Entscheidungsstichwort (Thema)
Außergerichtliche Kosten bei Erstattungsforderungen nach § 128 AFG. Pauschalabgeltung
Orientierungssatz
1. Die Vereinbarung der BA mit der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) über eine Pauschalabgeltung der Verfahrenskosten entfaltet Bindungswirkung nur gegenüber den Unternehmen, die sich an der sogenannten Pauschalabgeltung durch Zahlung von 500 Millionen DM beteiligt haben.
2. Der Grundsatz, daß die Kosten eines durch Aufhebung des § 128 AFG erledigten Rechtsstreits der BA aufzuerlegen sind, duldet auch für den Fall keine Ausnahme, daß der Bescheid bei verfassungskonformer Auslegung des § 128 AFG bei Erlaß eindeutig rechtmäßig war.
Normenkette
AFG § 128; SGG § 193 Abs 1 Halbs 2
Gründe
Die Beteiligten haben darüber gestritten, ob die beklagte Bundesanstalt für Arbeit (BA) gegen die klagende Arbeitgeberin einen Erstattungsanspruch aus § 128 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) idF des AFKG vom 22. Dezember 1981 (BGBl I S 1497; im folgenden: AFG aF) hatte. Die Beklagte hatte Erstattungsforderungen von 10.814,45 DM für die Zeit vom 19. Mai 1984 bis 12. März 1985 (Bescheid vom 22. April 1985) und von 2.455,67 DM für die Zeit vom 18. März 1985 bis 22. Mai 1985 (Bescheid vom 11. Juli 1985) geltend gemacht. Die hiergegen gerichtete Klage war in beiden Vorinstanzen erfolgreich. Nach Erlaß der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) zu § 128 AFG vom 23. Januar 1990 (SozR 3-4100 § 128 AFG Nr 1) hat die Beklagte im Revisionsverfahren die Erstattungsforderung für die Zeit ab dem 1. August 1984 fallen lassen und für die Zeit vom 19. Mai bis 31. Juli 1984 auf die Hälfte reduziert. Nach Inkrafttreten des Gesetzes zur Änderung arbeitsförderungsrechtlicher und anderer sozialrechtlicher Vorschriften (AFG ua ÄndG) vom 21. Juni 1991 (BGBl I S 1306) haben die Beteiligten den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt. Die Klägerin beantragt, der BA die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.
Die in einer Vereinbarung der BA mit der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) über eine Pauschalabgeltung der Erstattungsforderungen hinsichtlich der Prozeßkosten getroffene Regelung bindet die Klägerin nicht und steht damit ihrem Kostenantrag nicht entgegen. Die BA hat nach Erlaß der oben genannten Entscheidung des BVerfG die genannte Vereinbarung getroffen, die neben der sogenannten Pauschalabgeltung nicht mehr verwirklichter Erstattungsforderungen ua vorsah, daß die außergerichtlichen Kosten in noch anhängigen Sozialgerichtsverfahren gegeneinander aufgehoben werden sollten (vgl Unterrichtungsvorlage des Präsidenten der Bundesanstalt für Arbeit für die Sitzung des Vorstandes am 18. Dezember 1990, Ziff 1.2; abgedruckt in: Info also 1991 S 71 ff).
Die Absprache bezüglich der Verfahrenskosten entfaltet Bindungswirkung nur gegenüber den Unternehmen, die sich an der sogenannten Pauschalabgeltung durch Zahlung von 500 Millionen DM beteiligt haben; davon geht auch die Beklagte selbst aus (Dienstblattrunderlaß 117/91 vom 29. Juli 1991, Ziff 4.2 Abs 2 und 3). Dieselbe Rechtsauffassung ergibt sich aus dem Rundschreiben der BDA vom 27. September 1991, das denjenigen Unternehmen, die keine Zahlungen im Rahmen der Pauschalbereinigung geleistet haben, lediglich eine freiwillige Übernahme der genannten Kostenregelung anheimstellt. Anhaltspunkte dafür, daß die Klägerin zu den beteiligten Unternehmen gehört, sind weder ersichtlich noch vorgetragen; in der entsprechenden Liste der Beklagten (Anlage 2 zum Runderlaß der Beklagten vom 11. März 1991) ist die Klägerin nicht verzeichnet.
Eine weitergehende Verbindlichkeit der Absprache kann auch nicht daraus abgeleitet werden, daß die Gesetzesvorlage zur Aufhebung des § 128 AFG nach ihrer amtlichen Begründung "nach Zahlung einer einmaligen Summe zur Abgeltung von ausstehenden Erstattungsforderungen durch die Arbeitgeberseite" zustande gekommen ist (BT-Drucks 12/222 zu Nr 3 auf S 7). Hätte der Gesetzgeber aus der Zahlung einer Pauschalabgeltung weitergehende Folgerungen als die Aufhebung des § 128 AFG ziehen wollen, so hätte auch das einen Niederschlag im Gesetzeswortlaut finden müssen.
