Entscheidungsstichwort (Thema)
Vertragsärztliche Versorgung. Honorarverteilung. Quotierung. Pauschalerstattungen nach Nr 7103 BMÄ/E-GO
Orientierungssatz
Pauschalerstattungen nach Nr 7103 BMÄ/E-GO stehen den Ärzten - vermindert um die auf die gesamte vertragsärztliche Vergütung entfallenden Verwaltungskosten der Kassenärztlichen Vereinigung - in der im BMÄ/E-GO ausgewiesenen Höhe zu und sind einer Quotierung durch Regelungen der Honorarverteilung nicht zugänglich.
Normenkette
SGB 5 § 85 Abs. 4, § 87 Abs. 1-2; EBM-Ä Nr. 7103; BMÄ Nr. 7103; E-GO Nr. 7103
Verfahrensgang
Tatbestand
Die klagende Partnerschaftsgesellschaft von Laborärzten wandte sich mit ihren Widersprüchen gegen die Honorarbescheide der beklagten Kassenärztlichen Vereinigung (KÄV) für die Quartale III/1997 bis I/1998, III und IV/1998 und beanstandete, dass die Versandkostenpauschale nach Nr 7103 Bewertungsmaßstab-Ärzte bzw Ersatzkassen-Gebührenordnung (BMÄ/E-GO - hier in der bis zum 30.6.2001 geltenden Fassung) nicht mit den vollen DM-Werten, sondern lediglich quotiert vergütet worden ist. Die Vergütungsquote schwankte zwischen 96,39 % und 99,62 %. Bezogen auf die fünf streitbefangenen Quartale belief sich die Vergütungsminderung der Klägerin infolge der Quotierung auf 25.811,64 Euro.
Nach erfolglosem Widerspruchsverfahren hat das Sozialgericht die Beklagte unter Änderung der angegriffenen Honorarbescheide verpflichtet, die Pauschalerstattungen in Höhe der im Einheitlichen Bewertungsmaßstab für vertragsärztliche Leistungen (EBM-Ä) ausgewiesenen DM-Beträge zu vergüten. Die Minderung der Pauschalerstattungen sei rechtswidrig, da eine Quotierung dieser Leistungen im EBM-Ä nicht vorgesehen sei. Das Landessozialgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Es hat diese Entscheidung damit begründet, die Quotierung der Pauschalerstattung auf der Grundlage von § 9 Abs 4 des Honorarverteilungsmaßstabs (HVM) verstoße gegen höherrangiges Recht, an das die Beklagte bei Ausgestaltung der Honorarverteilung gebunden sei. Da im BMÄ/E-GO eine Pauschalerstattung der Versandkosten für Labormaterialien in festen DM-Beträgen vorgeschrieben sei, dürfe die KÄV diese Vorgabe nicht durch Maßnahmen der Honorarverteilung unterlaufen (Urteil vom 8.11.2006).
Mit ihrer Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision macht die Beklagte geltend, im Rechtsstreit seien Fragen von grundsätzlicher Bedeutung zu entscheiden (Zulassungsgrund gemäß § 160 Abs 2 Nr 1 SGG).
Entscheidungsgründe
Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Die Beklagte hat den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung zwar in einer den Begründungsanforderungen des § 160a Abs 2 Satz 3 SGG entsprechenden Weise bezeichnet, den zu entscheidenden Rechtsfragen kommt jedoch grundsätzliche Bedeutung nicht zu.
Die Revision kann wegen grundsätzlicher Bedeutung nur zugelassen werden, wenn eine Rechtsfrage im Raum steht, die in dem angestrebten Revisionsverfahren klärungsfähig (entscheidungserheblich) sowie klärungsbedürftig und über den Einzelfall hinaus von Bedeutung ist. Die Klärungsbedürftigkeit fehlt, wenn sich die Antwort auf die Rechtsfrage ohne weiteres aus den Rechtsvorschriften und/oder der bisherigen Rechtsprechung ergibt ( zur Verneinung der Klärungsbedürftigkeit in diesem Fall s zB BSG SozR 3-1500 § 146 Nr 2 S 6; SozR 3-2500 § 75 Nr 8 S 34; SozR 3-1500 § 160a Nr 21 S 38 ). Danach sind die Voraussetzungen für die Zulassung der von der Beklagten angestrebten Revision nicht gegeben, weil auch ohne Durchführung eines Revisionsverfahrens auf der Hand liegt, dass das Berufungsgericht zutreffend entschieden hat. Die Pauschalerstattungen nach Nr 7103 BMÄ/E-GO stehen den Ärzten - vermindert um die auf die gesamte vertragsärztliche Vergütung entfallenden Verwaltungskosten der KÄV - in der im BMÄ/E-GO ausgewiesenen Höhe zu und sind einer Quotierung durch Regelungen der Honorarverteilung nicht zugänglich.
