Verfahrensgang
LSG Rheinland-Pfalz (Urteil vom 22.10.1997) |
Tenor
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 22. Oktober 1997 wird als unzulässig verworfen.
Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Gründe
Die Klägerin begehrt die Gewährung von Rente wegen Erwerbsunfähigkeit (EU), hilfsweise wegen Berufsunfähigkeit (BU). Ebenso wie das Sozialgericht (SG) Koblenz (Urteil vom 30. November 1995) hat das Landessozialgericht (LSG) Rheinland-Pfalz die ablehnende Verwaltungsentscheidung der Beklagten bestätigt und sein Urteil vom 22. Oktober 1997 im wesentlichen auf folgende Erwägungen gestützt: Die Klägerin sei als ungelernte Arbeiterin auf den allgemeinen Arbeitsmarkt verweisbar. Sie verfüge noch über ein vollschichtiges Leistungsvermögen für körperlich leichte Arbeiten in wechselnder Körperhaltung ohne Zwangshaltungen und ohne Überkopfarbeiten. Damit könne sie noch Pförtnertätigkeiten verrichten. Auch wenn der Klägerin die üblichen Fußwege zur Arbeit unzumutbar seien, bestehe eine hinreichende Mobilität, da sie im Besitz einer Fahrerlaubnis und gesundheitlich in der Lage sei, ihr eigenes Auto zu fahren. Abgesehen davon habe der Sachverständige Dr. S. … überzeugend dargelegt, daß die von den Vorgutachtern angenommene erhebliche Einschränkung der Gehfähigkeit auf maximal 500 m nicht mehr gerechtfertigt sei.
Gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil hat die Klägerin Beschwerde eingelegt. Sie beruft sich auf eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache und rügt Verfahrensmängel.
Die Beschwerde der Klägerin ist unzulässig. Die Begründung genügt nicht den sich aus § 160a Abs 2 Satz 3 iVm § 160 Abs 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) ergebenden formalen Anforderungen.
Die Revision kann nur aus den in § 160 Abs 2 SGG genannten Gründen – grundsätzliche Bedeutung, Abweichung, Verfahrensmangel – zugelassen werden. In der Begründung der Beschwerde muß die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache dargelegt oder die Entscheidung, von der das Urteil des LSG abweicht, oder der Verfahrensmangel bezeichnet werden (vgl § 160a Abs 2 Satz 3 SGG). Ist ein Urteil nebeneinander auf mehrere Begründungen gestützt, so kann eine Nichtzulassungsbeschwerde nur dann zur Zulassung der Revision führen, wenn im Hinblick auf jede dieser Begründungen ein Zulassungsgrund vorliegt und formgerecht geltend gemacht wird (vgl Bundessozialgericht ≪BSG≫ SozR 1500 § 160a Nr 38). Daran fehlt es hier.
Um den Zulassungsgrund einer grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache iS von § 160 Abs 2 Nr 1 SGG darzulegen, ist es zunächst erforderlich, die nach Ansicht des Beschwerdeführers grundsätzliche Rechtsfrage klar zu formulieren und aufzuzeigen, daß sie allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung besitze (vgl BSG SozR 1500 § 160a Nrn 11, 39). Ferner ist darzutun, daß die Rechtsfrage klärungsbedürftig sei. Das ist zum einen nicht der Fall, wenn die Antwort von vornherein praktisch außer Zweifel steht (vgl BSG SozR 1500 § 160a Nrn 4, 11). Zum anderen ist auch eine Rechtsfrage, die das BSG bereits entschieden hat, nicht mehr klärungsbedürftig, es sei denn, sie wäre es aus besonderen Gründen geblieben oder erneut geworden; das muß substantiiert vorgetragen werden (vgl BSG SozR 1500 § 160a Nrn 13, 65). Schließlich ist darzulegen, daß die Rechtsfrage in dem einer Zulassung folgenden Revisionsverfahren entscheidungserheblich und damit auch klärungsfähig sei (vgl BSG SozR 1500 § 160a Nr 54).
Diesen Begründungserfordernissen hat die Klägerin nicht genügend Rechnung getragen. Sie hat zwar als grundsätzlich bedeutsam die Frage bezeichnet, ob EU anzunehmen ist, wenn die Klägerin auch unter Verwendung von Hilfsmitteln (zB Gehstützen) nicht mehr in der Lage ist, täglich viermal eine Wegstrecke von mehr als 500 m mit zumutbarem Zeitaufwand zu Fuß zurückzulegen und zweimal öffentliche Verkehrsmittel während der Hauptverkehrszeiten zu benutzen, keinen Arbeitsplatz innehat, aber einen Führerschein und einen Pkw, den sie benutzen kann. Ihre Ausführungen zur Klärungsbedürftigkeit dieser Frage reichen jedoch nicht aus. Denn sie hat sich insoweit nur mit einem Teil der Rechtsprechung des BSG auseinandergesetzt, besonders einschlägige Entscheidungen hingegen unberücksichtigt gelassen. Abgesehen davon, daß möglicherweise bereits die von der Klägerin zitierten Urteile des BSG vom 30. November 1965 (BSGE 24, 142 = SozR Nr 56 zu § 1246 RVO) und vom 28. November 1978 – 4 RJ 117/77 – eine Beantwortung der von ihr aufgeworfenen Rechtsfrage erlauben, hat das BSG mehrfach entschieden, daß auch ein erwerbsloser Rentenbewerber bei der Prüfung der zur Erwerbsfähigkeit gehörenden Mobilität auf die zumutbare Benutzung eines eigenen Fahrzeuges verwiesen werden kann (vgl BSG, Urteil vom 11. September 1979 – 5 RJ 86/78 – und vom 11. Juni 1980 – 4 RJ 107/97 –; vgl auch BSG SozR 2200 § 1247 Nr 56; BSG, Urteil vom 21. Februar 1989 – 5/4a RJ 69/87 –; BSG SozR 3-2200 § 1247 Nr 10).
