Tenor
Das Verfahren wird ausgesetzt.
Dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften wird zur Vorabentscheidung folgende Frage vorgelegt:
Hat Art. 74 Abs. 1 EWG-VO 1408/71 über die Wohnsitzfiktion hinaus auch zur Folge, daß die nach dem Recht des (bisherigen) Beschäftigungsstaates des Arbeitnehmers für Familienleistungen erforderliche Arbeitslosigkeit eines Familienangehörigen als gegeben anzusehen ist, wenn der Familienangehörige im Wohnsitzstaat der Arbeitsvermittlung zur Verfügung steht?
Tatbestand
I
Die Beteiligten streiten darüber, ob dem Kläger Kindergeld für seine in Italien lebende arbeitslose Tochter Antonia zusteht.
Der Kläger, der italienischer Staatsangehöriger ist, hält sich in der Bundesrepublik Deutschland auf. Er ist arbeitslos und bezieht seit 1976 Arbeitslosengeld bzw Arbeitslosenhilfe. Die Ehefrau des Klägers und seine drei Kinder Antonia (geb. am 9. Oktober 1968), Giuseppina (geb. am 15. Oktober 1973) und Anna Maria (geb. am 10. Mai 1979) wohnen in Italien. Die Tochter Antonia ist arbeitslos, die beiden jüngeren Kinder befinden sich in Schulausbildung. Ab November 1984 erhielt der Kläger nur noch für die beiden jüngeren Kinder Kindergeld. Am 6. Mai 1985 beantragte der Kläger, auch wieder für seine älteste Tochter Antonia Kindergeld zu gewähren, da sie arbeitslos sei. Dazu legte er eine Bescheinigung des italienischen Arbeitsamtes in S. Pietro di Carida vom 26. März 1985 vor.
Mit Bescheid vom 23. Mai 1985 (Widerspruchsbescheid vom 23. September 1985) lehnte die Beklagte die Gewährung von Kindergeld für Antonia ab. Antonia könne nicht berücksichtigt werden, da sie nach Vollendung des 16. Lebensjahres keine der in § 2 Abs. 2 Satz 1 Nrn 1 bis 5 Bundeskindergeldgesetz (BKGG) genannten Voraussetzungen erfülle. Eine Berücksichtigung des arbeitslosen Kindes Antonia nach § 2 Abs. 4 BKGG komme ebenfalls nicht in Betracht, weil es weder seinen Wohnsitz noch seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet habe.
Das Sozialgericht (SG) hat die hiergegen erhobene Klage durch Urteil vom 17. April 1986 abgewiesen. Das Landessozialgericht (LSG) hat durch Urteil vom 2. April 1987 die Berufung zurückgewiesen: Dem Kläger stehe ab November 1984 kein Kindergeld für seine Tochter Antonia zu. Antonia habe weder ihren Wohnsitz noch ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Geltungsbereich des BKGG und könne deshalb nach § 2 Abs. 5 Satz 1 BKGG nicht berücksichtigt werden. Auch aus den Regelungen des Rechts der Europäischen Gemeinschaften könne nichts anderes hergeleitet werden. Zwar sei der Kläger als Staatsangehöriger eines Mitgliedstaates der Europäischen Gemeinschaften deutschen Staatsangehörigen nach Art. 3 Abs. 1 EWG-VO Nr. 1408/71 gleichgestellt. Dies vermöge jedoch keinen Kindergeldanspruch für Antonia zu begründen. Art. 3 Abs. 1 EWG-VO Nr. 1408/71 schließe nicht aus, daß durch deutsche Rechtsvorschriften der Anspruch auf Sozialleistungen – Kindergeld – von Tatbeständen abhängig gemacht werde, die nur im Inland verwirklicht werden können. Dies treffe auf den hier anzuwendenden § 2 Abs. 4 Satz 1 BKGG alter sowie neuer Fassung zu. Danach würden Kinder, die das 16. aber noch nicht das 18. bzw 21. Lebensjahr vollendet hätten, nur dann berücksichtigt, wenn sie im Geltungsbereich des BKGG als Arbeitslose der Arbeitsvermittlung zur Verfügung ständen. Es sei nicht möglich, diese Voraussetzungen außerhalb des Geltungsbereichs des BKGG zu erfüllen. Auch aus der Anwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes des Art. 3 Abs. 1 EWG-VO Nr. 1408/71 sei kein anderes Ergebnis zu folgern. Deutsche Kindergeldberechtigte hätten ebenfalls für ein Kind, das sich in einem anderen Mitgliedstaat der EG arbeitslos melde, keinen Anspruch auf Kindergeld. Dasselbe gelte auch für Art. 74 Abs. 1 EWG-VO Nr. 1408/71, auf den sich der Kläger ausdrücklich berufe.
