Entscheidungsstichwort (Thema)
Revision. Nichtzulassungsbeschwerde. Begründung. Grundsätzliche Bedeutung. Darlegungsanforderungen
Leitsatz (redaktionell)
Die Begründung einer Nichtzulassungsbeschwerde genügt nicht den Anforderungen des § 160a Abs. 2 S. 3 SGG, wenn bei der Frage der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache die dazu vorliegende Rechtsprechung des Bundessozialgerichts nur unvollständig berücksichtigt wird und der Beschwerdeführer sich nicht damit in der gebotenen Weise auseinandersetzt.
Normenkette
SGG § 160 Abs. 2, § 160a Abs. 2 S. 3
Verfahrensgang
LSG Baden-Württemberg (Urteil vom 25.09.2003) |
SG Stuttgart (Gerichtsbescheid vom 31.07.2002) |
Tenor
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 25. September 2003 wird als unzulässig verworfen.
Die Beteiligten haben einander auch für das Beschwerdeverfahren keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Gründe
Die Klägerin hat sich wiederholt gegen ihre Versicherungs- und Beitragspflicht in der Alterssicherung der Landwirte gewendet. Damit ist sie auch in dem anhängigen Rechtsstreit, in dem es um die Beiträge im Zeitraum vom 15. April 1998 bis 15. September 1998, 15. Juli 1999 bis 15. März 2001 (Beitragsbescheid der Beklagten vom 28. März 2001) zuzüglich Säumniszuschläge und Vollstreckungskosten aus früheren Vollstreckungen (insgesamt 10.495,70 DM) sowie vom 15. Oktober 1999 bis 15. September 2001 (Beitragsbescheid vom 29. Oktober 2001) zuzüglich Säumniszuschläge (insgesamt 9.171,00 DM) geht, ohne Erfolg geblieben (Widerspruchsbescheid vom 17. Oktober 2001, Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 31. Juli 2002; Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg ≪LSG≫ vom 25. September 2003). Gegen die Nichtzulassung der Revision in dem vorgenannten Urteil hat die Klägerin Beschwerde eingelegt und als Zulassungsgrund eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 Sozialgerichtsgesetz ≪SGG≫) geltend gemacht.
Die Beschwerde ist unzulässig. Die Begründung genügt nicht den gesetzlichen Anforderungen, weil ein Zulassungsgrund nach § 160 Abs 2 SGG nicht ordnungsgemäß dargetan ist (§ 160a Abs 2 Satz 3 SGG).
Grundsätzliche Bedeutung iS des § 160 Abs 2 Nr 1 SGG hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die – über den Einzelfall hinaus – aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Ein Beschwerdeführer muss daher anhand des anwendbaren Rechts sowie unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung und des Schrifttums angeben, welche Rechtsfragen sich stellen, dass diese noch nicht geklärt sind, weshalb eine Klärung aus Gründen der Rechtseinheit oder Fortbildung des Rechts erforderlich ist und dass das angestrebte Revisionsverfahren eine Klärung erwarten lässt. Um seiner Darlegungspflicht zu genügen, muss der Beschwerdeführer mithin Folgendes aufzeigen: (1) eine konkrete Rechtsfrage, (2) ihre (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit, (3) ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit sowie (4) die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der von ihm angestrebten Entscheidung, also eine Breitenwirkung (BSG SozR 1500 § 160 Nr 17 und § 160a Nr 7, 11, 13, 31, 59, 65).
