Verfahrensgang
SG München (Entscheidung vom 19.04.2018; Aktenzeichen S 56 R 878/14) |
Bayerisches LSG (Urteil vom 07.05.2020; Aktenzeichen L 14 R 385/18) |
Tenor
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 7. Mai 2020 wird als unzulässig verworfen.
Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe
I
Mit Urteil vom 7.5.2020 hat das Bayerische LSG einen Anspruch der Klägerin auf Rente wegen voller Erwerbsminderung verneint.
Gegen die Nichtzulassung der Revision in dieser Entscheidung hat die Klägerin Beschwerde beim BSG eingelegt. Sie beruft sich allein auf die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (Zulassungsgrund nach § 160 Abs 2 Nr 1 SGG).
II
Die Beschwerde der Klägerin ist als unzulässig zu verwerfen. Die Klägerin hat den von ihr ausschließlich geltend gemachten Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG) entgegen § 160a Abs 2 Satz 3 SGG nicht hinreichend dargelegt.
Zur Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung muss die Beschwerdebegründung ausführen, welche Rechtsfrage sich ernsthaft stellt, deren Klärung über den zu entscheidenden Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder Rechtsfortbildung im allgemeinen Interesse erforderlich (Klärungsbedürftigkeit) und deren Klärung durch das Revisionsgericht zu erwarten (Klärungsfähigkeit) ist. Die Beschwerdebegründung hat deshalb auszuführen, inwiefern die Rechtsfrage nach dem Stand von Rechtsprechung und Lehre nicht ohne Weiteres zu beantworten ist, und den Schritt darzustellen, den das Revisionsgericht zur Klärung der Rechtsfrage im allgemeinen Interesse vornehmen soll (stRspr; zB BSG Beschluss vom 19.10.2011 - B 13 R 241/11 B - SozR 4-4200 § 25 Nr 1 RdNr 9 mwN; vgl auch BVerfG ≪Kammer≫ Beschluss vom 18.12.1991 - 1 BvR 1411/91 - SozR 3-1500 § 160a Nr 7; jüngst BSG Beschluss vom 22.9.2020 - B 13 R 45/20 B - juris RdNr 5).
Die Klägerin hält die Frage für klärungsbedürftig,
"ob im Rahmen des § 53 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB VI (wonach die allgemeine Wartezeit vorzeitig erfüllt ist, wenn die Versicherte wegen eines Arbeitsunfalles oder einer Berufskrankheit vermindert erwerbsfähig geworden ist) die Prüfung der Kausalität bei konkurrierenden Ursachen bei einem gravierenden, nicht alltäglichen Unfallgeschehen nach der Theorie der wesentlichen Bedingung zu erfolgen hat oder ob hierbei eine Beweislastumkehr anzuwenden ist bzw. zumindest Beweiserleichterungen zugunsten des Verletzten" bzw
"ob bei einem gravierenden, nicht alltäglichen Unfallgeschehen bei konkurrierenden Ursachen ein rechtlich wesentlicher Ursachenbeitrag im Rahmen des § 53 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB VI zu unterstellen ist und letztlich eine Beweislastumkehr anzuwenden ist bzw. zumindest Beweiserleichterungen zugunsten des Verletzten".