Mit der – vom LSG zugelassenen – Revision rügt der Kläger die Verletzung des Art. 3 Abs. 1 und Art. 74 Abs. 1 EWG-VO Nr. 1408/71. Er vertritt die Auffassung, diese Vorschriften stellten sicher, daß ein arbeitsloser Angehöriger eines anderen Mitgliedstaates der EG in der Bundesrepublik Deutschland im Hinblick auf die zu gewährenden Familienleistungen so behandelt werde, als ob seine Familienangehörigen sich tatsächlich bei ihm im Beschäftigungsstaat aufhielten. Somit habe er, der Kläger, für die Zeit seiner Arbeitslosigkeit Anspruch auf Kindergeld für seine Tochter Antonia nach § 2 Abs. 4 BKGG i.V.m. Art. 74 Abs. 1 EWG-VO Nr. 1408/71.
Der Kläger beantragt,
unter Aufhebung der Urteile der Vorinstanzen und des Bescheides der Beklagten vom 23. Mai 1985 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. September 1985 die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger für die Zeit ab 1. November 1984 Kindergeld für die Tochter Antonia Gatto (geb. am 9. Oktober 1968) zu gewähren,
hilfsweise,
gemäß Art. 177 EWG-Vertrag die Frage nach der Auslegung der Art. 73 Abs. 1, 74 Abs. 1 und 77 Abs. 2 a der Verordnung Nr. 1408/71 des Rates vom 14. Juni 1971 zur Anwendung der Systeme der Sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und deren Familien, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern, dem Europäischen Gerichtshof zur Vorabentscheidung vorzulegen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend und macht ergänzend geltend, lediglich die in allen nationalen Gesetzen über Familienleistungen der EG-Mitgliedstaaten enthaltenen territorialen Voraussetzungen in der Person der zu berücksichtigenden Familienangehörigen würden durch die Wohnsitzfiktion des Art. 74 Abs. 1 EWG-VO Nr. 1408/71 ersetzt. Nach Wortlaut und Sinn sei der Tatbestand des hier anzuwendenden § 2 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 BKGG durch eine Arbeitslosmeldung in Italien oder an einem anderen Ort außerhalb des Geltungsbereichs des BKGG nicht zu erfüllen. Da es im vorliegenden Falle um die Auslegung innerstaatlichen Rechts und nicht um Auslegungsprobleme des Gemeinschaftsrechts gehe, bestehe auch – entgegen der Auffassung des Klägers – keine Vorlagepflicht nach Art. 177 Abs. 3 EWG-Vertrag.
Entscheidungsgründe
II
Der Senat ruft den Europäischen Gerichtshof gemäß Art. 177 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG-Vertrag) zur Vorabentscheidung an über die Auslegung von Art. 74 Abs. 1 der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 vom 14. Juni 1971 (EWG-VO Nr. 1408/71) über die Anwendung der Systeme der Sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern.
