Verfahrensgang

SG Karlsruhe (Entscheidung vom 21.05.2021; Aktenzeichen S 10 R 3032/19)

LSG Baden-Württemberg (Beschluss vom 17.01.2023; Aktenzeichen L 13 R 2072/21)

 

Tenor

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Beschluss des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 17. Januar 2023 wird als unzulässig verworfen.

Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine Kosten zu erstatten.

 

Gründe

I

Der 1962 geborene Kläger bezog von Mai 2015 bis Juni 2016 eine befristete Rente wegen voller Erwerbsminderung von der Beklagten. Sein Weiterbewilligungsantrag sowie ein Neuantrag vom September 2018 blieben erfolglos. Am 7.5.2019 stellte der Kläger erneut einen Rentenantrag, den die Beklagte nach Beiziehung ergänzender medizinischer Unterlagen ablehnte (Bescheid vom 5.6.2019; Widerspruchsbescheid vom 15.8.2019). Das SG hat die Klage abgewiesen, nachdem es Befundberichte der behandelnden Ärzte beigezogen und auf Antrag des Klägers ein Gutachten beim K1 vom 12.11.2020 eingeholt hatte (Urteil vom 21.5.2021). Das LSG hat im dagegen vom Kläger angestrengten Berufungsverfahren von Amts wegen ein Gutachten beim D vom 3.12.2021 eingeholt. Der Entlassungsbericht der A klinik D, in der der Kläger vom 25.11.2021 bis zum 16.12.2021 eine Rehabilitationsmaßnahme absolviert hatte, hat vorgelegen. Mit Beschluss vom 17.1.2023 hat das LSG die Berufung zurückgewiesen. Nach der schlüssigen und nachvollziehbaren Einschätzung des Sachverständigen D sei dem Kläger unter Beachtung qualitativer Einschränkungen eine Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt im Umfang von sechs Stunden möglich. Die depressive Erkrankung des Klägers bedinge ebenfalls keine quantitative Leistungseinschränkung.

Der Kläger hat gegen die Nichtzulassung der Revision in dieser Entscheidung Beschwerde zum BSG eingelegt, die er mit Schriftsatz vom 17.4.2023 begründet hat.

II

1. Die Beschwerde des Klägers ist unzulässig und daher gemäß § 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm § 169 Satz 2 und 3 SGG zu verwerfen. Keiner der geltend gemachten Verfahrensmängel wird anforderungsgerecht bezeichnet.

Wird eine Nichtzulassungsbeschwerde damit begründet, dass ein Verfahrensmangel vorliege, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen könne (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG), müssen zur Bezeichnung des Verfahrensmangels (§ 160a Abs 2 Satz 3 SGG) zunächst die den Verfahrensfehler (vermeintlich) begründenden Tatsachen substantiiert dargetan werden. Darüber hinaus ist es erforderlich darzulegen, dass und warum die Entscheidung des LSG ausgehend von dessen materieller Rechtsansicht auf dem Mangel beruhen kann, also die Möglichkeit einer Beeinflussung der Entscheidung besteht. Gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2 SGG kann ein Verfahrensmangel nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs 1 Satz 1 SGG und auf eine Verletzung des § 103 SGG nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Die Beschwerdebegründung wird den daraus abgeleiteten Anforderungen nicht gerecht.

a) Der Kläger rügt, das LSG habe seine Pflicht zur Ermittlung des Sachverhalts von Amts wegen (§ 103 Halbsatz 1 SGG) verletzt, indem es von der Einholung eines Sachverständigengutachtens auf psychiatrischem Fachgebiet abgesehen habe. Wird eine solche Sachaufklärungsrüge erhoben, muss die Beschwerdebegründung ua einen für das Revisionsgericht ohne Weiteres auffindbaren prozessordnungsgemäßen, bis zuletzt aufrechterhaltenen Beweisantrag bezeichnen, dem das Berufungsgericht nicht gefolgt ist (stRspr; vgl hierzu und zu den weiteren Anforderungen zB BSG Beschluss vom 14.4.2020 - B 5 RS 13/19 B - juris RdNr 11). Das ist mit der Beschwerde nicht dargetan.

