, vgl nur BSG Beschluss vom 17.4.2012 - B 13 R 347/11 B - SozR 4-2600 § 72 Nr 5 RdNr 17 mwN). Die Beschwerdebegründung hat deshalb auszuführen, inwiefern die Rechtsfrage nach dem Stand von Rechtsprechung und Lehre nicht ohne Weiteres zu beantworten ist, und den Schritt darzustellen, den das Revisionsgericht zur Klärung der Rechtsfrage im allgemeinen Interesse vornehmen soll (vgl BSG Beschluss vom 25.10.1978 - 8/3 BK 28/77 - SozR 1500 § 160a Nr 31 S 48). Diesen Anforderungen genügt die Beschwerdebegründung nicht.
Der Kläger wirft auf Seite 8 der Beschwerdebegründung die Frage auf,
"ob § 242 SGB V a.F. i.V.m. § 5 Abs. 1 Nr. 11 SGB V insoweit mit dem GG vereinbar ist, als minderjährige Kinder, die Halbwaisen sind, gegenüber anderen minderjährigen Kindern ohne Rentenbezug unangemessen benachteiligt werden, ob also die genannte Norm verfassungsrechtlichen Bedenken unterliegt."
a) Damit formuliert der Kläger keine Rechtsfrage zur Vereinbarkeit einer konkreten revisiblen Norm des Bundesrechts (§ 162 SGG) mit höherrangigem Recht (BSG Beschluss vom 23.12.2015 - B 12 KR 51/15 B - Juris RdNr 11 mwN). Die Bezeichnung einer hinreichend bestimmten, aus sich heraus verständlichen Rechtsfrage ist jedoch unverzichtbar, damit das Beschwerdegericht an ihr die weiteren Voraussetzungen der Grundsatzrüge prüfen kann (BSG Beschluss vom 10.9.2014 - B 10 ÜG 3/14 B - Juris RdNr 11 mwN). Eine Rechtsfrage ist so konkret zu formulieren, dass sie als Grundlage für die Darlegung der weiteren Merkmale der grundsätzlichen Bedeutung (Klärungsbedürftigkeit, Klärungsfähigkeit, Breitenwirkung) geeignet ist (Voelzke in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGG, 1. Aufl 2017, § 160a RdNr 97). Wird ein Verfassungsverstoß geltend gemacht, genügt es nicht, abstrakt nach der Vereinbarkeit einer Vorschrift des Bundesrechts mit der Verfassung an sich zu fragen. Die Rechtsfrage muss vielmehr derart klar formuliert sein, dass deutlich wird, welche konkrete Regelung des einfachen Rechts als mit welcher konkreten Verfassungsnorm nicht in Einklang stehend erachtet wird.
b) Unabhängig davon legt der Kläger die Klärungsbedürftigkeit nicht hinreichend dar. Wird die Beschwerde mit einem Grundrechtsverstoß begründet, hat sie unter Einbeziehung der einschlägigen Literatur und Rechtsprechung - insbesondere des BVerfG, aber auch des BSG - im Einzelnen aufzuzeigen, woraus sich im konkreten Fall die Verfassungswidrigkeit ergeben soll (BSG Beschluss vom 22.8.1975 - 11 BA 8/75 - BSGE 40, 158 = SozR 1500 § 160a Nr 11 S 14; ferner zB BSG Beschluss vom 2.6.2009 - B 12 KR 65/08 B - Juris RdNr 9 mwN). Dazu müssen der Bedeutungsgehalt der in Frage stehenden einfachgesetzlichen Normen aufgezeigt, die Sachgründe ihrer jeweiligen Ausgestaltung erörtert und die Verfassungsverletzung dargelegt werden. Die Beschwerdebegründung darf sich im Fall einer aufgeworfenen verfassungsrechtlichen Frage nicht darauf beschränken, die Verfassungswidrigkeit zu behaupten und die als verletzt angesehenen Normen des Grundgesetzes zu benennen (BSG Beschluss vom 30.4.2015 - B 10 EG 17/14 B - Juris RdNr 5 mwN). Wird in der Beschwerde eine Verletzung des Gleichheitssatzes geltend gemacht, muss die Beschwerdebegründung unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des BVerfG darlegen, worin die für eine Gleich- bzw Ungleichbehandlung wesentlichen Sachverhaltsmerkmale bestehen sollen (vgl BVerfG ≪Dreier-Ausschuss≫ Beschluss vom 8.6.1982 - 2 BvR 1037/81 - SozR 1500 § 160a Nr 45). Diesen Anforderungen genügt die Beschwerdebegründung nicht.
aa) In grundlegender Hinsicht differenziert der Kläger bereits nicht zwischen der Versicherungspflicht als Rentner und der Erhebung eines Zusatzbeitrags. Obwohl der angefochtene Bescheid der Beklagten nur zu Letzterem erging und der Kläger offenbar vom Beginn der Rente im Jahr 2001 bis zur Erhebung des Zusatzbeitrags im Jahr 2010 keine Einwände gegen seine Versicherungspflicht hatte, vermischt der Kläger beide Aspekte in seiner Beschwerdebegründung.
bb) Sowohl hinsichtlich der Erhebung des Zusatzbeitrags (dazu ≪a≫) als auch hinsichtlich seiner Versicherungspflicht als Bezieher einer Halbwaisenrente (dazu ≪b≫) befasst sich der Kläger im Rahmen der von ihm nach § 160a Abs 2 S 3 SGG darzulegenden Klärungsbedürftigkeit nicht hinreichend mit der Rechtslage und der hierzu bereits ergangenen Rechtsprechung des BSG.