Die Anwendung und Auslegung des Art. 74 Abs. 1 EWG-VO Nr. 1408/71 ist für die Entscheidung über den anhängigen Rechtsstreit erheblich. Die zulässige Revision des Klägers wäre begründet, wenn in Anwendung des Art. 74 Abs. 1 EWG-VO Nr. 1408/71 davon auszugehen wäre, daß die Tochter des Klägers der Arbeitsvermittlung zur Verfügung steht und dies im innerstaatlichen Recht des (bisherigen) Beschäftigungsstaates des Klägers zu berücksichtigen ist. Beschränkt sich Art. 74 Abs. 1 EWG-VO Nr. 1408/71 jedoch nur auf die Fiktion des Wohnsitzes, so hat die Revision keinen Erfolg, weil nicht alle erforderlichen Voraussetzungen für die Gewährung des Kindergeldes erfüllt wären. Der Kläger könnte in diesem Falle nicht so behandelt werden, als ob seine Tochter Antonia im Geltungsbereich des BKGG der Arbeitsvermittlung zur Verfügung stünde.
Die EWG-VO Nr. 1408/71 ist auf den Kläger anzuwenden. Dies folgt aus Art. 2 Abs. 1 EWG-VO Nr. 1408/71. Danach gilt diese Verordnung u.a. für Arbeitnehmer, für welche die Rechtsvorschriften eines oder mehrerer Mitgliedstaaten gelten oder galten, soweit sie Staatsangehörige eines Mitgliedstaates sind. Der Kläger ist als Italiener Staatsangehöriger eines Mitgliedstaates der EG. Für ihn gelten zumindest die Rechtsvorschriften Italiens.
Die Regelungen der Familienleistungen sind im Titel III, Kapitel 7 EWG-VO Nr. 1408/71 enthalten. Für den hier geltend gemachten Anspruch auf Kindergeld ist auszugehen von Art. 74 Abs. 1 EWG-VO Nr. 1408/71. Danach hat ein arbeitsloser Arbeitnehmer, der Leistungen bei Arbeitslosigkeit nach den Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaates außer Frankreich bezieht, für seine Familienangehörigen, die im Gebiet eines anderen Mitgliedstaates wohnen, Anspruch auf Familienleistungen nach den Rechtsvorschriften des ersten Staates, als ob diese Familienangehörigen im Gebiet dieses Staates wohnten. Der Kläger gehört zu dem von dieser Bestimmung erfaßten Personenkreis. Der Begriff des Arbeitnehmers ist in Art. 1 Buchst. a) EWG-VO Nr. 1408/71 definiert. Danach ist Arbeitnehmer jede Person, die gegen ein Risiko oder mehrere Risiken, die von den Zweigen eines Systems der sozialen Sicherheit erfaßt werden, pflichtversichert oder freiwillig weiterversichert ist. Diese Definition ist von allgemeiner Tragweite und erstreckt sich in Anbetracht dieser Erwägung auf jede Person, die, ob sie eine Erwerbstätigkeit ausübt oder nicht, die Versicherteneigenschaft nach den für die soziale Sicherheit geltenden Rechtsvorschriften eines oder mehrerer Mitgliedstaaten besitzt (vgl EuGH SozR 6050 Art. 22 Nr. 4). Der Kläger als arbeitsloser Arbeitnehmer bezieht seit 1976 Arbeitslosengeld bzw Arbeitslosenhilfe, ist somit pflichtversichert für den Fall der Krankheit nach § 155 Abs. 1 Arbeitsförderungsgesetz (AFG). Seine arbeitslose Tochter Antonia, für die er Kindergeld beansprucht, ist Familienangehörige i.S. des Art. 1 Buchst. f) EWG-VO Nr. 1408/71. Auch die weitere Voraussetzung, daß zwei unterschiedliche Mitgliedstaaten betroffen sein müssen, liegt vor. Das Kind Antonia wohnt in Italien. Der Kläger hält sich in der Bundesrepublik Deutschland auf. Des weiteren handelt es sich bei dem Kindergeld um eine Familienleistung i.S. des Art. 74 Abs. 1 EWG-VO Nr. 1408/71. Dies sind nach Art. 1 Buchst. u) i) alle Sach- oder Geldleistungen, die zum Ausgleich von Familienlasten im Rahmen der in Art. 4 Abs. 1 Buchst. h) genannten Rechtsvorschriften bestimmt sind. Die Bundesregierung hat in ihrer Erklärung zu Art. 5 EWG-VO Nr. 1408/71 als Leistung, die unter Art. 4 Abs. 1 fällt, ausdrücklich das Kindergeld benannt (vgl ABL – EG Nr. C 139/6 vom 9. Juni 1980).