Die Klägerin verfehlt die Anforderung an die Darlegung einer grundsätzlichen Bedeutung der aufgeworfenen Fragen schon deshalb, weil sie in der Beschwerdebegründung vom 7.9.2020 den entscheidungserheblichen Sachverhalt nicht genügend darstellt. Ihre Angaben hierzu beschränken sich auf die Wiedergabe der Rahmendaten des Verwaltungs- und Gerichtsverfahrens sowie punktuelle Angaben zum Inhalt des angefochtenen Urteils sowie zweier Gutachten. Dabei wird schon nicht sicher erkennbar, welche Tatsachen das LSG zum Eintritt des Leistungsfalls festgestellt hat, insbesondere ob das Berufungsgericht vom Vorliegen einer teilweisen oder vollen Erwerbsminderung ausgegangen ist. Ebenso wenig stellt die Klägerin zumindest in gedrängter Form dar, welche Feststellungen das LSG hinsichtlich der besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzung der sog Drei-Fünftel-Belegung des § 43 Abs 1 Satz 1 Nr 2 bzw Abs 2 Satz 1 Nr 2 SGB VI getroffen hat. Die Wiedergabe des der angegriffenen Entscheidung zugrunde liegenden Sachverhalts ist jedoch Mindestvoraussetzung für eine Entscheidung über eine Nichtzulassungsbeschwerde, weil es dem Revisionsgericht andernfalls unmöglich ist, sich - wie erforderlich - ohne Studium der Gerichts- und Verwaltungsakten allein aufgrund des Vortrags des Beschwerdeführers ein Bild über den Streitgegenstand und rechtliche wie tatsächliche Streitpunkte zu machen (BSG Beschluss vom 21.6.1999 - B 7 AL 228/98 B - juris RdNr 7 ff; BSG Beschluss vom 3.11.1999 - B 7 AL 152/99 B - juris RdNr 3; BSG Beschluss vom 29.8.2003 - B 8 KN 7/03 B - juris RdNr 4; BSG Beschluss vom 26.6.2006 - B 13 R 153/06 B - juris RdNr 9; BSG Beschluss vom 23.7.2007 - B 13/4 R 381/06 B - juris RdNr 7). Gerade der Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung verlangt die Wiedergabe des streiterheblichen Sachverhalts, weil insbesondere die Klärungsfähigkeit einer aufgeworfenen Rechtsfrage ohne Umschreibung des Streitgegenstands und des Sachverhalts nicht beurteilt werden kann (BSG Beschluss vom 21.6.1999 - B 7 AL 228/98 B - juris RdNr 10 f mwN; BSG Beschluss vom 23.7.2007 - B 13/4 R 381/06 B - juris RdNr 8).
Die Klägerin kann die ihr obliegende Sachverhaltsdarstellung auch nicht durch eine pauschale Bezugnahme auf die angegriffenen Bescheide und Urteile sowie den Inhalt eingeholter Gutachten ersetzen. Das gesetzliche Erfordernis, bereits die Nichtzulassungsbeschwerde vor dem BSG durch einen zugelassenen Prozessbevollmächtigten (§ 73 Abs 4 Satz 1 SGG) begründen zu lassen, soll das Revisionsgericht entlasten und im wohlverstandenen Interesse aller die sorgfältige Vorbereitung des Verfahrens gewährleisten (BSG Beschluss vom 24.2.1992 - 7 BAr 86/91 - SozR 3-1500 § 166 Nr 4 - juris RdNr 3 f; jüngst etwa BSG Beschluss vom 26.1.2018 - B 13 R 309/14 B - juris RdNr 4). Diesem Ziel wird mit der bloßen Wiederholung des Vortrags aus den instanzgerichtlichen Verfahren ebenso wenig genügt, wie mit einer - nur in eng begrenzten Ausnahmefällen zulässigen - Bezugnahme auf Schriftsätze, die in den Vorinstanzen eingereicht worden sind (hierzu zB BSG Beschluss vom 21.8.2009 - B 11 AL 21/09 B - RdNr 8; BSG Beschluss vom 15.3.1991 - 2 BU 20/91 - juris RdNr 6; Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 13. Aufl 2020, § 160a RdNr 13a; Kummer, Die Nichtzulassungsbeschwerde, 2. Aufl 2010, RdNr 292). Nichts anderes gilt für die Bezugnahme auf den Inhalt der angegriffenen Entscheidung, wenn dieser wie vorliegend an die Stelle einer eigenen Darstellung des entscheidungserheblichen Sachverhalts tritt (BSG Beschluss vom 26.1.2018 - B 13 R 309/14 B - juris RdNr 4). Es ist nicht Aufgabe des Revisionsgerichts, sich den maßgeblichen Sachverhalt aus den Akten oder der angegriffenen Entscheidung herauszusuchen (BSG Beschluss vom 31.5.2017 - B 5 R 358/16 B - juris RdNr 8 mwN; BSG Beschluss vom 26.1.2018 - B 13 R 309/14 B - juris RdNr 3 f).