(a) Der Senat hat mit Urteilen vom 21.1.2009 (B 12 R 1/07 R - Juris) und 18.7.2007 (B 12 R 21/06 R - BSGE 99, 19 = SozR 4-2500 § 241a Nr 1) ausgeführt, dass Versicherte durch die alleinige Tragung des zusätzlichen Krankenversicherungsbeitrags nicht in ihrem Eigentumsgrundrecht verletzt sind, weil für die Inhalts- und Schrankenbestimmung legitimierende Gründe bestehen. Die gegen die zuerst genannte Entscheidung eingelegte Verfassungsbeschwerde hat das BVerfG nicht zur Entscheidung angenommen (BVerfG Beschluss vom 3.6.2014 - 1 BvR 79/09 ua - SozR 4-2600 § 68 Nr 4). Die Urteile betrafen zwar die bis zum 31.12.2008 geltende Regelung des § 241a SGB V, wonach für Mitglieder ein zusätzlicher Beitragssatz in Höhe von 0,9 vH galt. Eine Rechtsfrage ist aber auch dann als höchstrichterlich geklärt und damit als nicht (mehr) klärungsbedürftig anzusehen, wenn diese zwar noch nicht ausdrücklich entschieden ist, jedoch schon eine oder mehrere höchstrichterliche Entscheidungen ergangen sind, die ausreichende Anhaltspunkte zur Beantwortung der von der Beschwerde als grundsätzlich herausgestellten Rechtsfrage geben (BSG Beschluss vom 30.8.2016 - B 2 U 40/16 B - SozR 4-1500 § 183 Nr 12 RdNr 7 mwN). Dass sich die vom Kläger aufgeworfene Frage nicht anhand der genannten Urteile beantworten lässt, geht aus der Beschwerdebegründung nicht hervor.
Der Kläger befasst sich auch nicht hinreichend mit der Rechtslage, insbesondere mit der in § 175 Abs 4 S 5 SGB V vorgesehenen Möglichkeit des kurzfristigen Krankenkassenwechsels im Fall der Erhebung eines Zusatzbeitrags.
(b) Der Senat hat mit Urteil vom 29.6.2016 (B 12 KR 1/15 R - SozR 4-2500 § 10 Nr 12) entschieden, dass es nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz verstößt, bei der Anwendung der Gesamteinkommensgrenze im Rahmen der Familienversicherung Halbwaisenrenten einer berufsständischen Versorgungseinrichtung zu berücksichtigen. Er hat darin auch zum Eintritt von Versicherungspflicht aufgrund eines Halbwaisenrentenbezugs und die insoweit bestehende beitragsrechtliche Privilegierung wegen der auf den Rentenzahlbetrag begrenzten Beitragserhebung ausgeführt. Damit befasst sich die Beschwerdebegründung nicht.
Der Kläger unterlässt auch insoweit die gebotene Auseinandersetzung mit der Rechtslage. Hierzu hätte aber schon deshalb Anlass bestanden, weil sich die Rechtslage zum 1.1.2017 - nach dem streitigen Zeitraum - durch Einführung von § 5 Abs 1 Nr 11b SGB V geändert hat und damit eine Ausdehnung der Versicherungspflicht einhergeht. Die Gesetzesbegründung enthält Anhaltspunkte für die vom Gesetzgeber ausdrücklich bejahte Schutzbedürftigkeit dieses Personenkreises (vgl BT-Drucks 18/6905 S 74 f).
2. Einen Verfahrensfehler bezeichnet der Kläger ebenfalls nicht in einer den Zulässigkeitsanforderungen entsprechenden Weise.
Der Kläger rügt, die Vorinstanzen seien zu Unrecht seinem Antrag, das Verfahren auszusetzen und eine Entscheidung des BVerfG über die von ihm bezeichnete Rechtsfrage einzuholen (Antrag auf Durchführung eines Normenkontrollverfahrens), nicht nachgekommen. Hierdurch bezeichnet der Kläger keinen Verfahrensmangel in einer den Anforderungen nach § 160a Abs 2 S 3 SGG entsprechenden Weise.
Da das LSG die Rechtslage nach einer ausführlich ab Seite 8 des Urteils begründeten Prüfung ausdrücklich für verfassungsgemäß gehalten hat, bestand keine Verpflichtung für eine Aussetzung des Verfahrens und Vorlage an das BVerfG gemäß Art 100 Abs 1 GG (vgl hierzu BSG Beschluss vom 4.10.1993 - 10 BKg 10/93 - Juris). Anhaltspunkte für das Vorliegen einer willkürlich falschen Rechtsanwendung (vgl Kummer, Die Nichtzulassungsbeschwerde, 2. Aufl 2010, RdNr 452 mwN) sind weder vorgetragen noch ersichtlich.
3. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab, weil sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung beizutragen (§ 160a Abs 4 S 2 Halbs 2 SGG).
4. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.
Fundstellen
Dokument-Index HI12151507 |