Dagegen kann der vorlegende Senat nicht ohne vorhergehende Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes darüber befinden, ob die materiell-rechtlichen Voraussetzungen für den geltend gemachten Kindergeldanspruch gegeben sind. Dieser Anspruch richtet sich zwar gemäß Art. 74 Abs. 1 EWG-VO Nr. 1408/71 nach den Rechtsvorschriften des deutschen Staates. Bei der Anwendung des deutschen Rechts könnte aber der Kindergeldanspruch für das Kind Antonia ausgeschlossen sein.
Nach § 2 Abs. 5 Satz 1 BKGG werden Kinder, die weder einen Wohnsitz noch einen gewöhnlichen Aufenthalt im Geltungsbereich des Gesetzes haben, bei der Gewährung von Kindergeld nicht berücksichtigt. Das Kind Antonia lebt in Italien und hat deshalb weder seinen Wohnsitz noch seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Geltungsbereich des BKGG. Ausnahmen von diesem Territorialitätsgrundsatz für im Ausland lebende Kinder gelten jedoch, soweit dies durch das EG-Recht oder durch zwischenstaatliche Abkommen bestimmt ist (vgl BSG SozR 5870 § 2 Nr. 51, Urteil des erkennenden Senats vom 9. Dezember 1987 – 10 RKg 3/86). Nach Art. 74 Abs. 1 EWG-VO Nr. 1408/71 steht der Aufenthalt des Kindes in Italien aber dem Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland gleich.
Gemäß § 2 Abs. 4 Satz 1 BKGG a.F., die bis zum 31. Dezember 1984 (vgl BGBl. I 1982, 13) galt, wurden aber Kinder, die das 16., aber noch nicht das 18. Lebensjahr vollendet hatten und nicht in Schulausbildung oder Berufsausbildung standen – unabhängig vom Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt –, beim Kindergeldanspruch nur berücksichtigt, wenn sie im Geltungsbereich des BKGG bei der Berufsberatung des Arbeitsamtes als Bewerber um eine berufliche Ausbildungsstelle gemeldet waren oder nach Beratung durch die Berufsberatung der Arbeitsvermittlung zur Verfügung standen. Nach der seit dem 1. Januar 1985 geltenden Fassung des BKGG in der Fassung des 10. Gesetzes zur Änderung des BKGG vom 21. Dezember 1984 (BGBl. I, 1726) werden Kinder, die das 16., aber noch nicht das 21. Lebensjahr vollendet haben, bei dem Kindergeldanspruch berücksichtigt, wenn sie im Geltungsbereich des BKGG eine Berufsausbildung mangels Ausbildungsplatzes nicht beginnen oder fortsetzen können (Nr. 1) oder als Arbeitslose der Arbeitsvermittlung zur Verfügung stehen (Nr. 2). Beiden Fassungen ist gemeinsam, daß die anspruchsbegründenden Tatbestände, die die Person des zu berücksichtigenden Kindes betreffen, von diesem im Geltungsbereich des BKGG, also in der Bundesrepublik Deutschland oder Berlin-West, erfüllt sein müssen. Die Beteiligten streiten hier darüber, ob es auch genügt, wenn diese Umstände außerhalb des Geltungsbereiches des BKGG in Italien vorliegen. Im Gegensatz zur Schul- und Berufsausbildung nach § 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 BKGG (vgl BSG SozR 5870 § 2 Nr. 51) hat die Regelung des § 2 Abs. 4 Satz 1 BKGG ausdrücklich die Verhältnisse im Inland zum Gegenstand. Aufgrund des eindeutigen Gesetzeswortlauts kann sie deshalb nicht für Arbeitswillige und Arbeitslose in anderen Ländern der EG gelten.
