Verfahrensgang

Bayerisches LSG (Entscheidung vom 06.12.2018; Aktenzeichen L 8 SF 186/17 EK)

 

Tenor

Der Antrag des Klägers, ihm für das Verfahren der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts (L 8 SF 186/17 EK) vom 6. Dezember 2018 Prozesskostenhilfe zu gewähren und Rechtsanwältin S. H. aus M. beizuordnen, wird abgelehnt.

 

Gründe

I

Der Kläger begehrt in der Hauptsache eine Entschädigung wegen überlanger Dauer des Verfahrens S 13 AS 2957/13 vor dem SG München und des Verfahrens L 7 AS 454/16 vor dem LSG in Höhe von (insgesamt) 4300 Euro. Diesen Anspruch hat das LSG (Entschädigungsgericht) mit Urteil vom 6.12.2018 verneint. Die Entschädigungsklage sei unzulässig. Der Kläger habe die Wartefrist von sechs Monaten zwischen Erhebung der Verzögerungsrüge und Klageerhebung nicht eingehalten. Der Kläger trage mit Schriftsatz vom 11.12.2017 (zum Verfahren L 8 SF 185/17 EK) vor, eine Verzögerungsrüge am 25.4.2016 im Verfahren S 13 AS 2957/13 erhoben zu haben. In der Gerichtsakte des Ausgangsverfahrens vor dem LSG finde sich jedoch keine Verzögerungsrüge iS des § 198 Abs 3 S 1 GVG. Zwar habe der Kläger mit Schriftsatz vom 11.12.2014 eine Beschwerde gegen die Verzögerung des Gerichtsverfahrens S 13 AS 2957/13(zum Verfahren L 7 AS 847/14 B) eingelegt. Die beim LSG und damit nicht beim befassten SG erhobene Verzögerungsrüge sei nach § 198 Abs 3 S 1 GVG unwirksam gewesen und mit Beschluss vom 9.2.2015 als unzulässig verworfen worden. Die weiteren Schreiben des Klägers vom 18.1.2016 und 28.1.2016 (zum Verfahren S 29 SF 15/16 AB) sowie vom 27.4.2016, 14.7.2016 und 4.1.2017 (zum Verfahren S 46 AS 183/17 ER) enthielten zwar im Rahmen von Ausführungen zu anderen Themen auch Aussagen zur Verfahrensdauer. Sie seien aber schon deshalb nicht als eine das Ausgangsverfahren betreffende Verzögerungsrüge anzusehen, weil vom Kläger nicht dessen Beschleunigung verlangt worden sei. Als wirksame Verzögerungsrüge sei lediglich das Schreiben des Klägers vom 1.2.2017 im Berufungsverfahren L 7 AS 37/16 anzusehen. Bezogen auf diese Verzögerungsrüge sei jedoch die Wartefrist des § 198 Abs 5 S 1 GVG nicht eingehalten. Der Kläger habe die Entschädigungsklage bereits am 29.6.2017 durch Übergabe eines entsprechenden Schreibens in der mündlichen Verhandlung des Berufungsverfahrens und damit innerhalb der bis zum 1.8.2017 laufenden sechsmonatigen Wartefrist erhoben.

Der Kläger hat beim BSG mit am 22.1.2019 eingegangenem Schreiben vom 17.1.2019 für das Verfahren der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem ihm am 5.1.2019 zugestellten Urteil des Entschädigungsgerichts Prozesskostenhilfe (PKH) unter Beiordnung von Rechtsanwältin S. H. aus M. beantragt. Er rügt, das Entschädigungsgericht hätte seine Entschädigungsklage nicht wegen Nichteinhaltung der sechsmonatigen Wartefrist zwischen Verzögerungsrüge und Klageerhebung als unzulässig abweisen dürfen. Denn er habe die Wartefrist eingehalten. Er habe im Zeitraum vom 11.12.2014 bis 31.1.2016 achtmal die Verzögerung gerügt. Die Verzögerungsrüge bedürfe auch keiner besonderen Form und müsse nicht begründet werden. Zu Unrecht habe das Entschädigungsgericht nur sein Schreiben vom 1.2.2017 als wirksame Verzögerungsrüge angesehen. Zudem habe er am 29.6.2017 noch gar keine Entschädigungsklage erhoben, sondern lediglich "Anträge zu mündlichen Verhandlungen eingereicht".

