Entscheidungsstichwort (Thema)
Wirksamkeitserfordernis an Revisionsschrift
Orientierungssatz
1. Dem Wirksamkeitserfordernis des § 164 Abs 1 S 2 SGG ist nur dann genügt, wenn bis zum Ablauf der Rechtsmittelfrist aus der Rechtsmittelschrift und sonstigen beigefügten oder während der Rechtsmittelfrist eingereichten Unterlagen für das Revisionsgericht und alle Prozeßbeteiligten erkennbar ist, welches Urteil mit der Revision angefochten wird. Denn sowohl die Interessen des Rechtsmittelgerichts als auch die des Rechtsmittelgegners an einem geregelten und damit der Rechtssicherheit dienenden Verfahren gebieten, daß das angefochtene Urteil eindeutig und sicher gekennzeichnet ist (vgl BSG vom 14.8.1986 2 RU 69/85 = SozR 1500 § 164 Nr 29 mwN). Genügt die Revision diesen Anforderungen nicht, ist sie unzulässig.
2. Nach § 164 Abs 1 S 2 SGG muß "die Revision", für die Schriftform vorgeschrieben ist (§ 164 Abs 1 S 1 SGG), also telefonisch oder Einlegung zur Niederschrift des Gerichts nicht in Betracht kommt, selbst klare und bestimmte Angaben enthalten; es reicht nicht aus, wenn das Gericht sie durch eigene Ermittlungen zur Kenntnis bekommt (vgl BSG aaO).
Normenkette
SGG § 164 Abs 1 S 2
Verfahrensgang
LSG Niedersachsen (Entscheidung vom 22.11.1988; Aktenzeichen L 3 Eg 8/88) |
Gründe
Die beklagte Stadt, die seit dem 1. Januar 1989 für die Durchführung des Ersten Abschnittes des Gesetzes über die Gewährung von Erziehungsgeld und Erziehungsurlaub (Bundeserziehungsgeldgesetz - BErzGG) vom 6. Dezember 1985 (BGBl I S 2154) zuständig ist, hat mit einem am 25. Januar 1989 beim Bundessozialgericht (BSG) eingegangenem Schriftsatz "Revision beantragt", als Prozeßparteien die Klägerin und die Bundesanstalt für Arbeit (BA) benannt, sich selbst als nunmehr zuständige Erziehungsgeldbehörde bezeichnet, jedoch das angefochtene Urteil weder nach Gericht noch nach Datum oder Aktenzeichen angegeben. Die Gerichtsverwaltung des BSG hat - am 26. Januar 1989, noch während der Revisionsfrist - durch telefonische Rücksprache ermittelt und vermerkt, die Beklagte richte ihre Revision gegen das Urteil "des LSG Celle vom 25. November 1988 - L 3 Eg 8/88". Nachdem die Beklagte durch die am 1. Februar 1989 abgesandte richterliche Verfügung auf § 164 Abs 1 Satz 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) hingewiesen worden war, hat sie mit Schreiben vom 13. Februar 1989 eine beglaubigte Kopie des angefochtenen Urteils übersandt und vorgetragen, sie bitte, ihr Versehen zu entschuldigen. Das og Urteil des Landessozialgerichts (LSG) ist der BA am 3. Januar 1989 zugestellt worden.
Die Revision der beklagten Stadt ist als unzulässig zu verwerfen, weil sie nicht in der gesetzlich vorgeschriebenen Form eingelegt worden ist (§ 169 SGG).
Gemäß § 164 Abs 1 Satz 2 SGG muß die Revision das angefochtene Urteil angeben. Diesem Wirksamkeitserfordernis, auf das auch die Rechtsmittelbelehrung des Urteils des LSG hinweist, ist nur dann genügt, wenn bis zum Ablauf der Rechtsmittelfrist (hier: am Freitag, dem 3. Februar 1989) aus der Rechtsmittelschrift und sonstigen beigefügten oder während der Rechtsmittelfrist eingereichten Unterlagen für das Revisionsgericht und alle Prozeßbeteiligten erkennbar ist, welches Urteil mit der Revision angefochten wird. Denn sowohl die Interessen des Rechtsmittelgerichts als auch die des Rechtsmittelgegners an einem geregelten und damit der Rechtssicherheit dienenden Verfahren gebieten, daß das angefochtene Urteil eindeutig und sicher gekennzeichnet ist (BSG SozR 1500 § 164 Nr 29 mwN). Genügt die Revision diesen Anforderungen nicht, ist sie unzulässig (allg Ansicht: Bley, RVO-Gesamtkommentar, Band 6, Sozialgerichtsgesetz, § 164 Anm 5a und b; Meyer-Ladewig, SGG, 3. Aufl 1987, § 164 RdNr 4b; Rohwer-Kahlmann, Aufbau und Verfahren der Sozialgerichtsbarkeit, Band III, § 164 RdNr 22; Peters/Sautter/Wolf, Kommentar zur Sozialgerichtsbarkeit, Band III, § 164 Anm h); Zeihe, SGG, § 164 Abs 1 RdNr 13a; jeweils mwN). Da bis zum Ablauf der Rechtsmittelfrist (3. Februar 1989) andere schriftliche Eingaben der Beklagten als die Revisionsschrift beim BSG nicht eingegangen sind, hat die Revision das angefochtene Urteil entgegen § 164 Abs 1 Satz 2 SGG nicht angegeben.
Der Mangel war nicht dadurch geheilt, daß die Gerichtsverwaltung des BSG telefonisch die für die verwaltungsmäßige Aktenbearbeitung (hier: Feststellung des zuständigen Spruchkörpers) erforderlichen Angaben über das angefochtene Urteil ermittelt und darüber einen Aktenvermerk gefertigt hatte. Denn nach § 164 Abs 1 Satz 2 SGG muß "die Revision", für die Schriftform vorgeschrieben ist (§ 164 Abs 1 Satz 1 SGG), also telefonisch oder Einlegung zur Niederschrift des Gerichts nicht in Betracht kommt (Meyer-Ladewig, aaO, RdNr 4a; ferner das og Schrifttum mwN), selbst klare und bestimmte Angaben enthalten; es reicht nicht aus, wenn das Gericht sie durch eigene Ermittlungen zur Kenntnis bekommt (BSG SozR 1500 § 164 Nr 29 S 47 f mwN). Vielmehr gehört die Bezeichnung des angefochtenen Urteils zu den wesentlichen Erfordernissen einer wirksamen Revisionseinlegung, die der Schriftform bedürfen und folglich durch gerichtsseitig durchgeführte Ermittlungen und Vermerke nicht ersetzt werden können.
Gründe, die eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§ 67 Abs 1 SGG) rechtfertigen könnten, hat die Beklagte trotz des richterlichen Hinweises auf § 164 Abs 1 Satz 2 SGG nicht vorgebracht. Sie sind auch nicht ersichtlich.
Die Kostenentscheidung folgt aus einer entsprechenden Anwendung des § 193 Abs 1 SGG.
Fundstellen