Verfahrensgang
Sächsisches LSG (Urteil vom 17.10.2017; Aktenzeichen L 4 RS 528/17) |
SG Chemnitz (Entscheidung vom 30.06.2017; Aktenzeichen S 7 RS 493/17) |
Tenor
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Sächsischen Landessozialgerichts vom 17. Oktober 2017 wird als unzulässig verworfen.
Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine Kosten zu erstatten.
Gründe
Mit Urteil vom 17.10.2017 hat das Sächsische LSG einen Anspruch des Klägers auf Feststellung der Zeiten vom 1.7.1969 bis 31.12.1983 und vom 1.3.1985 bis 30.5.1990 als Zeiten der Zugehörigkeit zur zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz sowie der Zeit vom 1.6.1990 bis 30.6.1990 als Zeit der Zugehörigkeit zur freiwilligen zusätzlichen Altersversorgung für Mitarbeiter des Staatsapparats nebst der jeweils erzielten Arbeitsentgelte verneint, weil der Kläger mangels Vorliegens der Voraussetzungen des § 1 Abs 1 AAÜG nicht in den persönlichen Anwendungsbereich dieses Gesetzes falle.
Gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil hat der Kläger Beschwerde beim BSG eingelegt. Er beruft sich auf Divergenz iS von § 160 Abs 2 Nr 2 SGG und die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache iS von § 160 Abs 2 Nr 1 SGG.
Die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers ist unzulässig, weil sie nicht formgerecht begründet ist.
Die Revision ist nur zuzulassen, wenn
- die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG),
- das Urteil von einer Entscheidung des BSG, des GmSOGB oder des BVerfG abweicht und auf dieser Abweichung beruht (aaO Nr 2) oder
- ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann (aaO Nr 3).
Derartige Gründe werden in der Beschwerdebegründung nicht nach Maßgabe der Erfordernisse des § 160a Abs 2 S 3 SGG dargetan. Die Beschwerde ist daher gemäß § 160a Abs 4 S 1 iVm § 169 SGG zu verwerfen.
1. Divergenz iS von § 160 Abs 2 Nr 2 SGG liegt vor, wenn die tragenden abstrakten Rechtssätze, die zwei Entscheidungen zugrunde gelegt worden sind, nicht übereinstimmen. Sie kommt nur dann in Betracht, wenn das LSG einen tragenden abstrakten Rechtssatz in Abweichung von einem vorhandenen abstrakten Rechtssatz des BSG, des GmSOGB oder des BVerfG aufgestellt hat. Eine Abweichung liegt folglich nicht schon dann vor, wenn die Entscheidung des LSG nicht den Kriterien entspricht, die das BSG aufgestellt hat, sondern erst, wenn das LSG diesen Kriterien widersprochen, also eigene rechtliche Maßstäbe entwickelt hat. Nicht die Unrichtigkeit der Entscheidung im Einzelfall, sondern die Nichtübereinstimmung im Grundsätzlichen begründet die Zulassung der Revision wegen Abweichung. Darüber hinaus verlangt der Zulassungsgrund der Divergenz, dass das angefochtene Urteil auf der Abweichung beruht. Bezogen auf die Darlegungspflicht bedeutet das vorstehend Gesagte, dass die Beschwerdebegründung erkennen lassen muss, welcher abstrakte Rechtssatz in der höchstrichterlichen Entscheidung enthalten ist und welcher im Urteil des LSG enthaltene Rechtssatz dazu im Widerspruch steht; ferner muss aufgezeigt werden, dass auch das Revisionsgericht die oberstgerichtliche Rechtsprechung in einem künftigen Revisionsverfahren seiner Entscheidung zugrunde zu legen haben wird (zum Ganzen vgl BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 34 S 72 mwN). Diesen Darlegungserfordernissen wird die Beschwerdebegründung nicht gerecht.
Der Kläger macht geltend, dass die angefochtene Entscheidung von den Urteilen des BSG vom 10.4.2002 (B 4 RA 56/01 R - SozR 3-8570 § 1 Nr 4), vom 19.10.2010 (B 5 RS 4/09 R - Juris) und vom 19.7.2011 (B 5 RS 7/09 R - Juris) abweiche.