Nach § 160 Abs 2 Nr 3 SGG ist die Revision zuzulassen, wenn ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann; der geltend gemachte Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs 1 Satz 1 SGG und auf eine Verletzung des § 103 SGG nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. In der Beschwerdebegründung sind dazu diejenigen Tatsachen genau anzugeben, die den Mangel ergeben sollen (vgl BSG SozR 1500 § 160a Nrn 10, 14). Das ist vorliegend nicht geschehen.
Der Grundsatz der Gewährung rechtlichen Gehörs (vgl § 62 SGG), dessen Verletzung die Klägerin rügt, verpflichtet das Gericht ua, den Beteiligten Gelegenheit zu geben, sich vor Erlaß der Entscheidung zum Prozeßstoff zu äußern (vgl auch § 128 Abs 2 SGG). Allerdings kann ein Verstoß gegen § 62 SGG von einem Beteiligten nur dann mit Erfolg geltend gemacht werden, wenn dieser von den gegebenen prozessualen Möglichkeiten Gebrauch gemacht hat, um sich Gehör zu verschaffen (vgl Meyer-Ladewig, SGG, mit Erl, 6. Aufl, § 62 RdNr 11c).
Gemessen an diesen Kriterien hat die Klägerin nicht schlüssig dargetan, daß die angefochtene Entscheidung auf der Vorenthaltung eines dem Gutachten des Sachverständigen Dr. S. … beigefügten Fotos beruhen kann. Da der Sachverständige – wie die Klägerin selbst angibt – in seinem Gutachten ausdrücklich auf dieses Foto hingewiesen hatte, ist nicht ersichtlich, inwiefern die Klägerin gehindert gewesen sein soll, es – etwa durch Akteneinsicht – in Augenschein zu nehmen und dazu eine Stellungnahme abzugeben. Ebensowenig läßt das Vorbringen der Klägerin erkennen, warum es ihr unmöglich gewesen sei, substantiierte Ausführungen zu der vom LSG in Betracht gezogenen Verweisungstätigkeit einer Pförtnerin zu machen. Soweit ihr Prozeßbevollmächtigter nicht in der Lage war, die ihm erst in der mündlichen Verhandlung vor dem LSG zur Kenntnis gebrachte Tätigkeitsbeschreibung für Pförtner auszuwerten, sie mit dem Restleistungsvermögen der Klägerin (auch im Hinblick auf die bestehende Schwerhörigkeit) abzugleichen und ggf weitere Beweisanträge zu stellen, hätte es nahegelegen, eine Vertagung der Sache zu beantragen. Daß dies erfolglos geschehen sei, ist nicht vorgetragen worden.
Um einen Verstoß gegen die Amtsermittlungspflicht (vgl § 103 SGG), den die Klägerin ebenfalls rügt, als Zulassungsgrund iS von § 160 Abs 2 Nr 3 SGG darzutun, muß in der Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde ein den Vorschriften der Zivilprozeßordnung (ZPO) entsprechender Beweisantrag so genau bezeichnet werden, daß er für das Revisionsgericht ohne weiteres auffindbar ist (vgl BSG SozR 1500 § 160 Nrn 5, 45; § 160a Nr 10). Ferner muß sich aus dem Vorbringen des Beschwerdeführers ergeben, daß er den Beweisantrag, falls dieser nicht in der letzten mündlichen Verhandlung gestellt worden ist, jedenfalls bis dahin aufrechterhalten hat (vgl BSG SozR 1500 § 160 Nr 12). Schließlich muß auch vorgetragen werden, inwiefern das LSG den Beweisantrag abgelehnt habe, obwohl es sich von seinem sachlich-rechtlichen Standpunkt aus zu einer entsprechenden Beweisaufnahme hätte gedrängt fühlen müssen (vgl BSG SozR 1500 § 160a Nrn 10, 34).
Diesen Grundsätzen entspricht die Beschwerdebegründung der Klägerin nicht. Zwar hat die Klägerin auf ihre in der mündlichen Verhandlung gestellten Beweisanträge hingewiesen, dazu jedoch nicht näher ausgeführt, inwiefern sich das LSG zu weiteren Ermittlungen hätte veranlaßt sehen müssen. Dies gilt um so mehr, als die Vorinstanz ihre Verneinung eines fortbestehenden Sachaufklärungsbedarfs eingehend begründet hat.
Die Verwerfung der danach nicht ordnungsgemäß begründeten und somit unzulässigen Beschwerde der Klägerin erfolgt in entsprechender Anwendung des § 169 Satz 3 SGG ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter (vgl BSG SozR 1500 § 160a Nrn 1, 5; Bundesverfassungsgericht SozR 1500 § 160a Nr 30).
Die Kostenentscheidung beruht auf entsprechender Anwendung des § 193 SGG.
Fundstellen