II

Der Antrag des Klägers, ihm PKH unter Beiordnung von Rechtsanwältin S. H. aus M. für die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision zu gewähren, ist abzulehnen.

Nach § 73a Abs 1 S 1 SGG iVm § 114 Abs 1 S 1 ZPO kann einem bedürftigen Beteiligten für das Beschwerdeverfahren vor dem BSG nur dann PKH bewilligt werden, wenn ua die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet. Daran fehlt es. Es ist nicht zu erkennen, dass ein beim BSG zugelassener Prozessbevollmächtigter (§ 73 Abs 4 SGG) in der Lage wäre, eine Nichtzulassungsbeschwerde erfolgreich zu begründen. Nach Durchsicht der Akten und unter Berücksichtigung der Ausführungen des Klägers in seinem Schreiben vom 17.1.2019 fehlen Anhaltspunkte dafür, dass er einen der in § 160 Abs 2 Nr 1 bis 3 SGG abschließend aufgeführten Zulassungsgründe darlegen könnte.

Die Sache bietet keine Hinweise für eine über den Einzelfall des Klägers hinausgehende grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (Zulassungsgrund gemäß § 160 Abs 2 Nr 1 SGG). Auch ist nicht ersichtlich, dass das Entschädigungsgericht entscheidungstragend von Rechtsprechung des BSG, des GmSOGB oder des BVerfG abgewichen sein könnte (Zulassungsgrund gemäß § 160 Abs 2 Nr 2 SGG).

Schließlich fehlt ein ausreichender Anhalt dafür, dass ein die Revisionszulassung rechtfertigender Verfahrensmangel des Entschädigungsgerichts bezeichnet werden könnte (Zulassungsgrund gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 SGG). Der Kläger rügt, das Entschädigungsgericht hätte die Entschädigungsklage nicht wegen Nichteinhaltung der Wartefrist nach § 198 Abs 5 S 1 GVG als unzulässig abweisen dürfen. Der mit diesem Vorbringen sinngemäß geltend gemachte Verfahrensmangel - Prozessurteil statt Sachurteil (vgl hierzu nur BSG Beschluss vom 30.10.2007 - B 2 U 272/07 B - Juris RdNr 6 mwN) - liegt jedoch nicht vor.

Nach § 198 Abs 5 S 1 GVG kann eine Klage zur Durchsetzung eines Entschädigungsanspruchs frühestens sechs Monate nach Erhebung der Verzögerungsrüge erhoben werden. Die Einhaltung dieser Wartefrist stellte eine besondere Sachurteilsvoraussetzung der Entschädigungsklage dar, die in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu prüfen ist. Eine vor Fristablauf erhobene Klage wird deshalb nach Ablauf der Frist nicht zulässig (Senatsurteil vom 3.9.2014 - B 10 ÜG 2/14 R - SozR 4-1720 § 198 Nr 5 RdNr 19).

Dass das Entschädigungsgericht die Anforderungen an das Vorliegen einer Verzögerungsrüge für den vom Kläger geltend gemachten Entschädigungsanspruch überspannt hat, ist nicht ersichtlich. In der Gerichtsakte des zunächst mit Gerichtsbescheid vom 23.12.2015 entschiedenen und auf Antrag des Klägers mit Urteil nach mündlicher Verhandlung vom 8.6.2016 abgeschlossenen Ausgangsverfahrens vor dem SG (S 13 AS 2957/13), dem Kläger zugestellt am 18.6.2016, sind keine Schreiben des Klägers enthalten, die als Verzögerungsrüge iS des § 198 Abs 3 S 1 GVG ausgelegt werden könnten. Diesbezüglich scheiden auch die in anderen Verfahren und Zusammenhängen ohnehin nur beiläufig getätigten Ausführungen des Klägers zur Verfahrensdauer in seinen Schreiben vom 14.7.2016, 11.12.2017 und vom 4.1.2017 als Verzögerungsrügen schon deshalb aus, weil sie vom Kläger erst nach Abschluss des Verfahrens vor dem SG erhoben worden sind. Denn eine Verzögerungsrüge soll dem bearbeitenden Richter die Möglichkeit zu einer beschleunigten Verfahrensförderung eröffnen und insofern als Vorwarnung dienen (sog Warnfunktion der Verzögerungsrüge), weshalb sie im Übrigen auch bei dem Gericht erhoben werden muss, bei dem das (als unangemessen lang empfundene) Verfahren anhängig ist (vgl Begründung der Bundesregierung vom 17.11.2010 zum Entwurf eines Gesetzes über den Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren und strafrechtlichen Ermittlungsverfahren, BT-Drucks 17/3802 S 20 zu Abs 3 S 1; Senatsurteil vom 3.9.2014 - B 10 ÜG 2/14 R - SozR 4-1720 § 198 Nr 5 RdNr 26). Die Schreiben vom 18.1.2016, 28.1.2016 und 27.4.2016 enthalten überdies keine Verzögerungsrüge iS von § 198 Abs 3 S 1 GVG, da sie nicht ausdrücklich die Dauer des Verfahrens bei dem mit der Sache befassten Gericht rügen (zur Eigenschaft der Verzögerungsrüge als materiell-rechtliche Voraussetzung s Senatsurteil vom 12.2.2015 - B 10 ÜG 11/13 R - BSGE 118, 102 = SozR 4-1720 § 198 Nr 9, RdNr 19 mwN). Die Beschwerde vom 11.12.2014 hinsichtlich der Verzögerung des Verfahrens S 13 AS 2957/13 ist vor dem LSG erhoben und damit nicht vor dem mit der Sache befassten SG.