Das LSG habe den Rechtssatz aufgestellt:
"Die Eröffnung des Anwendungsbereiches des AAÜG nach dem § 1 Absatz 1 AAÜG für das streitbefangene Zusatzversorgungssystem der Ordnung über die freiwillige zusätzliche Altersversorgung für Mitarbeiter des Staatsapparates ist von einer Beitrittserklärung oder dem Nachweis von Beitragszahlungen durch den Versicherten/Anspruchsteller abhängig."
Demgegenüber habe das BSG im Urteil vom 10.4.2002 (aaO) folgenden Rechtssatz aufgestellt:
"Nach den Regelungen des Versorgungssystems der wissenschaftlichen Intelligenz (§ 1 Abs. 1 i.V.m. Anlage 1 Nr. 4 zum AAÜG) konnte bei nicht erfolgter Einbeziehung kraft Bundesrecht eine Versorgungsanwartschaft nur bei einer Beschäftigung in einer wissenschaftlich, selbstständigen staatlichen Einrichtung und nicht bei einer solchen in einem Forschungszentrum eines volkseigenen Betriebs erworben werden."
Nach der Rechtsauffassung des LSG sei für den Beitritt zu dem Zusatzversorgungssystem gemäß § 2 Abs 2 der Ordnung über die freiwillige zusätzliche Altersversorgung für Mitarbeiter des Staatsapparates vom 29.1.1971 (FZAO-StMitarb) eine Beitrittserklärung seitens des Klägers erforderlich gewesen. Hierauf stelle die Entscheidung des BSG vom 10.4.2002 (aaO) aber gerade nicht ab; danach seien ausschließlich die Art der Beschäftigung, die hierfür vorgesehenen und tatsächlich erworbenen Qualifikationen sowie die Beschäftigungsstelle des Klägers maßgeblich.
Mit diesem Vorbringen ist eine Divergenz nicht schlüssig dargetan.
Eine Divergenz iS von § 160 Abs 2 Nr 2 SGG kommt nur in Betracht, wenn der angefochtenen Berufungsentscheidung und der herangezogenen höchstrichterlichen Entscheidung zumindest vergleichbare Sachverhalte zugrunde liegen und sie sich auf Normen mit einem inhaltsgleichen Regelungsgehalt beziehen. Die Beschwerdebegründung zeigt indes auf, dass es in dem Urteil des LSG um die freiwillige zusätzliche Altersversorgung für Mitarbeiter des Staatsapparates (Anl 1 Nr 19 zum AAÜG) und damit die Vorschriften der für dieses Versorgungssystem einschlägigen FZAO-StMitarb geht, während sich das Urteil des BSG vom 10.4.2002 (aaO) mit dem Versorgungssystem der wissenschaftlichen Intelligenz (Anl 1 Nr 4 zum AAÜG) und folglich den für dieses System maßgeblichen Regelungen befasst. Dass diese eine § 2 Abs 2 FZAO-StMitarb entsprechende Regelung enthalten, legt der Kläger nicht dar.
Aus denselben Gründen ist auch keine Divergenz zu dem Urteil des BSG vom 19.10.2010 (aaO) aufgezeigt. Nach den Angaben der Beschwerdebegründung ist dieses zu dem Versorgungssystem der technischen Intelligenz (Anl 1 Nr 1 zum AAÜG) und damit den insoweit maßgeblichen Regelungen, wie ua der vom Kläger genannten "2. DB" ergangen. Dass diese eine mit § 2 Abs 2 FZAO-StMitarb vergleichbare Regelung enthalten, legt die Beschwerdebegründung ebenfalls nicht dar.
Überdies trägt der Kläger vor, das LSG habe Entscheidungsgrundsätze des BSG aus dem Urteil vom 19.10.2010 (aaO) nicht "erkannt". Das Missverstehen oder Übersehen höchstrichterlicher Rechtssätze und eine daraus resultierende fehlerhafte Rechtsanwendung lässt nicht den Schluss zu, das LSG habe einen divergierenden Rechtssatz aufgestellt. Die Bezeichnung einer Abweichung iS des § 160 Abs 2 Nr 2 SGG setzt vielmehr die Darlegung voraus, dass das Berufungsgericht die höchstrichterliche Rechtsprechung im angefochtenen Urteil in Frage stellt. Dies ist nicht der Fall, wenn es eine höchstrichterliche Entscheidung in ihrer Tragweite für den zu entscheidenden Fall lediglich verkannt haben sollte (vgl BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 34 S 73 mwN).
