Verfahrensgang

LSG Nordrhein-Westfalen (Beschluss vom 11.08.2021; Aktenzeichen L 12 SO 111/20)

SG Münster (Entscheidung vom 18.02.2020; Aktenzeichen S 20 SO 85/18)

 

Tenor

Der Antrag der Klägerin, ihr für das Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde gegen den Beschluss des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 11. August 2021 Prozesskostenhilfe zu bewilligen und einen Rechtsanwalt beizuordnen, wird abgelehnt.

 

Gründe

I

Im Streit steht die Frage nach Mitwirkungspflichten nach dem Ende eines Bewilligungszeitraums für Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung (Grundsicherungsleistungen) nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch - Sozialhilfe - (SGB XII).

Die Klägerin bezieht von der Beklagten Grundsicherungsleistungen. Mit Schreiben vom 26.4.2017 wies die Beklagte zum Ende eines Bewilligungsabschnitts die Klägerin darauf hin, dass die Leistungsvoraussetzungen in gewissen Zeitabschnitten zu überprüfen seien und forderte sie dazu auf, einen beigefügten Vordruck zu den Vermögensverhältnissen auszufüllen und mit konkret bezeichneten Nachweisen einzureichen. Widerspruch und Klage hiergegen blieben ohne Erfolg (Widerspruchsbescheid vom 12.3.2018; Urteil des Sozialgerichts ≪SG≫ Münster vom 18.2.2020). Das Landessozialgericht (LSG) Nordrhein-Westfalen hat die Berufung der Klägerin nach Anhörung zur Verfahrensweise nach § 153 Abs 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zurückgewiesen (Beschluss vom 11.8.2021). Die Klagen seien teilweise unzulässig und im Übrigen unbegründet. Für Leistungen nach dem Vierten Kapitel des SGB XII müsste zwar für sich an die Erstbewilligung anschließende Zeiträume kein Folgeantrag gestellt werden. Bei bedarfsabhängigen Sozialleistungen sei bei zeitabschnittsweise erfolgten Leistungsbewilligungen aber in regelmäßigen Abständen eine Überprüfung erforderlich, ob die Voraussetzung für deren Gewährung unverändert vorliegen. In Bezug auf den inhaltlichen Umfang der damit verbundenen Mitwirkungsobliegenheiten des Hilfebedürftigen im Hinblick auf die Mitteilung leistungserheblicher Tatsachen ggf über die Nutzung von Vordrucken gälten die allgemeinen Mitwirkungsgrenzen des § 65 Sozialgesetzbuch Erstes Buch - Allgemeiner Teil - (SGB I). Eine Überschreitung der hierdurch gesetzten Grenzen der Zumutbarkeiten und Verhältnismäßigkeit sei vorliegend nicht ersichtlich.

Die Klägerin hat am 20.9.2021 bei dem Bundessozialgericht (BSG) einen Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) gestellt.

II

Der Antrag auf Bewilligung von PKH ist nicht begründet. PKH ist nur zu bewilligen, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint (§ 73a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 114 Zivilprozessordnung ≪ZPO≫); daran fehlt es hier. Hinreichende Aussicht auf Erfolg wäre zu bejahen, wenn einer der drei in § 160 Abs 2 SGG abschließend aufgeführten Zulassungsgründe durch einen zugelassenen Prozessbevollmächtigten (§ 73 Abs 4 SGG) mit Erfolg geltend gemacht werden könnte; denn nur diese Gründe können zur Zulassung der Revision führen. Dies ist nicht der Fall.

