Entscheidungsstichwort (Thema)
Notwendige Beiladung
Orientierungssatz
In dem Verzicht, jemanden zu einem Gerichtsverfahren beizuladen, kann ein Verfahrensmangel iS des § 160 Abs 2 Nr 3 SGG nur dann liegen, wenn die Beiladung gemäß § 75 SGG notwendig war.
Normenkette
SGG § 160 Abs 2 Nr 3, § 75
Verfahrensgang
LSG Nordrhein-Westfalen (Entscheidung vom 20.07.1988; Aktenzeichen L 17 U 206/83) |
Gründe
Der Kläger ist mit seinem Begehren ohne Erfolg geblieben, ihm wegen zusätzlicher Folgen des Arbeitsunfalls vom 27. Juni 1977 Verletztenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 100 vH als Dauerrente zu gewähren (Bescheid vom 12. August 1980, Urteile des Sozialgerichts -SG- Düsseldorf vom 24. August 1983 - S 17 U 55/80 - und des Landessozialgerichts -LSG- für das Land Nordrhein-Westfalen vom 20. Juli 1988 - L 17 U 206/83 -).
Sein Antrag auf Bewilligung von Prozeßkostenhilfe für das Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde vor dem Bundessozialgericht (BSG) war abzulehnen. Prozeßkostenhilfe kann dem Kläger allein deshalb nicht gewährt werden, weil die beabsichtigte Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§ 73a Sozialgerichtsgesetz -SGG- iVm § 114 Abs 1 Satz 1 Zivilprozeßordnung -ZPO- idF des Gesetzes über die Prozeßkostenhilfe vom 13. Juni 1980 - BGBl I 677 -). Zulassungsgründe iS des § 160 Abs 2 SGG sind nicht ersichtlich.
Die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers ist unzulässig. Sie entspricht nicht der in § 160 Abs 2 und § 160a Abs 2 Satz 3 SGG festgelegten gesetzlichen Form. Die Beschwerde war deshalb entsprechend § 169 SGG und mit der Kostenfolge entsprechend § 193 SGG ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter zu verwerfen.
Der Kläger weist zwar auf Zulassungsgründe hin, die in § 160 Abs 2 SGG aufgeführt sind. Er behauptet, das angegriffene Urteil beruhe auf einer Abweichung iS des § 160 Abs 2 Nr 2 SGG und auf Verfahrensfehlern iS des § 160 Abs 2 Nr 3 SGG. Damit sind aber die geltend gemachten Zulassungsgründe nicht so "bezeichnet", wie dies § 160a Abs 2 Satz 3 SGG verlangt. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) verlangt diese Vorschrift, daß die Zulassungsgründe schlüssig dargetan werden (BSG SozR 1500 § 160a Nrn 34, 47, 54, 58). Daran fehlt es der Beschwerde.
I.
Eine Abweichung ist nur dann ausreichend begründet, wenn erklärt wird, mit welcher genau bestimmten, tragenden rechtlichen Aussage das angegriffene Urteil von welchem genau bestimmten, tragenden Rechtssatz einer Entscheidung des BSG oder des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes abweicht (BSG SozR 1500 § 160a Nrn 21, 29). Die dementsprechende Begründung für seine Behauptung, das angegriffene Urteil weiche von dem Urteil des BSG vom 5. August 1987 (9b RU 36/86) ab, hat der Beschwerdeführer nicht innerhalb der bis zum 28. Dezember 1988 verlängerten Beschwerdebegründungsfrist gegeben (§ 160a Abs 2 Satz 1 und 2 SGG). Soweit die notwendige Begründung im Schriftsatz vom 20. Februar 1989 enthalten sein sollte, durfte sie nicht mehr berücksichtigt werden, weil sie nach Ablauf der Beschwerdebegründungsfrist abgegeben wurde.
II.
Eine vorschriftsmäßig begründete Verfahrensrüge liegt nur dann vor, wenn die sie begründenden Tatsachen im einzelnen genau angegeben sind und in sich verständlich den geltend gemachten Verfahrensfehler ergeben (BSG SozR 1500 § 160a Nr 14). Daran fehlt es der Beschwerde.
1.
In dem Verzicht, jemanden zu einem Gerichtsverfahren beizuladen, kann ein Verfahrensmangel iS des § 160 Abs 2 Nr 3 SGG nur dann liegen, wenn die Beiladung gemäß § 75 SGG notwendig war. § 75 SGG schreibt dem Gericht indessen nicht vor, zu einem Verfahren des Verletzten gegen den Unfallversicherungsträger wegen Entschädigung aus der gesetzlichen Unfallversicherung die zuständige Krankenkasse beizuladen; insbesondere folgt dies nicht aus § 75 Abs 2 SGG. Der Entschädigungsanspruch eines Verletzten gegen einen Träger der Unfallversicherung einerseits und der gegen letzteren gerichtete mögliche Erstattungsanspruch der zuständigen Krankenkasse andererseits stellen nach der ständigen Rechtsprechung des Senats trotz der Möglichkeit unterschiedlicher Entscheidungen über ein und denselben Unfall zwei grundverschiedene Streitgegenstände dar (s zuletzt den Beschluß des Senats vom 2. November 1988 - 2 BU 110/88 - mwN).
