Entscheidungsstichwort (Thema)
Der 3. Senat das BSG erstrebt neue Berechnung der Revisionsbegründungsfrist
Leitsatz (redaktionell)
Der 3. Senat des BSG hat beschlossen, beim 7. Senat anzufragen, ob er an der im Beschluß vom 1957-11-28 vertretenen Auffassung über die Berechnung der Revisionsbegründungsfrist festhält. Nach dieser Auffassung wäre die am 1968-09-26 beim BSG eingegangene Revisionsbegründung der Klägerin verspätet, da sie nicht innerhalb von 2 Monaten nach Zustellung des Berufungsurteils (1968-07-25) erfolgt ist. Nach einen Beschluß des GrS des BVerwG vom 1970-11-30, der zu einer dem SGG § 164 entsprechenden Vorschrift der VwGO ergangen ist, wäre die Revisionsbegründung der Klägerin dagegen rechtzeitig, da sie noch innerhalb eines Monats nach Ablauf der Revisionsfrist eingegangen ist, die - weil der 1968-08-25 ein Sonntag war - erst mit dem folgenden Werktag abgelaufen war (SGG § 64 Abs 3). Der Senat hat sich der Auffassung des BVerwG angeschlossen.
Normenkette
SGG § 164 Abs. 1 S. 1 Fassung: 1953-09-03, § 64 Abs. 3 Fassung: 1965-08-10
Tenor
Es soll beim 7. Senat des Bundessozialgerichts angefragt werden, ob an der im Beschluss vom 28. November 1957 (BSG 6, 134) vertretenen Rechtsauffassung über die Berechnung der Revisionsbegründungsfrist festgehalten wird. Bei den anderen Senaten soll angefragt werden, ob sie - soweit sie die im genannten Beschluss des 7. Senats vertretene Auffassung gebilligt haben - daran festhalten.
Gründe
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Klägerin - als Rechtsnachfolgerin ihres 1960 verstorbenen Vaters - oder der Beigeladenen/H., der früher als Geschäftsführer im Betrieb des Vaters der Klägerin tätig gewesen war und nach dessen Tod den Betrieb nach außen hin im eigenen Namen weitergeführt hatte, für Beitragsschulden aus zwei Monaten des Jahres 1962 haftet. Das Landessozialgericht (LSG) hat in Übereinstimmung mit der beklagten Krankenkasse die Klägerin für die fragliche Zeit als Arbeitgeberin und Beitragsschuldnerin angesehen. Gegen das ihr am 25. Juli 1968 zugestellte Urteil hat sie am 26. August 1968 Revision eingelegt und diese mit einem am 26. September 1968 eingegangenen Schriftsatz begründet.
Die Zulässigkeit der von der Klägerin eingelegten Revision hängt davon ab, ob sie ihre Revision rechtzeitig begründet hat. Die Frist zur Einlegung der Revision gegen das am 25. Juli 1968 zugestellte Urteil des LSG ist, da der 25. August 1968 ein Sonntag war, erst mit dem darauffolgenden Montag, dem 26. August 1968, abgelaufen (§§ 164 Abs. 11 64 Abs. 3 SGG); an diesem Tag ist die Revisionsschrift fristgerecht hier eingegangen. Die Revisionsbegründung ist einen Monat später, am 26. September 1968, einem Donnerstag, eingegangen. Sie wäre verspätet, wenn dem Beschluss des 7. Senats vom 28. November 1957 zu folgen wäre; danach endet die Revisionsbegründungsfrist, wenn das Ende der Revisionsfrist auf einen Sonntag fällt und sie deshalb erst mit dem nächstfolgenden Werktag abläuft, regelmäßig "mit dem Ablauf desjenigen Tags des zweiten Monats nach der Zustellung des Berufungsurteils, welcher nach seiner Zahl dem Zustellungstag entspricht" (BSG 6, 134). Nach dieser Auffassung wäre im vorliegenden Fall die Revisionsbegründungsfrist - unabhängig von der bis zum 26. August 1968 verlängerten Revisionsfrist - 2 Monate nach Zustellung des Berufungsurteils, also am 25. September 1968, abgelaufen, die Revision mithin verspätet begründet worden.
Gegen die Auffassung des 7. Senats, die früher auch vom Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) zu vergleichbaren Vorschriften vertreten worden ist (vgl. die Nachweise in NJW 1971, 294, 295 linke Spalte; ebenso noch Eyermann-Fröhler in der neuesten, 1971 erschienenen Auflage ihres Kommentars zur VwGO, Randnummer 12 zu § 139, und Ziemer-Birkholz, Kommentar zur FGO, 1966, § 120 Randnummer 21), hat sich jedoch der Große Senat des BVerwG in einem Beschluss vom 30. November 1970 ausgesprochen (NJW 1971, 294).
Danach ist die Revisionsbegründungsfrist eine Einmonatsfrist, die sich an die Frist zur Einlegung der Revision anschließt, und zwar auch in den besonderen Fällen, in denen die Einlegungsfrist bis zum nächstfolgenden Werktag verlängert wird (aa0 Leitsatz 1 und S. 295 rechte Spalte). Diese neue Rechtsprechung des BVerwG verdient den Vorzug vor der früheren Auffassung. Nach der früheren Ansicht wäre nämlich die Revisionsbegründungsfrist, da sie unabhängig vom Ablauf der Revisionseinlegungsfrist beginne würde, praktisch eine von der Zustellung des angefochtener Urteils an gerechnete Zweimonatsfrist. Das widerspräche schon dem Wortlaut der einschlägigen Vorschriften (§§ 139 Abs. 1 VwGO, 164 Abs. 1 SGG), nach denen die Revision "innerhalb (binnen) eines Monats" einzulegen und "innerhalb (binnen) eines weiteren Monats" zu begründen ist. Das Gesetz geht also von zwei aufeinanderfolgenden Einmonatsfristen aus, begreift insbesondere die Revisionsbegründungsfrist nicht als eine vom Ablauf der Revisionsfrist unabhängige, allein von der Zustellung des angefochtenen Urteils zu berechnende Zweimonatsfrist. Es kommt hinzu, dass auch Zivil- und Strafprozess die Rechtsmittelbegründungsfristen den Charakter von "Anschlussfristen" haben, mögen sie nach der ZPO auch nicht mit dem Ende der Rechtsmittelfrist, sondern jeweils mit der Einlegung des Rechtsmittels beginnen.
Der vom 7. Senat des BSG in seinem Beschluss mit angeführte Gesichtspunkt, der Revisionskläger müsse schon am Tage der Zustellung des Urteils den Ablauf der Revisionsbegründungsfrist genau berechnen können (aa0 S. 135), gilt auch für die hier vertretene Ansicht: Auch nach ihr kann der Revisionskläger ohne weiteres feststellen, wann die - an die verlängerte Einlegungsfrist anschließende - Begründungsfrist endet. Nur soweit die Begründungsfrist nicht an den Ablauf der (normalen oder verlängerten) Einlegungsfrist, sondern an den Zeitpunkt der tatsächlichen Einlegung des Rechtsmittels anknüpft, wie im Zivilprozess, ist das Ende der Begründungsfrist bis zur Einlegung des Rechtsmittels ungewiss.
Fundstellen