Schon aus diesem Grund ist auch eine Divergenz zum Urteil des BSG vom 19.7.2011 (aaO) nicht aufgezeigt, dessen Bedeutung das LSG nach dem Vorbringen des Klägers "verkannt" habe.
Soweit der Kläger schließlich auch eine Abweichung von dem Urteil des LSG Berlin-Brandenburg vom 26.2.2015 (L 2 R 224/13 - Juris) rügt, ist darauf hinzuweisen, dass dieses keine divergenzfähige Entscheidung iS von § 160 Abs 2 Nr 2 SGG darstellt.
2. Eine Rechtssache hat nur dann grundsätzliche Bedeutung, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die über den Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Der Beschwerdeführer muss daher anhand des anwendbaren Rechts und unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung angeben, welche Fragen sich stellen, dass diese noch nicht geklärt sind, weshalb eine Klärung dieser Rechtsfragen aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts erforderlich ist und dass das angestrebte Revisionsverfahren eine Klärung erwarten lässt. Ein Beschwerdeführer muss mithin, um seiner Darlegungspflicht zu genügen, eine Rechtsfrage, ihre (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit, ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit (Entscheidungserheblichkeit) sowie die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der von ihm angestrebten Entscheidung (so genannte Breitenwirkung) darlegen (zum Ganzen vgl BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 34 S 70 mwN; Fichte in Breitkreuz/Fichte, SGG, 2. Aufl 2014, § 160a RdNr 32 ff). Diesen Anforderungen wird die vorliegende Beschwerdebegründung ebenfalls nicht gerecht.
Der Kläger misst der Frage grundsätzliche Bedeutung bei,
"ob die Auslegung des Begriffs der Zugehörigkeit in § 1 Absatz 1 Satz 1 AAÜG in gleicherweise zu erfolgen hat, wie sie im Urteil des BSG vom 19.07.2011, Az.: B 5 RS 7/09 im Rahmen der Vorschrift des § 5 Absatz 1 Satz 1 AAÜG vorgenommen wurde".
Er versäumt es indes, deren Klärungsbedürftigkeit schlüssig darzutun.
Eine Rechtsfrage ist dann nicht klärungsbedürftig, wenn die Antwort praktisch außer Zweifel steht, sich zB unmittelbar aus dem Gesetz ergibt oder bereits höchstrichterlich geklärt ist. Als höchstrichterlich geklärt ist eine Rechtsfrage auch dann anzusehen, wenn das Revisionsgericht bzw das BVerfG diese zwar noch nicht ausdrücklich entschieden hat, jedoch schon eine oder mehrere höchstrichterliche Entscheidungen ergangen sind, die ausreichende Anhaltspunkte zur Beurteilung der von der Beschwerde als grundsätzlich herausgestellten Rechtsfrage geben (vgl BSG SozR 3-1500 § 160 Nr 8 S 17). Im Hinblick hierauf muss in der Beschwerdebegründung unter Auswertung der Rechtsprechung des BSG zu dem Problemkreis substantiiert vorgetragen werden, dass das BSG zu diesem Fragenbereich noch keine Entscheidung gefällt oder durch die schon vorliegenden Urteile die hier maßgebende Frage von grundsätzlicher Bedeutung noch nicht beantwortet hat (Krasney/Udsching/Groth, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 7. Aufl 2016, Kap IX RdNr 183 mwN).
Hieran fehlt es. Zwar trägt der Kläger vor, die von ihm aufgeworfene Frage sei höchstrichterlich bisher nicht beantwortet und es ergebe sich eine Antwort auch nicht ohne Weiteres aus dem Gesetz oder aus Teilaspekten der vorliegenden Rechtsprechung. Dass die vorliegenden höchstrichterlichen Urteile darüber hinaus noch nicht einmal Anhaltspunkte für die Beantwortung der als grundsätzlich herausgestellten Frage bieten, legt die Beschwerdebegründung dagegen nicht nachvollziehbar dar. Sie zeigt im Gegenteil auf, dass sich aus den Urteilen des BSG vom 10.4.2002 (aaO), vom 19.10.2010 (aaO) und vom 19.7.2011 (aaO) Kriterien zur Beantwortung der aufgeworfenen Frage ableiten ließen.
Von einer weiteren Begründung wird abgesehen (§ 160a Abs 4 S 2 Halbs 2 SGG).
Die Kostenentscheidung richtet sich nach § 193 Abs 1 und 4 SGG.
Fundstellen
Dokument-Index HI11740479 |