2.
Der Vorwurf eines Verstoßes gegen die Denkgesetze und des Verkennens von Fehlern der Sachverständigengutachten betrifft die Beweiswürdigung des LSG iS des § 128 Abs 1 Satz 1 SGG. Nach § 160 Abs 2 Nr 3 Teilsatz 2 SGG kann ein Zulassungsgrund nicht auf eine Verletzung dieser Vorschrift gestützt werden (BSG SozR 1500 § 160 Nr 26).
3.
Soweit der Beschwerdeführer eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör als Verfahrensmangel rügt, hat er nicht ausreichend dargetan, daß das angegriffene Urteil darauf beruht.
a)
Das gilt zunächst für den Teil der Entscheidungsgründe in denen das LSG die Wahrscheinlichkeit eines ursächlichen Zusammenhangs des beim Kläger festgestellten Bandscheibenvorfalls C 6/7 und der geringen Vorwölbung C 5/6 mit dem Arbeitsunfall verneint. Die Entscheidungsgründe stützen sich dafür ausdrücklich auf das medizinische Sachverständigengutachten des Prof. Dr. W und dasjenige des Prof. Dr. V und lehnen mit diesen Sachverständigen insoweit das Gutachten der Frau Dr. W ab. Nur für den Fall, daß Frau Dr. W mit ihrer Formulierung, daß diese Gesundheitsstörungen "möglicherweise doch" durch das Schleudertrauma ausgelöst worden "seien könnten", die Wahrscheinlichkeit des Ursachenzusammenhangs gemeint haben sollte, stützt sich das LSG hauptsächlich auf den fehlenden zeitlichen Zusammenhang und führt lediglich zusätzlich die von ihm als verbreitet bezeichnete medizinische Lehrmeinung ins Feld, die dem Beschwerdeführer als diejenige bekannt ist, die zB Prof. Dr. E vertrat.
Warum die Entscheidung des LSG trotzdem nicht auf den oben angegebenen Sachverständigengutachten, sondern auf der genannten Lehrmeinung beruht, hat der Beschwerdeführer nicht ausreichend dargetan.
b)
Soweit das LSG Probleme des Klägers im beruflichen und privaten Bereich erwähnt, hat der Beschwerdeführer schon die Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör nicht schlüssig dargetan. Das LSG hat in dem Tatbestand seines Urteils ausdrücklich das Gutachtenergebnis des Gerichtssachverständigen Prof. Dr. V angeführt, wonach den Beschwerden des Klägers kein organischer Befund entspreche. Sie seien Folgen einer psychischen Fehlhaltung. Alle Ursachen (Motive) dieser Fehlhaltung lägen mit Sicherheit außerhalb des psychiatrischen Gebietes. Welche anderen, familiären oder sozialen, Motive außer dem Arbeitsunfall zu dieser Fehlhaltung geführt haben könnten, ließe sich wissenschaftlich-psychiatrisch nicht nachweisen. In Kenntnis dieses beweiserheblichen Gutachtens mußte der Kläger damit rechnen, daß das LSG aktenmäßig festgehaltene Daten und Angaben aus den beigezogenen Akten würdigen würde. Ihm stand es frei, im Hinblick auf das Gutachten des Prof. Dr. V durch einen ausführlichen Tatsachenvortrag und durch entsprechende Beweisanträge zur richtigen Aufklärung des Sachverhalts so beizutragen, wie er es nunmehr im Beschwerdeverfahren für richtig hält. Diese Ausführungen der Beschwerde bezeichnen nicht den Verfahrensfehler der Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör, sondern zielen stattdessen auf die weitere Aufklärung des Sachverhalts gemäß § 103 SGG. Indessen kann darauf ein Zulassungsgrund nicht gestützt werden. Denn die Voraussetzungen des § 160 Abs 2 Nr 3 Teilsatz 3 SGG liegen nicht vor. Die Beschwerde hat keinen Beweisantrag bezeichnet, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.
c)
Aus den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils ergibt sich schließlich, daß das LSG entgegen der Meinung des Beschwerdeführers den beigezogenen Akten nicht die Tatsache entnommen hat, er habe sich der Unterschlagung schuldig gemacht. Stattdessen hat das LSG anhand der beigezogenen Akten nur festgestellt, daß Arbeitgeber ihn dessen bezichtigt hätten. Das LSG hat die Richtigkeit dieser Vorwürfe ausdrücklich dahingestellt sein lassen. Der Beschwerde ist nicht zu entnehmen, welche Vorschriften für das Verfahren vor dem LSG damit verletzt sein könnten.
Fundstellen