Vor allem versäumt es die Klägerin, anders als nach § 160a Abs 2 Satz 3 SGG zur Darlegung der Klärungsbedürftigkeit einer Rechtsfrage erforderlich, die einschlägige Rechtsprechung des BSG darauf zu untersuchen, ob diese ggf ausreichende Hinweise für die Beantwortung der von ihr formulierten und als klärungsbedürftig angesehenen Fragen enthält. Denn auch wenn das BSG eine Frage noch nicht ausdrücklich entschieden hat, so ist eine Rechtsfrage doch auch dann als höchstrichterlich geklärt anzusehen, wenn schon eine oder mehrere höchstrichterliche Entscheidungen ergangen sind, die ausreichende Anhaltspunkte auch zur Beurteilung der von der Beschwerde als grundsätzlich herausgestellten Rechtsfrage geben (vgl BSG Beschluss vom 21.1.1993 - 13 BJ 207/92 - SozR 3-1500 § 160 Nr 8 - juris RdNr 7; BSG Beschluss vom 31.3.1993 - 13 BJ 215/92 - SozR 3-1500 § 146 Nr 2 - juris RdNr 6; BSG Beschluss vom 3.4.2017 - B 12 KR 92/16 B - juris RdNr 19). Entgegen diesen Anforderungen fehlen in der Beschwerdebegründung konkrete Ausführungen zur einschlägigen Rechtsprechung des BSG.
Hierzu hätte aber Anlass bestanden, denn das BSG hat in der Vergangenheit bereits wiederholt entschieden, dass Maßstab der Kausalitätsprüfung auch im Recht der gesetzlichen Rentenversicherung die Lehre von der wesentlich mitwirkenden Bedingung ist (stRspr; zB BSG Urteil vom 25.5.2018 - B 13 R 30/17 R - SozR 4-2600 § 43 Nr 21 RdNr 17 mwN; BSG Urteil vom 12.3.2019 - B 13 R 27/17 R - SozR 4-2600 § 10 Nr 4 RdNr 37). Zwar kann auch eine bereits höchstrichterlich entschiedene Rechtsfrage erneut klärungsbedürftig werden, hierfür ist jedoch darzulegen, dass und mit welchen Gründen der höchstrichterlichen Rechtsauffassung in der Rechtsprechung oder in der Literatur widersprochen worden ist, oder dass sich völlig neue, nicht erwogene Gesichtspunkte ergeben haben, die eine andere Beurteilung nahelegen könnten (vgl BSG Beschluss vom 25.9.1975 - 12 BJ 94/75 - SozR 1500 § 160a Nr 13 - juris RdNr 6; BSG Beschluss vom 2.8.2018 - B 10 ÜG 7/18 B - juris RdNr 8 mwN). Die Klägerin stellt hier jedoch lediglich ihre rechtliche Bewertung und die Forderung nach einer Ausnahme von dieser Rechtsprechung bei der Beurteilung der vorzeitigen Wartezeiterfüllung in den Raum, ohne gewichtige andere Auffassungen in Literatur oder Rechtsprechung oder bisher nicht berücksichtigte, eine andere Bewertung ermöglichende Gesichtspunkte darzulegen.
Dass die Klägerin das Berufungsurteil inhaltlich für unrichtig hält, kann nicht zur Zulassung der Revision führen (stRspr; vgl zB BSG Beschluss vom 25.7.2011 - B 12 KR 114/10 B - SozR 4-1500 § 160 Nr 22 RdNr 4; BVerfG Beschluss vom 6.5.2010 - 1 BvR 96/10 - SozR 4-1500 § 178a Nr 11 RdNr 28 mwN).
Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab, weil sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung beizutragen (§ 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 SGG).
Die Verwerfung der unzulässigen Beschwerde erfolgt gemäß § 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm § 169 Satz 2 und 3 SGG durch Beschluss ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.
Fundstellen
Dokument-Index HI14456171 |