Der Rechtssache kommt nach Aktenlage keine grundsätzliche Bedeutung zu (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG). Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die - über den Einzelfall hinaus - aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Es stellen sich im vorliegenden Verfahren weder Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung dazu, in welchen Fällen eine Feststellungsklage zur Klärung von Mitwirkungspflichten überhaupt zulässig sein kann (vgl BSG vom 28.3.2013 - B 4 AS 42/12 R - BSGE 113, 177 = SozR 4-1200 § 60 Nr 3, RdNr 12), noch Fragen im Zusammenhang mit Mitwirkungsobliegenheiten nach §§ 60 ff SGB I selbst. Insbesondere zum Begriff der mitzuteilenden "Tatsachen" im Existenzsicherungsrecht (vgl BSG vom 28.3.2013 - B 4 AS 42/12 R - BSGE 113, 177 = SozR 4-1200 § 60 Nr 3, RdNr 15 ff; zur Vorlage von Kontoauszügen BSG vom 19.9.2008 - B 14 AS 45/07 R - BSGE 101, 260 = SozR 4-1200 § 60 Nr 2, RdNr 15) und der Bedeutung der in diesem Zusammenhang in § 60 Abs 2 SGB I ausdrücklich vorgesehenen Nutzung von Vorducken (dazu BSG vom 22.6.1989 - 4 RA 44/88 - BSGE 65, 160 = SozR 1200 § 44 Nr 24, juris RdNr 18 ff) und schließlich zu der Frage, welche Grenzen der Mitwirkungspflicht nach § 65 Abs 1 SGB I (auch für Folgezeiträume nach vorangegangener Bewilligung) bestehen (vgl BSG vom 28.3.2013 - B 4 AS 42/12 R - BSGE 113, 177 = SozR 4-1200 § 60 Nr 3, RdNr 20 ff; BSG vom 19.9.2008 - B 14 AS 45/07 R - BSGE 101, 260 = SozR 4-1200 § 60 Nr 2, RdNr 16) liegt gefestigte Rechtsprechung des BSG vor.

Nach dem Vorstehenden ist auch nicht erkennbar, dass eine Divergenzrüge (§ 160 Abs 2 Nr 2 SGG) mit Aussicht auf Erfolg geltend gemacht werden könnte.

Nach Aktenlage liegt auch kein Verfahrensmangel (§ 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 1 SGG) vor. Es ist nicht erkennbar, dass das LSG die von der Klägerin erhobene Feststellungsklage verfahrensfehlerhaft als unzulässig angesehen hat, soweit sie auf Klärung abstrakter Rechtsfragen gerichtet ist. Es durfte auch durch Beschluss entscheiden. Nach § 153 Abs 4 Satz 1 SGG kann das LSG, außer in den Fällen, in denen das SG durch Gerichtsbescheid (§ 105 Abs 2 Satz 1 SGG) entschieden hat, die Berufung durch Beschluss zurückweisen, wenn es sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Vorliegend stand einer solchen Entscheidung nicht entgegen, dass das LSG einen erst im Berufungsverfahren formulierten Feststellungsantrag als unzulässig angesehen hat; denn es ist zutreffend davon ausgegangen, dass die mit diesem Antrag aufgeworfene Frage bereits von dem im Klageverfahren gestellten Antrag erfasst war, über den es sodann in der Sache entschieden hat. Damit ist im Berufungsverfahren ausschließlich über den gegenüber dem Klageverfahren unverändert gebliebenen Streitgegenstand entschieden worden (zu dieser Voraussetzung Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 13. Aufl 2020, § 153 RdNr 15 b). Die Entscheidung, die Berufung ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss gemäß § 153 Abs 4 Satz 1 SGG zurückzuweisen, steht im Übrigen in pflichtgemäßem Ermessen des Berufungsgerichts und kann nur auf fehlerhaften Gebrauch, dh sachfremde Erwägungen und grobe Fehleinschätzung, überprüft werden (BSG vom 2.5.2001 - B 2 U 29/00 R - SozR 3-1500 § 153 Nr 13; BSG vom 12.2.2009 - B 5 R 386/07 B - SozR 4-1500 § 153 Nr 7). Für einen Ermessensfehlgebrauch ist hier nach Lage der Akten aber nichts erkennbar. Da das LSG zur beabsichtigten Entscheidung durch Beschluss angehört hat (vgl § 153 Abs 4 Satz 2 SGG), liegt auch von daher ein Verfahrensverstoß nicht vor.

Soweit sich die Klägerin gegen die inhaltliche Richtigkeit der Entscheidung wendet, kann dies nicht Gegenstand einer erfolgreichen Nichtzulassungsbeschwerde sein (BSG vom 26.6.1975 - 12 BJ 12/75 - SozR 1500 § 160a Nr 7).

Mit der Ablehnung von PKH entfällt zugleich die Beiordnung eines Rechtsanwalts im Rahmen der PKH (§ 73a Abs 1 SGG iVm § 121 Abs 1 ZPO).

Krauß                                              Scholz                          Bieresborn

 

Fundstellen

Dokument-Index HI15134751

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