Entscheidungsstichwort (Thema)

Unfallversicherung. Hinterbliebenenrente. Ausschluß. Versorgungsehe. Verfassungsmäßigkeit

 

Orientierungssatz

Zur Verfassungsmäßigkeit des § 594 RVO.

 

Normenkette

RVO § 594; SGB VII § 65 Abs. 6; GG Art. 6 Abs. 1

 

Verfahrensgang

Schleswig-Holsteinisches LSG (Urteil vom 24.01.1997; Aktenzeichen L 5 U 122/94)

SG Lübeck (Entscheidung vom 11.08.1994; Aktenzeichen S 8 U 77/93)

 

Gründe

Die Klägerin ist mit ihrem Begehren auf Hinterbliebenenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung ohne Erfolg geblieben (Bescheid vom 10. Februar 1993 idF des Widerspruchsbescheids vom 22. April 1993; Urteile des Sozialgerichts vom 11. August 1994 und des Landessozialgerichts ≪LSG≫ vom 24. Januar 1997). Das LSG ist zu dem Ergebnis gelangt, daß der Klägerin Hinterbliebenenrente nicht zustehe; nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens, insbesondere nach der umfangreichen Beweisaufnahme im Berufungsverfahren habe es sich nicht davon überzeugen können, daß die gesetzliche Vermutung des § 594 der Reichsversicherungsordnung (RVO), die nicht verfassungswidrig sei, widerlegt sei.

Die hiergegen gerichtete Nichtzulassungsbeschwerde, die die Beschwerdeführerin auf eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache stützt, ist zurückzuweisen. Der geltend gemachte Zulassungsgrund nach § 160 Abs 2 Nr 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) liegt teils nicht vor, teils ist er nicht schlüssig vorgetragen. Nach dieser Vorschrift ist die Revision zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat. Die grundsätzliche Bedeutung ist nur dann anzunehmen, wenn die von der Beschwerdeführerin für grundsätzlich gehaltene Rechtsfrage für die Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreits klärungsbedürftig, klärungsfähig und entscheidungserheblich ist (BSG SozR 1500 § 160 Nrn 53 und 54; Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 2. Aufl, 1997, IX RdNr 63 mwN). Das ist hier nicht der Fall.

Die von der Beschwerdeführerin unter Nrn 1 bis 3 aufgeworfenen Rechtsfragen betreffen im Kern die Frage, ob der in § 594 RVO (s jetzt § 65 Abs 6 des Siebten Buchs des Sozialgesetzbuchs) geregelte Ausschluß einer Hinterbliebenenrente bei Eheschließung nach dem Versicherungsfall verfassungsgemäß (Art 6 Abs 1 des Grundgesetzes ≪GG≫) ist. Diese von der Klägerin aufgeworfene Rechtsfrage ist nicht klärungsbedürftig iS des § 160 Abs 2 Nr 1 SGG. Sie ist bereits höchstrichterlich entschieden und hinreichend geklärt. Es ist auch nicht ersichtlich, daß der Rechtsauffassung des Bundessozialgerichts (BSG) in nicht geringfügigem Umfang widersprochen worden wäre (s BSG SozR 1500 § 160a Nr 13; Krasney/Udsching aaO IX RdNr 65 mwN). So hat das BSG in dem - auch vom LSG zugrunde gelegten - Urteil vom 28. März 1973 (BSGE 35, 272) entschieden, daß die Regelung in § 594 RVO nicht gegen den in Art 6 Abs 1 GG garantierten Schutz der Ehe verstößt. Hieran hat das BSG in seiner weiteren Entscheidung vom 18. Juli 1974 - 5 RKnU 6/73 - (HV-INFO 1987, 564) ausdrücklich festgehalten und vor allem darauf verwiesen, daß die durch das Unfallversicherungs-Neuregelungsgesetz (UVNG) eingeführte Widerlegbarkeit der Vermutung eine für den Hinterbliebenen gegenüber dem früheren Recht günstigere Regelung enthält. Bis zum Inkrafttreten des UVNG war nach § 590 RVO aF der Anspruch stets ausgeschlossen, wenn der Tod innerhalb des ersten Jahres der Ehe eingetreten war. Die Versorgungsabsicht wurde also unwiderlegbar vermutet. Die Berufsgenossenschaft konnte lediglich unter besonderen Umständen eine Rente gewähren. Die zugunsten der Hinterbliebenen durch das UVNG eingeführte Widerlegbarkeit der Vermutung und die dadurch geschaffene günstigere Rechtslage kann, wie das BSG weiter ausgeführt hat, nicht aus der bis dahin verfassungsmäßigen ungünstigeren eine verfassungswidrige günstigere Norm machen. Das UVNG hat durch die Neufassung des § 594 RVO den Hinterbliebenen lediglich die für sie günstigere Möglichkeit gegeben, die Vermutung zu widerlegen und eine Rente zu erhalten.

Diese Rechtsprechung hat in der Literatur - soweit ersichtlich - einhellig Zustimmung gefunden (Beitzke in Anm zum Urteil des BSG vom 28. März 1973 in SGb 1973, 519; Bereiter-Hahn/Schieke/Mehrtens, Gesetzliche Unfallversicherung, 4. Aufl, § 594 RdNr 1; KassKomm-Ricke, § 594 RVO RdNr 2; Lauterbach/Watermann, Gesetzliche Unfallversicherung, 3. Aufl, § 594 Anm 4).

Soweit die Beschwerdeführerin unter Nrn 4 und 5 weitere Rechtsfragen für grundsätzlich bedeutsam hält, kann dies schon deshalb nicht zur Zulassung der Revision nach § 160 Abs 2 Nr 1 SGG führen, weil sie nicht darlegt, ob und inwieweit zu den von ihr aufgeworfenen Fragen bereits Rechtsgrundsätze (vgl hierzu die Rechtsprechungsübersicht in HV-INFO 1994, 219 ff) herausgearbeitet sind und in welchem Rahmen noch eine weitere Ausgestaltung, Erweiterung oder Änderung derselben durch das Revisionsgericht zur Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreits erforderlich erscheint (vgl Krasney/Udsching aaO RdNr 65 f).

Die Beschwerde war daher zurückzuweisen (§ 169 SGG).

Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1173418

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