Entscheidungsstichwort (Thema)

Kein individueller Anspruch gegen den Krankenversicherungsträger auf Untersagung von Leistungen. Unzulässigkeit einer Verfassungsbeschwerde

 

Orientierungssatz

1. Eine Klage, die Gewährung der nach §§ 31b, 31c KVLG (§§ 200f, 200g RVO) obliegenden Leistungen in den Fällen nicht medizinisch indizierter Schwangerschaftsabbrüche zu untersagen ist als Popularklage unzulässig. Das BVerfG hat mit seinem Beschluß vom 18.4.1984 1 BvL 43/81 = BVerfGE 67, 26, 36 f in einem gleichartigen Falle dementsprechend entschieden, daß auf eine Unterlassung, wie sie begehrt wird, sozialrechtlich kein Anspruch bestehe, weil die gesetzlich normierte Kassenleistung an Dritte den persönlichen, durch das Mitgliedschaftsverhältnis zur Krankenkasse bestimmten Rechtskreis der übrigen Mitglieder nicht berühre. Das BVerfG hat weiter ausgeführt, daß ein Rechtsanspruch iS des § 54 Abs 5 SGG sich auch nicht unmittelbar aus Grundrechten ergebe, weil der einzelne Bürger, der eine bestimmte Verwendung des Aufkommens aus Beiträgen und öffentlichen Abgaben für grundrechtswidrig hält, aus seinen Grundrechten keinen Anspruch auf generelle Unterlassung einer solchen Verwendung herleiten könne.

2. Die Verfassungsbeschwerde gegen den Beschluß wurde nicht zur Entscheidung angenommen (vgl BVerfG 1. Senat 2. Kammer vom 30.4.1986 1 BvR 1453/85).

 

Normenkette

KVLG §§ 31b, 31c; RVO §§ 200f, 200g; SGG § 54 Abs 5; GG

 

Verfahrensgang

LSG Baden-Württemberg (Entscheidung vom 21.06.1985; Aktenzeichen L 4 Kr 1724/84)

 

Gründe

Das Landessozialgericht (LSG) hat die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts deshalb zurückgewiesen, weil die Klägerin mit ihrem Antrag, der Beklagten die Gewährung der ihr nach §§ 31b, 31c KVLG (§§ 200f, 200g der RVO) obliegenden Leistungen in den Fällen nicht medizinisch indizierter Schwangerschaftsabbrüche zu untersagen, keinen individuellen sozialrechtlichen Anspruch auf Leistung geltend mache, der nach § 54 Abs 4 und 5 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) Gegenstand einer Leistungs- bzw Unterlassungsklage sein könnte. Die Klage sei als Popularklage unzulässig. Das BVerfG habe mit seinem Beschluß vom 18. April 1984 (BVerfGE 67, 26, 36 f) in einem gleichartigen Falle dementsprechend entschieden, daß auf eine Unterlassung, wie sie die Klägerin begehre, sozialrechtlich kein Anspruch bestehe, weil die gesetzlich normierte Kassenleistung an Dritte den persönlichen, durch das Mitgliedschaftsverhältnis zur Krankenkasse bestimmten Rechtskreis der übrigen Mitglieder nicht berühre. Das BVerfG habe weiter ausgeführt, daß ein Rechtsanspruch iS des § 54 Abs 5 SGG sich auch nicht unmittelbar aus Grundrechten ergebe, weil der einzelne Bürger, der eine bestimmte Verwendung des Aufkommens aus Beiträgen und öffentlichen Abgaben für grundrechtswidrig hält, aus seinen Grundrechten keinen Anspruch auf generelle Unterlassung einer solchen Verwendung herleiten könne.

Das LSG hat für die Zulassung der Revision keinen Anlaß gesehen, da die Voraussetzung des § 160 Abs 2 Nr 1 und 2 SGG nicht vorlägen.

Gegen die Nichtzulassung der Revision hat die Klägerin Beschwerde eingelegt. Sie ist der Meinung, dem Rechtsstreit komme aus folgenden Gründen grundsätzliche Bedeutung zu: Das deutsche Volk sei im Begriff, sich selbst auszurotten. Dies sei eine Folge der Liberalisierung des Strafrechts. Die sogenannte "Abtreibung" werde aus "sozialen" Gründen allgemein gestattet. Dies sei grundgesetzwidrig und rechtswidrig. Der vom Grundgesetz garantierte Schutz des Lebens erstrecke sich auch auf die Kinder im Mutterleib. Aus § 1912 BGB ergebe sich, daß die "Leibesfrucht" dem geborenen Kind gleichgestellt sei. Analoge Vorgänge hätten sich im Leben der antiken Völker abgespielt. Es handele sich nur um alte Zeichen des biologischen Verfalls eines Volkes.

Die Beschwerde ist unzulässig, denn ihre Begründung entspricht nicht den gesetzlichen Anforderungen (§ 160a Abs 2 Satz 3 SGG). Die Klägerin stützt ihre Beschwerde auf eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG). Sie hätte daher zur Begründung der Beschwerde eine klärungsbedürftige Rechtsfrage klar bezeichnen und ferner darlegen müssen, daß über diese Rechtsfrage im vorliegenden Fall entschieden werden kann. Da ihre Klage vom LSG in der Begründung als unzulässig abgewiesen worden ist, hätte sie sich zunächst mit der Zulässigkeit der Klage befassen müssen, denn eine unzulässige Klage gestattet es den Gerichten nicht, in der Sache zu entscheiden. Zur Zulässigkeit der Klage enthält die Beschwerdebegründung jedoch keine Ausführungen.

Die Beschwerde war daher in entsprechender Anwendung des § 169 SGG als unzulässig zu verwerfen.

Die Kostenentscheidung beruht auf entsprechender Anwendung des § 193 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1663534

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