Daher war auf Antrag der Klägerin durch Beschluß gemäß § 193 Abs 1 2. Halbsatz des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) über die Kosten nach sachgemäßem Ermessen zu entscheiden. Hat sich die Hauptsache anders als durch Urteil erledigt, kommt es vor allem auf die summarische Beurteilung an, wie der Rechtsstreit nach dem bisherigen Sach- und Streitstand voraussichtlich ausgegangen wäre. Das BSG hat in Fällen, in denen der für den Kläger günstige Ausgang des Rechtsstreits allein auf eine Rechtsänderung im Revisionsverfahren zurückzuführen ist, es für gerechtfertigt angesehen, von jeglicher Verpflichtung der letztlich unterlegenen Körperschaft des öffentlichen Rechts zur Erstattung der außergerichtlichen Kosten des Klägers abzusehen (BSGE 3, 95, 105f; BSG Beschlüsse vom 24. Mai 1991 - 7 RAr 120/90 - und vom 30. August 1991 - 11 RAr 41/89 -). Das kann indes nicht in Fällen gelten, in denen die Rechtsänderung nach Sinn, Zweck und Begleitumständen einen Rückgriff auf die alte Rechtslage auch für die Kostenentscheidung ausschließt.
Die von der Beklagten im Zusammenhang mit der Pauschalbereinigung vorgetragenen Argumente und der im Rundschreiben der BDA vom 27. September 1991 angesprochene Solidaritätsgedanke rechtfertigen es nicht, ohne weitere Prüfung eine Kostenregelung in dem von der Beklagten erstrebten Sinne zu treffen.
Die Kostenvereinbarung kann den Inhalt der zu treffenden Kostenentscheidung jedenfalls bei der Fallgestaltung nicht beeinflussen, daß die Klage von Anfang an nach § 128 AFG in der durch die Entscheidung des BVerfG klargestellten Auslegung begründet war. Die Vereinbarung kann aber auch dann nicht herangezogen werden, wenn die Anwendung des § 128 AFG nicht zu eindeutigen Ergebnissen führt. Der Gesetzgeber hat § 128 AFG im wesentlichen deshalb aufgehoben, weil das BVerfG eine derart weite Auslegung der Befreiungstatbestände gefordert habe, daß dies in der Praxis zur Unvollziehbarkeit der Vorschrift führe (Gegenäußerung der Bundesregierung gegen den Antrag des Bundesrates, von der Streichung des § 128 AFG abzusehen, BT-Drucks 12/493 S 3 zu Nr 11). Wird der Bürger aufgrund einer nicht vollziehbaren Regelung in Anspruch genommen, und wird die Regelung wegen ihrer Unvollziehbarkeit später aufgehoben, so entspricht es allgemeiner Billigkeit, ihn von Kosten freizustellen. Mängel der Gesetzgebung können im Verhältnis Behörde-Bürger jedenfalls nicht dem Bürger angelastet werden und wirken sich damit im Ergebnis zum Nachteil der Behörde aus (hierzu BSG Urteil vom 16. Oktober 1991 - 11 RAr 119/90 - zur Veröffentlichung vorgesehen).
Die Zahlung des Abgeltungsbetrages war für die Aufhebung des § 128 AFG nur von untergeordneter Bedeutung. Die amtliche Begründung erwähnt nur die Zahlung als solche ohne deren Höhe zu nennen (BT-Drucks 12/222 S 7). Das schließt schon im Ansatz die Argumentation aus, die Zahlung sei Gegenleistung für die Aufhebung und wenn der Klägerin die Pauschalbereinigung zugute käme, obwohl sie sich an der Aufbringung der Mittel nicht beteiligt habe, dann müsse sie zumindest den Inhalt der Kostenvereinbarung gegen sich gelten lassen. Das erübrigt Überlegungen zur Verfassungsmäßigkeit einer gesetzlichen Regelung als Gegenleistung für eine erfolgte Zahlung.
Der Grundsatz, daß die Kosten eines durch Aufhebung des § 128 AFG erledigten Rechtsstreits der BA aufzuerlegen sind, duldet auch für den Fall keine Ausnahme, daß der Bescheid bei verfassungskonformer Auslegung des § 128 AFG bei Erlaß eindeutig rechtmäßig war. Der Gesetzgeber hat § 128 AFG vollständig aufgehoben, d.h. auch für die Fälle, in denen bei verfassungskonformer Auslegung eindeutig ein Erstattungsanspruch bestand. Das ist auch für die Kostenentscheidung zu beachten.
Fundstellen
Haufe-Index 1651521 |
BB 1992, 357 |
NZA 1992, 389 |