Der Kläger trägt vor, er habe bereits in der Berufungsbegründung eine unzureichende Berücksichtigung seiner psychiatrischen Erkrankung geltend gemacht. Mit Schriftsatz vom 19.12.2022 habe er auf seine depressive Erkrankung sowie deren Verschlechterung verwiesen und einen Therapiebericht des Gesundheitszentrums S D vorgelegt. Dies sei als Beweisantrag auszulegen gewesen. Damit ist schon nicht hinreichend dargetan, dass der Kläger gegenüber dem LSG einen prozessordnungsgemäßen Beweisantrag gestellt habe. Hierfür wäre aufzuzeigen gewesen, über welche im Einzelnen bezeichneten Punkte (vgl § 118 Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 403 bzw § 373 ZPO) und mit welchem Ziel im Berufungsverfahren Beweis erhoben werden sollte und dass es sich dem Inhalt nach nicht um bloße Beweisanregungen gehandelt habe (vgl zB BSG Beschluss vom 26.11.2019 - B 13 R 159/18 B - juris RdNr 8 mwN). Liegen wie hier bereits mehrere Gutachten zum verbliebenen Leistungsvermögen vor, bedarf es zudem besonderer Angaben, weshalb die Einholung eines weiteren Gutachtens erforderlich sein soll (vgl hierzu zB BSG Beschluss vom 26.10.2022 - B 5 R 105/22 B - juris RdNr 10 mwN). Ungeachtet dessen wird nicht dargetan, dass der Kläger bis zuletzt an dem behaupteten Antrag festgehalten habe. Wird wie hier durch Beschluss nach § 153 Abs 4 Satz 1 SGG entschieden, ist das dann der Fall, wenn der Beteiligte den Beweisantrag nach Erhalt der Anhörungsmitteilung (erneut) kundgetan hat oder das Gericht den Beweisantrag in seiner Entscheidung wiedergibt (vgl zB BSG Beschluss vom 13.10.2020 - B 12 KR 8/20 B - juris RdNr 23; vgl auch Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 13. Aufl 2020, § 160 RdNr 18c mwN). Dass hier eines davon erfolgt ist, zeigt der Kläger nicht auf.

b) Der Kläger rügt ausdrücklich als eigenständige Verletzung der Amtsermittlungspflicht, das LSG habe seine psychische Erkrankung in freier richterlicher Beweiswürdigung bewertet und dabei auf ärztliches Fachwissen verzichtet. Es habe sich auf den Entlassungsbericht der Reha-Klinik gestützt und die Bewertung des behandelnden K2 zu Unrecht für nicht nachvollziehbar gehalten. Damit wendet der Kläger sich gegen die vom LSG vorgenommene Auswertung und Würdigung der aktenkundigen medizinischen Befundberichte und Sachverständigengutachten. Die Richtigkeit der Beweiswürdigung der Vorinstanz (§ 128 Abs 1 Satz 1 SGG) ist einer Nachprüfung im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde aber ausdrücklich entzogen (§ 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2 SGG). Gleiches gilt für den Vortrag des Klägers, ihm sei bereits einmal eine Rente wegen voller Erwerbsminderung gewährt worden.

c) Falls der Kläger mit seinem Vorbringen sinngemäß eine Verletzung seines Anspruchs auf rechtliches Gehör (§ 62 Halbsatz 1 SGG; Art 103 Abs 1 GG) durch die unzulässige Inanspruchnahme eigener Sachkunde durch das LSG rügen will, wäre auch ein solcher Verfahrensmangel nicht anforderungsgerecht bezeichnet. Aus dem Anspruch auf rechtliches Gehör ist abzuleiten, dass ein Gericht, das sich auf eigene Sachkunde bei der Entscheidungsfindung tragend stützt, den Beteiligten zuvor die Grundlage dieser Sachkunde offenlegen muss (vgl zB BSG Beschluss vom 17.6.2020 - B 5 R 1/20 B - juris RdNr 4 mwN; BSG Beschluss vom 22.4.2022 - B 5 R 314/21 B - juris RdNr 5 mwN). Die Beteiligten sollen nicht durch eine Entscheidung überrascht werden, die auf Tatsachen oder Beweisergebnissen beruht, zu denen sie sich nicht äußern konnten (vgl zB BSG, Beschluss vom 11.9.2019 - B 1 KR 57/18 B - juris RdNr 7 mwN). Der Kläger zeigt keine Umstände auf, die hier eine solche Form der Gehörsverletzung zu begründen in der Lage wären.

Er bringt vor, das LSG habe ohne Einholung weiteren ärztlichen Fachwissens eine eigene Bewertung der bei ihm bestehenden Depression vorgenommen. Der Kläger rügt, die Schwere und Komplexität seiner psychiatrischen Erkrankung sei durch die von ihm vorgelegten Arztbriefe belegt und habe die richterliche Fähigkeit zur Beurteilung medizinischer Sachverhalte bei Weitem überstiegen. Abgesehen davon, dass er sich damit im Kern gegen die mit der Nichtzulassungsbeschwerde nicht angreifbaren Beweiswürdigung des LSG wendet, zeigt der Kläger auch nicht auf, inwiefern sich das LSG in diesem Zusammenhang auf Tatsachen oder Beweisergebnisse gestützt haben könnte, zu denen er sich nicht habe äußern können.

Von einer weiteren Begründung wird abgesehen (§ 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 SGG).

2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs 1 und 4 SGG.

Düring

Hahn

Hannes

 

Fundstellen

Dokument-Index HI15796727

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