Die Frage, ob eine der Entscheidung zu Grunde liegende Gesetzesnorm – wie hier die Versicherungspflichtbestimmung des § 1 Abs 3 Gesetz über die Alterssicherung der Landwirte – verfassungswidrig ist, hat zwar regelmäßig grundsätzliche Bedeutung. Aber auch dies ist schlüssig darzulegen. Hierzu gehört nicht nur, dass herausgestellt wird, aus welchen Gründen die beanstandete Norm verfassungswidrig sein könnte, sondern auch, dass und warum über die verfassungsrechtliche Frage noch nicht abschließend entschieden worden ist (s BVerfGE 91, 93, 106 ff). Darüber hinaus genügt zur Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung der Frage der Verfassungsmäßigkeit einer gesetzlichen Regelung nicht die schlichte Behauptung, dass diese Grundrechte verletze (BSG SozR 1500 § 160a Nr 11, 47). Dies ist vielmehr im Einzelnen unter Auswertung der einschlägigen Rechtsprechung darzulegen (vgl Senatsbeschlüsse vom 28. März 2001 – B 10 KR 3/00 B –; 1. Februar 1999 – B 10 LW 17/98 B –; 8. Oktober 1998 – B 10 LW 2/98 B –; 2. April 1998 – B 10 LW 12/97 B –; 4. Februar 1997 – 10/4 BK 9/96 –; Kummer, Die Nichtzulassungsbeschwerde, Köln 1990, RdNr 146 mwN; Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 3. Aufl, IX Rz 182 mwN). “Darlegen” bedeutet ua “näher auf etwas eingehen” (Bundesverwaltungsgericht vom 9. März 1993, Buchholz 310 § 133 ≪nF≫ Nr 11 mwN). Pauschale Bezugnahmen auf Verfassungsrecht oder angebliche Äußerungen des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) ohne nähere inhaltliche Darstellung und Folgerungen für die Beantwortung der aufgeworfenen Rechtsfrage reichen dafür nicht aus (BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 23).
Diesen Anforderungen genügt das Vorbringen der Klägerin nicht. Zwar kann ihrer Beschwerdebegründung durch Auslegung die Rechtsfrage entnommen werden, ob die Versicherungspflicht der Ehefrau eines Gartenbauunternehmers in der Alterssicherung der Landwirte mit dem Grundgesetz (GG) vereinbar ist. Die Klägerin legt die Klärungsbedürftigkeit dieser Frage indessen nicht ausreichend dar. Soweit sie behauptet, die vorliegende Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) kläre nicht die Vereinbarkeit der Versicherungspflicht mit den Grundrechten aus Art 14, Art 2 Abs 1, Art 12 Abs 1, Art 3 Abs 1 und Art 19 Abs 1 GG, leidet die Begründung schon an dem Mangel, dass sie die dazu vorliegende Rechtsprechung des BSG nur unvollständig berücksichtigt. Sie benennt zwar das Senatsurteil vom 25. November 1998 (BSGE 83, 145 = SozR 3-5868 § 1 Nr 2), nicht jedoch auch das Grundsatzurteil vom 12. Februar 1998 (BSGE 81, 294 = SozR 3-5868 § 1 Nr 1). Zudem setzt sich die Klägerin mit den genannten Entscheidungen nicht in der gebotenen Weise auseinander; dies gilt namentlich im Hinblick auf die Prüfung des Senats an den verfassungsrechtlichen Maßstäben der Art 14 Abs 1 Satz 1, Art 2 Abs 1 und Art 3 Abs 1 GG (vgl nur BSGE 81, 294, 296 ff). Soweit die Klägerin in diesem Zusammenhang ausführt, der Senat habe die Ungleichbehandlung gegenüber Ehegatten anderer Freiberufler, etwa Bäcker, Metzger, Architekten, Rechtsanwälte, nicht geprüft, setzt sich die Klägerin nicht damit auseinander, dass der Senat eine verfassungswidrige Ungleichbehandlung im Vergleich mit Handwerkerehefrauen mit näherer Begründung verneint hat (vgl BSGE 81, 294, 301 ff).
Soweit die Klägerin eine Verletzung der Art 12 Abs 1 und Art 19 Abs 1 GG rügt, genügt sie den Darlegungsanforderungen schon deshalb nicht, als sie es dabei belässt, die Verfassungswidrigkeit ihrer Versicherungspflicht im Hinblick auf diese Prüfungsmaßstäbe zu behaupten. Insoweit lassen beide Rügen eine Darlegung und Auswertung der einschlägigen Rechtsprechung, hier insbesondere des BVerfG, vermissen. Dazu, inwieweit die genannten Verfassungsnormen als Prüfungsmaßstäbe überhaupt in Betracht zu ziehen sind, fehlt jegliche Darlegung unter Auswertung der einschlägigen Rechtsprechung. Diese Auseinandersetzung wird auch nicht durch den Hinweis auf einen Zeitungsausschnitt vom 15. August 2003 ersetzt, der sich mit Fragen der Krankenversicherung der Landwirte befasst.
Die Verwerfung der danach nicht formgerecht begründeten und somit unzulässigen Beschwerde erfolgt gemäß § 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 iVm § 169 SGG ohne Hinzuziehung der ehrenamtlichen Richter.
Die Kostenentscheidung beruht auf entsprechender Anwendung des § 193 SGG.
Fundstellen