Jedoch enthält Art. 74 Abs. 1 EWG-VO Nr. 1408/71 eine Regelung, die die Familienangehörigen so behandelt, als ob sie sich im Mitgliedstaat des arbeitslosen Arbeitnehmers aufhielten. Der vorliegende Fall wirft bei Anwendung des Art. 74 Abs. 1 EWG-VO Nr. 1408/71 die oben herausgestellte Frage auf, die sich nicht zweifelsfrei beantworten läßt (vgl BSGE 43, 255, 268).
Da das Kind Antonia in Italien als Arbeitslose der Arbeitsvermittlung zur Verfügung steht, könnte der Kläger nur dann einen Anspruch auf Kindergeld für sie haben, wenn Art. 74 Abs. 1 EWG-VO Nr. 1408/71 dahin auszulegen wäre, daß durch die Zeit der Arbeitslosigkeit Antonias in Italien die Voraussetzungen des Kindergeldanspruchs erfüllt sind. Bezugnehmend auf eine Entscheidung des EuGH (EuGH SozR Art. 45 Nr. 1) hat das Bundessozialgericht (BSG SozR § 1248 Nr. 35) Zeiten der Arbeitslosigkeit eines Wanderarbeitnehmers in Italien beim vorgezogenen Altersruhegeld nach § 1248 Abs. 2 Reichsversicherungsordnung nicht berücksichtigt. Dieser Fall ist jedoch mit dem vorliegenden möglicherweise nicht vergleichbar. Zielrichtung des Art. 74 Abs. 1 EWG-VO Nr. 1408/71 ist der Ausgleich von Familienlasten des Wanderarbeitnehmers für seine im Wohnland verbliebenen Familienangehörigen. Die Vorschrift fingiert zwar nach ihrem Wortlaut nur den Wohnsitz der Familienangehörigen im Beschäftigungsstaat des Arbeitnehmers. Der Zweck der Norm könnte aber dafür sprechen, daß sie über die Fiktion des Wohnsitzes hinausgeht und insbesondere auch solche Tatbestandsmerkmale als im Beschäftigungsstaat erfüllt fingiert, von denen die Leistungsgewährung abhängt und die – wegen des Wohnsitzes im anderen Mitgliedsstaat – nur dort verwirklicht werden können.
Die strikt am Wortlaut orientierte Auslegung des Art. 74 Abs. 1 EWG-VO Nr. 1408/71 hätte die Konsequenz, daß arbeitslosen Ausländern, die in der Bundesrepublik Deutschland bleiben, kein Kindergeld für ihre Kinder zustände, auch wenn sie sich der Arbeitsvermittlung in ihrem Wohnland zur Verfügung stellen. Dies könnte möglicherweise auch dem Gleichbehandlungsgebot des Art. 3 Abs. 1 EWG-VO Nr. 1408/71 widersprechen (im übrigen s. auch EuGH SozR 6050 Art. 73 Nr. 3).
Andererseits enthält § 2 Abs. 4 BKGG Vergünstigungen, die mit Rücksicht auf die konjunkturellen Verhältnisse auf dem deutschen Arbeitsmarkt eingeführt worden sind. Es ist deshalb zweifelhaft, ob Art. 74 Abs. 1 EWG-VO Nr. 1408/71 dazu führen kann, daß der deutsche Leistungsträger die Verhältnisse auf dem Arbeitsmarkt anderer Mitgliedstaaten zu berücksichtigen hat. Die Gleichstellung des Wohn- und Aufenthaltsortes nach Art. 74 Abs. 1 EWG-VO Nr. 1408/71 hat nicht zwangsläufig eine Gleichstellung hinsichtlich anderer – wohnsitz- oder aufenthaltsabhängiger – Anspruchsvoraussetzungen zur Folge. Auch wenn die Anspruchsvoraussetzung bei Aufenthalt in einem anderen Mitgliedstaat nicht erfüllt werden kann, bleibt zweifelhaft, ob Art. 74 Abs. 1 die Gleichstellung auch insoweit erfordert.
Fundstellen