Ein aktenkundiges Schreiben des Klägers im Berufungsverfahren (L 7 AS 454/16), welches als Verzögerungsrüge gewertet werden könnte, liegt ebenfalls nicht vor. Selbst wenn man die im Berufungsverfahren L 7 AS 37/16 am 1.2.2017 erhobene Verzögerungsrüge auch für das Verfahren L 7 AS 454/16 als erhoben werten wollte, ist diese bereits deshalb unbeachtlich, weil bei deren Eingang noch kein Anhalt für eine Besorgnis der Verzögerung des erst seit dem 15.7.2016 anhängigen Berufungsverfahrens gegeben war (vgl § 198 Abs 3 S 2 GVG). Nicht nachvollziehbar ist der Einwand des Klägers, dass er am 29.6.2017 in der mündlichen Verhandlung des Berufungsverfahrens durch Überreichung eines entsprechenden Schreibens vom selben Tag zu Protokoll (vgl § 90 SGG) noch keine Entschädigungsklage erhoben haben will. Denn er selbst ist hiervon (zu Recht) ausgegangen, wie ua seine im Entschädigungsverfahren verfassten Schreiben vom 4.9.2017, 12.9.2017, 22.11.2017, 11.12.2017, 24.10.2018 und der von ihm in der mündlichen Verhandlung vor dem Entschädigungsgericht am 6.12.2018 gestellte Antrag nachdrücklich belegen, was im Übrigen auch für den Beklagten gilt (s zB dessen Schriftsatz ≪"Klageerwiderung"≫ vom 9.11.2017). Überdies ist der Kläger vom Entschädigungsgericht mit Schreiben vom 22.8.2017 auf seine mit Schreiben vom 29.6.2017 erfolgte Klageerhebung ausdrücklich hingewiesen worden (s auch Beschluss des Entschädigungsgerichts vom 13.9.2017), ohne dass er hiergegen Einwände erhoben hat. Ausgehend von dem nach § 198 Abs 5 S 1 GVG für die Wahrung der Wartefrist allein maßgeblichen Zeitpunkt der Klageerhebung der Entschädigungsklage (vgl hierzu auch BFH Urteil vom 12.7.2017 - X K 3-7/16 ua - Juris RdNr 25) - hier am 29.6.2017 - ist aber die Wartefrist von sechs Monaten bezogen auf die vom Kläger mit Schreiben vom 1.2.2017 erhobene (weitere) Verzögerungsrüge nicht gewahrt. Eine mit Schreiben vom 15.9.2017 benannte, am 4.9.2017 eingereichte Klage bezog sich lediglich auf die "Berichtigung falscher Angaben im Gerichtsbescheid S 13 AS 2957/13 vom 8.6.2016 und im Gerichtsbescheid S 13 AS 3025/13 vom 23.12.2016"; die Erhebung einer Entschädigungsklage wird nicht angesprochen.

Da dem Kläger keine PKH zusteht, kann er auch nicht die Beiordnung eines Rechtsanwalts beanspruchen (§ 73a Abs 1 S 1 SGG iVm § 121 Abs 1 ZPO).

 

Fundstellen

Dokument-Index HI13219750

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