Leitsatz (amtlich)
Wird auf einen Bescheid, welcher eine Leistung betrifft, deren Gewährung im Ermessen des Versicherungsträgers steht, eine zusammengefaßte Anfechtungs- und Leistungsklage nach SGG § 54 Abs 4 erhoben, so ist diese unzulässig.
Normenkette
SGG § 54 Abs. 4 Fassung: 1953-09-03
Tenor
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts in München vom 4 . Dezember 1956 wird als unzulässig verworfen .
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten .
Gründe
Die Revision ist zwar form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden , sie ist jedoch nach § 160 in Verbindung mit § 162 Abs . 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) unstatthaft . Das Landessozialgericht hat die Revision nicht zugelassen § 162 Abs . 1 Nr . 1 SGG) . Der von der Klägerin gerügte Verfahrensmangel greift nicht durch (§ 162 Abs . 1 Nr . 2 SGG) . Das Landessozialgericht durfte nach § 159 Abs . 1 Nr . 2 SGG die Sache an das Sozialgericht zurückverweisen , weil - entgegen der Auffassung der Klägerin - das Verfahren des Sozialgerichts an einen wesentlichen Mangel leidet . Das Sozialgericht durfte nämlich nicht in der Sache selbst entscheiden , sondern mußte die Klage als unzulässig abweisen . Die Klägerin hat vor dem Sozialgericht beantragt , die Beklagte unter Aufhebung des angefochtenen Bescheids vom 1 . September 1954 und des Änderungsbescheids vom 26 . Oktober 1955 zur Zahlung der Witwenrente nach ihrem geschiedenen Ehemann zu verurteilen . Sie hat damit eine zusammengefaßte Anfechtungs- und Leistungsklage nach § 54 Abs . 4 SGG erhoben , was auch noch dadurch bestätigt wird , daß sie die Ansicht vertritt , es handele sich bei der sogenannten Geschiedenen-Witwenrente um eine Leistung , auf die ihrer Art nach ein Rechtsanspruch bestehe . Diese Rechtsansicht der Klägerin ist jedoch irrig . Bis zum Inkrafttreten des Rentenversicherungsneuregelungsgesetzes am 1 . Januar 1957 bestand kein Rechtsanspruch auf eine Geschiedenen-Witwenrente , vielmehr stand deren Gewährung im Ermessen des Versicherungsträgers (Kannleistung) . Bei einer Kannleistung aber ist die zusammengefaßte Anfechtungs- und Leistungsklage nach § 54 Abs . 4 SGG generell unzulässig . Ihre Zulässigkeit beschränkt sich vielmehr auf die in § 54 Abs . 4 SGG genannten Fälle , in welchen der angefochtene Verwaltungsakt eine Leistung betrifft , auf die ihrer Art nach ein Rechtsanspruch besteht . Zur Überprüfung eines Bescheids , der eine Kannleistung betrifft , stehen neben der Feststellungsklage nach § 55 SGG daher nur die Klagearten nach § 54 Abs . 1 SGG zur Verfügung . Der Gesetzgeber hat bei Kannleistungen die Leistungsklage mit Rücksicht auf den Verfassungsgrundsatz der Teilung der Gewalten nicht vorgesehen , weil die Entscheidung , in welcher Weise von dem Ermessen Gebrauch gemacht werden soll , eine Verwaltungsentscheidung ist , die grundsätzlich allein der Verwaltung zusteht . Das Gericht kann nur prüfen , ob die Verwaltung von ihrem Ermessen keinen sachwidrigen Gebrauch gemacht oder die Grenzen des ihr zustehenden Ermessens überschritten hat . In anderen als den gesetzlich vorgesehenen Fällen kenn von den in den §§ 54 , 55 SGG vorgesehenen Klagearten kein Gebrauch gemacht werden . Sowohl die Art der im sozialgerichtlichen Verfahren zulässigen Klagen insgesamt wie such ihre Anwendung auf die gesetzlich jeweils vorgesehene Gruppe von Leistungsarten ist ausschließlicher Natur . Andere als die vorgesehenen Klagearten oder die Anwendung einer Klageart auf eine andere als die vorgesehene Gruppe ist unzulässig . Es könnte im vorliegenden Falle allerdings zweifelhaft sein , ob das Sozialgericht nicht etwa rechtsirrig angenommen hat , auch die Geschiedenen-Witwenrente sei wegen des Gleichheitsgrundsatzes des Art . 3 des Grundgesetzes als Pflichtleistung und nicht nur als Kannleistung anzusehen . Tatsächlich können die Ausführungen des Sozialgerichts nicht in diesem Sinne verstanden werden , da das Sozialgericht trotz Berufung auf den Gleichheitssatz die Geschiedenen-Witwenrente als Kannleistung bezeichnet . Es will also - so muß angenommen werden - im vorliegenden Fall , in welchem nach seiner Ansicht die Gewährung der Rente lediglich von dem Vorhandensein eines bestimmten Tatbestandsmerkmals abhängt , nur deshalb selbst entscheiden , weil es hier eine andere Entscheidung nicht für denkbar hält ; es sieht sich also in diesem Ausnahmefall auch bei einer mit einer Vornahmeklage verfolgten Kannleistung wegen des Gleichheitssatzes ebenso wie bei einer mit der zusammengefaßten Anfechtungs- und Leistungsklage verfolgten Pflichtleistung für verpflichtet an , selbst zu entscheiden . Es braucht nicht untersucht zu werden , ob dieser Auffassung zu folgen ist , jedenfalls muß angenommen werden , daß sie dem Sozialgericht vorgeschwebt hat , zumal andernfalls seine Ausführungen überhaupt nicht verständlich wären . Dann aber hat es übersehen , daß die Klägerin in Wirklichkeit keine Vornahmeklage (Verpflichtungsklage) , sondern eine zusammengefaßte Anfechtungs- und Leistungsklage erhoben hat , und hat daher rechtsirrig die Klage als zulässig angesehen . Ob das Landessozialgericht nicht selbst die Klage als unzulässig hätte abweisen müssen (wenn die Klägerin auf Hinweis des Gerichts nicht eine Änderung der Klage in eine Vornahmeklage vorgenommen hätte) , anstatt die Sache an das Sozialgericht zurückzuverweisen , bedarf keiner Untersuchung , da diese Entscheidung im nicht nachprüfbaren Ermessen des Landessozialgerichts steht .
Die von der Klägerin vorgetragene Ansicht , die Gerichte könnten auch bei Kannleistungen die Bescheide der Versicherungsträger überprüfen , ist richtig , sie übersieht nur , daß dies vom Landessozialgericht auch keineswegs verkannt worden ist . Diese Überprüfung aber ist beschränkt , wie bereits ausgeführt wurde .
Die Voraussetzungen des § 162 Abs . 1 Nr . 3 SGG können schon deshalb nicht vorliegen , weil über einen ursächlichen Zusammenhang im Sinne dieser Vorschrift überhaupt nicht entschieden worden ist und auch nicht zu entscheiden war .
Da die Revision somit nicht statthaft ist , mußte sie nach § 169 SGG verworfen werden .
Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG .
Der Antrag nach § 199 Abs . 2 SGG ist an den Vorsitzenden des Landessozialgerichts gerichtet . Dieser ist allein zur Entscheidung hierüber befugt .
Fundstellen