Es bedarf in diesem Zusammenhang keiner Klärung, wie generell Kostenerstattungsbeträge, die Bestandteil des Gesamtvergütungssystems sind, im Rahmen der Honorarverteilung zu behandeln sind, und wie sich insbesondere Bewertungsfiguren wie das Individualbudget zu Kostenerstattungsregelungen im EBM-Ä verhalten. Jedenfalls die Versandpauschalregelung nach Nr 7103 des vertraglich vereinbarten Kapitels U zum EBM-Ä gibt den betroffenen Ärzten einen Anspruch auf den dort festgesetzten DM-Betrag je Untersuchungsfall, in dem eine entsprechende Versandleistung erbracht worden ist. Die Leistungsposition Nr 7103 BMÄ/E-GO ist nicht auf die Erstattung des konkreten Kostenaufwands angelegt, der mit der Versendung einer einzelnen Laborprobe verbunden ist, sondern beinhaltet eine Pauschalerstattung ( BSG, Urteil vom 25.8.1999 - B 6 KA 57/98 R - MedR 2000 S 201 ff; BSG SozR 3-5533 Nr 7103 Nr 1 S 6, 9 ). Ob die Kosten für den Versand einer Probe im einzelnen Fall niedriger oder höher sind als der Erstattungsbetrag, ist für die Rechtmäßigkeit der Versandpauschalregelung ohne Bedeutung. Der Senat hat in seinen Urteilen vom 11.10.2006 ( ua B 6 KA 46/05 R, zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen ), die die Vergütung laborärztlicher Leistungen nach dem 1.7.1999 zum Gegenstand haben, zur Umstellung der Vergütung für die analytisch-technische Komponente der laborärztlichen Leistungen auf feste DM- bzw Euro-Beträge Stellung genommen. Er hat näher ausgeführt, dass die Laborärzte durch diese festen Beträge, die die damals klagenden Praxen als existenzbedrohend niedrig beanstandet hatten, durchaus auch begünstigt worden sind. Die Umstellung der Vergütung der technisch-analytischen Leistungen auf feste DM- bzw Euro-Beträge hat nach Einschätzung des Senats für die Laborärzte ein hohes Maß an Kosten- und Kalkulationssicherheit geschaffen, weil sie mit Eingang einer Laboranforderung bzw der Einsendung einer Probe wissen, welche Vergütung ihnen insoweit zusteht ( Senatsurteil vom 11.10.2006 - B 6 KA 46/05 R - RdNr 29 ). Diese Bewertung gilt für die Versandpauschale nach Nr 7103 BMÄ/E-GO entsprechend.
Für die hier betroffene Gruppe der Laborärzte kommt hinzu, dass die Vergütungen, die laborärztliche Praxen für die Versandleistungen nach Nr 7103 BMÄ/E-GO erhalten, nicht nur von untergeordneter Bedeutung sind. Aus den Feststellungen in den am 11.10.2006 entschiedenen Streitverfahren ( ua B 6 KA 46/05 R, RdNr 53) ist erkennbar, dass laborärztliche Praxen typischerweise annähernd 10 % ihres vertragsärztlichen Umsatzes aus den Erstattungen für Versandmaterial und Porto erzielen. Das Regelungsziel der Vertragspartner des Kapitels U zum EBM-Ä, den Laborärzten durch die Pauschalerstattung auf einem eher niedrig kalkulierten Niveau Kalkulations- und Planungssicherheit zu gewährleisten, wäre gefährdet, wenn durch Maßnahmen der Honorarverteilung der jeweils festgesetzte Betrag den betroffenen Laborärzten nicht in dem vollen, bundesmantelvertraglich vereinbarten Umfang zufließen würde. Der Einwand, die Minderungen infolge der Quotierungsregelung nach § 9 des HVM der Beklagten seien nur geringfügig, weil der Auszahlungsanspruch lediglich auf Werte zwischen 99,6 % und 96,4 % der festgesetzten DM-Beträge vermindert würde, greift nicht durch. Feste Grenzziehungen in der Form, dass eine bestimmte Minderung infolge einer Quotierung von Kostenerstattungen noch hinzunehmen, eine darüber hinausgehende Verminderung des Anspruchs auf die Pauschalerstattungen dagegen zu weitgehend sei, lassen sich nicht treffen. Deshalb muss es dabei bleiben, dass Laborärzte grundsätzlich Anspruch auf Auszahlung der vollen, im BMÄ/E-GO festgesetzten Erstattungsbeträge je Behandlungsfall für Versandleistungen haben.
Die Kostenentscheidung ergeht in entsprechender Anwendung des § 193 Abs 1 und 4 SGG in der bis zum 1.1.2002 geltenden und im Hinblick auf die Klageerhebung vor diesem Tag weiter anzuwendenden Fassung.
Fundstellen